laut.de-Kritik
Schmerzmittelsüchtige tanzen auf dem Mars ins Delirium.
Review von Kai ButterweckWenn sich zwei nach allen Seiten offene Musik-Weirdoz wie Les Claypool und Sean Lennon dazu entschließen, gemeinsame Sache zu machen, dann haben Liebhaber standardisierter Rock- und Pop-Klänge nur wenig zu lachen. Erwartungsgemäß toben sich der Sohn der Beatles-Legende und der Primus-Leader auf dem Debütalbum ihres im vergangenen Jahr gedeckelten Projektes nach Lust und Laune aus. Viel Eingängiges bleibt da natürlich nicht hängen.
"Monolith Of Phobos" ist der psychedelisch angehauchte Gegenentwurf zu nahezu allem, das sich dieser Tage in den Bereichen Rock und Pop eine goldene Nase verdient. Über dem großen Ganzen, geformt aus knarzenden Echo-Sounds und fiebrigen Noise-Effekten aus der Retorte, stolpernden Trocken-Drums und eingestreuten Prog Rock-Gitarren, thront natürlich Claypools markanter Bass-Sound. Frickelig wie eh und je knarzen die Viersaiter-Licks vorneweg. Strukturen und Nachvollziehbares nimmt nur der wahr, der mindestens drei Primus-Shirts daheim im Kleiderschrank zu hängen hat. Alle anderen machen nur große Augen.
Zwar sorgt das durchaus an seinen berühmten Papa erinnernde Organ von Sean Lennon immer wieder für kurze Momente, in denen man meint, einer nachvollziehbaren Harmonie zu folgen. Aber es dauert keine fünf Sekunden, ehe entweder der quäkende Gegenpol aus dem Hause Claypool oder flirrende Bass- und Gitarrenthemen jeden Anflug von Normalität im Keim ersticken.
So lässt sich beispielsweise "Mr. Wright" im Starsky-and-Hutch-Ford in den Orbit beamen, während das "Boomerang Baby" berauschenden Hippie-Klängen lauscht. Und "Captain Lariat"? Der wäre gerne "Tommy The Cat". Nach einer Minute muss er sich aber eingestehen, dass daraus nichts wird. Die Katze ist über alle Berge. Ratternde Marschsounds knattern durch die Boxen.
Und was macht das "Oxycontin Girl"? "She is daddys little girl in a bubblegum world", näselt Claypool ins Mikrofon. Alles schaukelt. Alles schunkelt. Im Stile eines musikalischen Wanderzirkus-Pärchens grooven sich die beiden Projektverantwortlichen um den Verstand. Erlaubt ist, was knarzt und fiept. Auf dem Mars tanzen sich Schmerzmittelsüchtige ins Delirium. Sean Lennon und Les Claypool steuern den passenden Soundtrack dazu bei.
5 Kommentare mit einer Antwort
Gehört, und noch mal, und wieder und immer wieder.
5/5, was sonst. Vielleicht nicht das Album des Jahres aber erstens auf jeden fall Top-Ten und zweitens minimum 5 Plätze vor Moon shaped Pool.
Gestern im Plattenladen empfohlen bekommen, reingehört und nach der Hälfte des ersten Tracks ausgemacht und gewusst, dass ich diese Platte brauche. Wurde auch vom Rest nicht enttäuscht, finde die Platte einfach irre. Irre sowohl im Sinne von total durchgedreht, verrückt, als auch im Sinne von irre gut. 5/5
Kann man z.B. Leuten empfehlen, die die Syd Barrett Phase bei Pink Floyd mögen oder generell auf abgespaceten Scheiß stehen.
Kann dir den Solokünstler Speediconzal empfehlen!
Evtl. wäre es für alle, die nach dem Review genauso schlau sind wie vorher, den Mitschnitt eines Konzerts vom Sommer diesen Jahres(bei YouTube zu finden), als weitere Hilfestellung zu nehmen. Ich bin zwar sonst in einem anderen Revier musikalisch unterwegs, aber wenn ich schon woanders wildere, dann muss es was besonderes sein.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Klarer Fall: 100 Punkte von 5. Geile Scheibe und toll aufgenommen. Nichts wurde zu Tode komprimiert und so mit kommen die vielseitigen Instrumente schön zur Entfaltung.