laut.de-Kritik
Das war einem gar nicht so bewusst, dass die noch leben.
Review von Miriam WolffCrusaders? Das letzte Mal, dass man was von denen gehört hat, ist doch Jahrzehnte her, also, ähm, das war einem peinlicherweise gar nicht so bewusst, dass die überhaupt noch leben. In den Siebzigern konnte man über die Fähigkeiten der hochkarätigen Crusaders-Musiker nur so vor Ehrfurcht den Unterkiefer auf den Boden legen. Und nun haben drei Gründungsmitglieder zusammen gefunden (mittlerweile allesamt über 60), um vorwiegend zu ihrem eigenen Vergnügen wieder ein bisschen anständige Mucke zu machen.
Das Resultat heißt "Rural Renewal". Ein Album, das laut Pianist Joe Sample bewusst die Ursprünge der afroamerikanischen Musik ausgraben will: Blues, Jazz und Gospel. Geschockt davon, wie ernst sie das meinen tockelt der erste Titel am Ohr vorbei. "Rural Renewal", der Albumtitel und zugleich der Opener verstört Crusaders-Fans ganz gewaltig. Nicht allein dadurch, dass er bluesbetont und recht simpel gestrickt ist, und Joe Sample sein Rhodes gegen einen Flügel eingetauscht hat. Eric Clapton, der Grobmotorik-Bluesmann ist der Stargast und spielt hier Akustikgitarre. Das ist ungefähr so ungewohnt, wie wenn man neben Miles Davis einen Typen mit Waschbrett gestellt hätte. Nicht, dass Clapton schlecht spielen würde, aber wo zur Hölle ist der Crusaders-Sound?
Spätestens "Heartland" beruhigt die entsetzten Nerven wieder. Die Doubletime-Tempo-Einschübe, die schwebende Harmonik und die Soli von Joe Sample und Winton Felder am Tenorsax erinnern wieder daran, worum es eigentlich geht: Jazz und Groove. Man stellt ohne große Verwunderung fest, dass die Brüder vielleicht nicht mehr so treibend musizieren wie in ihren besten Jahren. Aber ebenso fest steht, dass sie ihr Handwerk in keinster Weise verlernt haben, weder als Songwriter, noch als Musiker. Und das sind sie, denn ihr Zusammenspiel ist so perfekt, als hätte es nie eine Pause gegeben.
Dem Gospel haben die Crusaders einen guten Teil ihres Albums gewidmet, indem sie sich den in Amerika recht bekannten Gospelsänger Donnie McClurkin gefischt haben. Der gibt sich in zwei Songs die Ehre mit seiner Preacherman-Stimme, die vielleicht einen Hauch zu sehr nahelegen will, dass alles gut wird. "A Healing Coming On", der Gospel, der alle typischen stilistischen Mittel inklusive Chor und dem typischen repetitiven Endchorus aufweist, hängt sich am schnellsten als Ohrwurm fest - ist ja auch nicht gerade wirklich untypisch für Gospel. Man merkt den Crusaders ihre Freude an diesem in ihrer Musik bisher relativ unausgeschöpftem Genre an. Doch trotz einer guten und schönen Ausarbeitung verbreitet sich ein leichter Geschmack von Präsidentschaftskandidatur-Werbungs-Mucke im Hirn.
Von den melodiösen Arrangements der Bläsersätze und der Besetzung Tenorsax/Posaune kann man zwar wie von den Tempi nicht gerade behaupten, dass sie dem Album dazu verhelfen, mehr "abzugehen". Aber die Crusader-Opis wollen doch nur ein bisschen spielen. Und dass das immer noch wunderschönen jazz-betonten, groovenden Soul zur Folge hat, erlebt man, je weiter man sich auf dem Album gen Ende begibt. Immer öfter tauchen wieder vertraute Crusaders-Klänge auf, und Mister Sample tauscht seinen vielbenutzen opulenteren Flügel wieder gegen filigrane, perkussive Rhodes-Soli, die so rund sind, dass man sterben möchte. Wie in "Lazy Sundays", der Song für die Hängematte, oder "Going Home", dem letzten Stück der Scheibe. Beide repräsentieren vielleicht am besten die zunächst "versteckten" Qualitäten.
Es macht keinen Sinn, die CD in Bezug zum Gesamtwerk der Crusaders stellen zu wollen, beispielsweise zu der schweißtreibenden Bravouraufnahme "Live in Japan", die mittlerweile Jahrzehnte zurückliegt. Man hat dann nämlich weniger Spaß an ihr. "Rural Renewal" ist so oder so eine ruhige, eine jazzige und eine gute Scheibe.
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