5. Oktober 2022

"Hat man einen Beitrag zur Popkultur geleistet?"

Interview geführt von

Oh, wie schön ist die Zweifaltigkeit: Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti, bekannt als zwei Drittel der Band International Music, haben ein neues Album aufgenommen. "Duo Duo" ist – wie passend – das zweite Werk der eigentlich ersten, weil älteren Band der beiden Essener Songwriter und erscheint am Freitag.

Hits, Witz und Harmonien für Millionen sind geblieben und doch ist vieles auf "Duo Duo" anders als noch beim Vorgänger "Nenn Mich Musik". Was genau, das wollten wir von Düsterboy Pedro Goncalves Crescenti wissen.

Erst mal meinen Glückwunsch zum Album! Wollt bzw. erhofft ihr euch von solchen Interviews eigentlich Feedback oder sagt ihr: Das Baby ist jetzt bald draußen in der Welt – wir haben eh nichts mehr in der Hand.

Ich find die Gespräche eigentlich immer schön. Ich mag das, weil man irgendwie so langsam merkt, dass es losgeht. Bis zum Erscheinungsdatum sind das ja mittlerweile wirklich viele Monate, schon alleine wegen der Vinyl-Produktionszeiten. Ich mag das, wieder die Interaktion dazu zu haben.

Ihr habt ja durchaus einen Status als Kritikerlieblinge, oder? Wie fühlt man sich in den ganzen Jahresbestenlisten?

Ja, das ist natürlich total schön. International Music wurde bisher einen Ticken besser bewertet als die Düsterboys, das hält es auf jeden Fall spannend.

Einfach öfter rezipiert, oder gab es hier mehr negative Kritiken?

Nee, Verrisse zum Glück kaum. Aber in solchen Zeiten ist es fast schlimmer, wenn niemand drüber spricht, egal ob in der Presse oder auch im familiären Umfeld (lacht).

Mir gefällt das Album gut, aber ich habe Fragen. Allein der Stilbruch beim Cover ist ja nahezu radikal. Ich hatte erst einmal Angst, dass es mich nicht in denselben seligen Winter-Mood versetzt wie das Debüt oder auch die EP. Inzwischen kann ich die klamaukigeren Sachen aber besser einordnen und viel Schönes darin entdecken. Aber aus Fan-Sicht würde ich jetzt wohl sagen: Ich suche noch nach dem neuen "Teneriffa". Ihr auch?

Da haben wir gar nicht drüber nachgedacht. Ich meine: Das Lied gibts ja auch noch. Es darf ja weiter existieren. Für uns ist es immer interessanter, nach etwas Neuem zu suchen.

Apropos neu: Über welchen Zeitraum sind die Songs denn entstanden? Ich meine, mindestens "Korn Auf Korn", aber auch "Pegel" geistert doch schon eine Weile durch den International Music- und Düsseldorf-Düsterboys-Kosmos.

Hey, du weißt Bescheid, ich bin beeindruckt! "Korn Auf Korn" ist eines der ältesten Lieder, das es von uns gibt. Das liegt aber auch daran, dass wir uns mit "Nenn Mich Musik" so ein bisschen selbst überholt haben. Das haben wir zu viert instrumentiert mit Edis (Drums) und Fabian (Keyboards). Das Bandding war irgendwie hotter und geiler in dem Moment und jetzt liefern wir mit "Duo Duo" unsere Beziehung und Arbeit zu zweit nach. Die Songs reichen teilweise bis 2012 zurück. "Stars/Sternchen" wiederum ist zum Beispiel mitten in den Aufnahmen entstanden.

Also ist die Viererphase vorbei?

Nein, nein, die Arbeit zu viert geht auch weiter. Aber wir hatten jetzt einfach Lust drauf, weil das auch ein sehr großer Teil der Düsterboys ist. Die Art wie wir zusammenkommen, Musik schreiben und aufnehmen. Das hält das Album sehr schön fest.

Im Promotext liest man etwas vom "dritten Mind" der zwischen euch entsteht, von "Zärtlichkeit" ist die Rede. Es ist natürlich Fakt, dass man bei euch zweien direkt an diese unglaubliche Simon & Garfunkel-Vertrautheit denkt. Verlasst ihr euch in allen Aspekten eurer Kunst darauf – also zum Beispiel auch in Interviews?

Ach, ich glaube, das geht zu zweit, das geht auch alleine. Ich finde es in Interviews von Peter immer total interessant, wie er das so wahr- und aufnimmt. Die Erfahrung entsteht ja in jedem einzeln. Auch wenn wir uns natürlich austauschen, kommen manchmal so Fragen, wo man noch gar nicht weißt, wie der andere darüber denkt.

Mir kommt es so vor, als wäre "Nenn Mich Musik" so ein unglaubliches All-Killer-No-Filler-Album, weil es über so lange Zeit entstanden sind. Das hast du aber ja schon entkräftet. Gleichzeitig kennt man von euren Livekonzerten noch weitere Songs, die nicht auf "Duo Duo" erscheinen (zum Beispiel "Wir fahren in den Sommer"). Seid ihr nie an dem Punkt, wo ihr einen Strich ziehen und bei Null anfangen wollt?

Nein, nicht direkt. Es ist immer noch was da und es kommt auch immer wieder Neues. Ich bin selbst gespannt, was als Nächstes passiert.

Mit "Kneipe" und "Tür" haben es ja zwei Songs auf die Alben beider Bands geschafft: Wie und wie schnell entscheidet ihr eigentlich, ob ihr da gerade einen Düsterboys- oder einen International Music-Song geschrieben habt?

Ich bin wirklich begeistert, wie du Bescheid weißt, das ist echt selten so. Meistens sind wir bei International Music-Songs zu dritt, wenn sie entstehen und bei Düsterboys-Songs zu zweit oder zu viert. Aber ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wie das so zustande kam. "Kneipe" gab es zuerst bei International Music, aber wahrscheinlich haben Peter und ich irgendwann einen Abend Bier getrunken und dann "Kneipe" gespielt und fandens so schön, dass wir's auch mit den DüDüs aufnehmen wollten.

Also sind solche Dopplungen auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen?

Nein, auf keinen Fall, das nimmt sich ja nichts weg. Wenn sich da noch mal ein schwarzes Loch öffnet, sodass sich die Universen verbinden, warum nicht.

Dann gibt es da noch Coverversionen wie euer Synthesizer-Inferno "Traurige Gesichter", auf dessen Stil ich – ich bin ehrlich – beim neuen Album noch ein bisschen mehr gehofft habe. Müsste da nicht fast eine dritte Band für ran?

Also da gibt es tatsächlich noch was, aber ob das jemals das Tageslicht sieht ... aber der Sound hat auf jeden Fall das Cover beeinflusst, klar. Aber das ist ja auch schon Jahre her. Aber wer weiß, sag niemals nie. Auf jeden Fall haben Peter und ich auch Drumcomputer und Synthesizer zu Hause.

"Das Blitzerfoto muss aufs Cover!"

Wir warten geduldig. In "2016" singt ihr mit Bezug auf "Für Alles": "Wir haben ein Haus gebaut, wo früher Wiese war / Was das bedeutet ist mir immer noch nicht klar." Als Fan, dem nicht immer alles klar ist, frage ich: Wie oft sind euch eigentlich eigene Zeilen selbst nicht klar? Und macht es diese weniger bedeutungsvoll als andere oder am Ende sogar wertvoller?

Wir haben in einzelnen Songs oft unterschiedliche Assoziationen im Kopf, aber das kann sich auch wandeln. Aber dadurch wurde es für mich noch nie weniger antastbar.

Also für einen von euch haben die Zeilen immer eine Bedeutung?

Für alle. Für Peter, für mich, für meine Mama, da hat jeder andere Bilder.

Trotzdem ist es "mir immer noch nicht klar" – 1. Person Singular.

Ich fand immer schon, dass eine Wohltat sein kann, sich mit Dingen zu befassen, gerade auch bei Literatur, die keine eindeutige Deutung haben. Mit Lektüreschlüsseln im Deutschunterricht konnte ich nie was anfangen. Aber die Bedeutung der Zeilen hängt auch viel von der Zukunft ab: Wie wird das angenommen, wie reiht sich das ein, kriegt das einen Platz in der deutschen Popmusik, oder kriegt das nur einen Platz in wenigen Regalen. Damals bei "Für Alles" wussten wir ja noch gar nicht, wohin das alles führt – alleine schon bei einem Label zu veröffentlichen.

Nichts gegen den Deutsch-LK! Aber wenn wir schon beim (Nicht-)Analysieren sind: Warum hat "Gangster" einen englischen Text? Hat das auf Deutsch nicht gefruchtet?

Das ist ein Song, der sich ursprünglich an eine Person richtet, die zu dem Zeitpunkt noch nicht viel Deutsch gesprochen hat.

Wie viel Gangstertum stellt ihr auf dem Plattencover zur Schau?

(lacht) Ich finde es schon geil, dass wir auf der Fahrt nach Essen zurück – so, komm jetzt nehmen wir das Album auf – direkt geblitzt wurden. Leider wurde ich als Beifahrer ja zensiert. Aber ich fands einfach magisch, dass das passiert ist. Die Post kam dann viel später, als wir schon längst über Artwork und Design gesprochen hatten. Das muss man auch dem Büro Freiheit in Köln hoch anrechnen, der Impuls kam nämlich von denen. Die hatten schon viel Arbeit ins eigentliche Cover gesteckt, aber die haben direkt gesagt: Das Blitzerfoto muss aufs Cover! Wir dachten das auch, aber haben uns nur nicht getraut, das zu sagen. Das ursprüngliche Artwork ist jetzt auf dem Vinyl-Sleeve gelandet.

Bald gehts ja auch wieder ins Auto, nämlich auf Tour. Wenn ich euer zuletzt geplantes Kölnkonzert verfolgt habe: Lockdown, Hand gebrochen, Lockdown, selbst erkrankt – und jetzt beklagen viele Künstlerinnen und Künstler auch noch dieses Post-Corona-Motivationsloch vieler Musikfans. Müsst ihr beim Booking so einer Tour viele potenzielle Sorgen umschiffen?

Ich glaube, das Schöne an den Düsterboys ist, dass es wirklich egal ist, ob 20 oder 500 Leute da sind. Wir haben nicht diese "Jetzt kniet euch alle hin und auf drei springen wir alle los"-Momente. Bestenfalls entsteht eine elektrisierende Spannung, die aber eher aus der Ruhe und Aufmerksamkeit entsteht – und das geht sowohl bei kleinen Konzerten als auch in großen Sälen.

Aber es geht ja auch um die Frage – siehe Köln –, wie viele Hürden zu nehmen sind, damit es überhaupt stattfindet?

Also ein gewisses Zittern ist schon da, da muss man lernen mit zu leben, da sind Veranstalter:innen und Musiker:innen auch zwangsläufig flexibler geworden. Aber ich glaube, wir tragen innerhalb dieser ganzen Konstellation das geringste Leid.

Pandemiemäßig wart ihr teils zu Sitzkonzerten gezwungen – wenn ich nicht irre, folgen da auch auf der kommenden Tour wieder ein paar. Was ist euch im Düsterboys-Kontext lieber?

Ich weiß jetzt nicht genau, wo bestuhlt ist und wo nicht. Aber es war schon durchaus Thema vor der Tour, dass wir auch auf ein paar solcher Nummern Lust hätten. Also so: Wenn eh Stühle drinstehen, können sie gerne drinbleiben. Das wird eh eine ganz neue Erfahrung, wir haben noch nie eine Tour zu zweit gespielt.

Ich hoffe mal, dass in Köln Sitzplätze sind. Dann labern die Leute weniger.

Das stimmt, ja, da wird weniger geredet.

Ich bin da während Corona teilweise echt Fan geworden. Ich verstehe auch, dass bei International Music die Tanzbarkeit erhalten bleiben muss, aber wenn ein ruhiger Moment kommt, und plötzlich kippt wieder jemandem das Bier um …

Ja, hundertprozentig!

Kriegst du das auch mit, also so, dass es dich auf der Bühne nervt?

Bisher nur einmal. Mir machts im Prinzip nichts aus, wenn die Leute ganz hinten labern. Ich bin nicht der Musiker, der sagt: "Könnt ihr bitte leise sein, sonst gehe ich nach Hause." Aber einmal stand bei International Music so eine Fünfertruppe vor der Bühne, die haben mich damit richtig ausm Konzept gebracht. Aber hey, war nur einmal.

Ich finde das als Besucher auch immer schwierig. Ich möchte schon Stille, aber mag auch nicht die ganze Zeit "Pssst!"-mäßig Leute nerven.

Ich wollte gerade sagen. ich verlasse mich da eigentlich schon drauf, dass die Besucher:innen das unter sich klären.

Wie machst du's denn als Besucher?

Ich hasse das. Ich stelle mich dann einfach woanders hin. Aber ich glaube, ich bin da wie du, wie ich das so raushöre, ich komme selten, um Party zu machen. Ich möchte die Musik hören und sehen, wie die Leute auf der Bühne interagieren und wie die Songs live gelöst werden. Da ziehe ich Bewunderung und Gefühl draus.

"Man kann ja nur machen, was man denkt, was schön ist."

Noch mal zum Thema Kritikerlieblinge: Spürt ihr den Rückhalt auch bei Verkaufszahlen? Ich weiß von kleineren Bands, die in allen Jahreslisten weit oben landen und sagen: Hey, da kann ich mir nichts von kaufen, bei den Konzerten spüren wir da gar keinen positiven Effekt.

Das wäre nicht so mein Gefühl, eher gegenteilig. Ich glaube, dass die Leute immer noch viel lesen und klicken. Es ist halt schwer, mediale Aufmerksamkeit zu generieren, weil einfach so viel an Musik passiert. So vieles hat seine Daseinsberechtigung. Dadurch gewinnt das Feuilleton aber doch eher an Bedeutung, weil es einfach diese einordnende Funktion übernimmt.

Dann ordne ich mal ein: Was ja auf "Duo Duo" neu ist, ist die gar nicht mal so geringe Menge an Instrumentals. Fünf Songs sind kürzer als zwei Minuten. Auch hier können Hörerinnen und Hörer aus Titeln wie "Danke, B." vermutlich nicht viel ableiten. Zählt da einfach nur das für euch selbst konservierte Gefühl dahinter?

Das ist für die Leute, die Alben noch als Alben hören. Das wird natürlich in keiner Playlist landen, aber ich finde diese Songs einfach wichtig für den Zusammenhang. Die drücken genauso einen Vibe aus wie andere Songs. Und das trägt dann dazu bei, dass klassischere Songs wie "Lavendeltreppen" oder "Gangster" in so ein Kontinuum eingebettet werden. Peter und ich haben festgestellt: Je öfter wir das Album als Ganzes hören, desto besser gefällt es uns – gefällt uns der Sog, den es entfaltet.

Auch ohne Deutsch-LK-Analyse oder Lektüreschlüssel.

Genau, lieber einfach auf der Bahnfahrt ausm Fenster gucken.

Würdest du das Album als weniger zugänglich als das Debüt bezeichnen?

Mhmhm, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was das Experimentelle macht. Ich weiß nicht, was die Nähe, die noch gesteigerte Intimität macht. Peter und ich sind schon auch Popmusiker, wir beziehen uns schon viel auf eine zugängliche Art Musik zu machen. Wir lieben es auch, wenn es schön hittig ist, wenn auch vielleicht mehr auf eine 60er- oder 90er-Jahre-Art-und-Weise. Ich glaube, man muss beobachten, wie der Pop als Äußeres und unsere Innenwelt miteinander funktionieren. Ob es am Ende beim Zugfenster bleibt, oder es auch was ist – keine Ahnung –, womit man seiner Mutter einfach mal ein schönes Lied zeigen will.

Wir merken es ja hoffentlich spätestens auf der Tour.

Ja. Man kann ja nur machen, was man denkt, was schön ist. Und dann schauen, ob man einen Beitrag geleistet hat zur Popkultur.

Das ist doch ein schönes Schlusswort. Danke dir!

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