16. Dezember 2022

"In der Mongolei kennt jeder jeden"

Interview geführt von

Im Interview erzählen The Hu von Gemeinsamkeiten mit Bands wie Sabaton, ihrer mongolischen Kultur und was die Arbeit mit Idolen für sie bedeutet.

Ein Interview über Sprachgrenzen und Zeitzonen hinweg. Die Koordination des The Hu-Interviews verläuft über den Manager in Amerika und die Band, die gerade durch Europa tourt. Ihre ganze eigene Mischung aus Metal und mongolischer Folklore hat The Hu seit der Gründung 2016 zu einem weltweiten Phänomen gemacht. Im Zuge ihres zweiten Studioalbums "Rumble Of Thunder" durften sie gerade einen Preis der UNESCO als "Artist For Peace" in Empfang nehmen. Damit würdigt die UN-Kulturorganisation ihre Musik und ihre Ideen, die mit den Werten und der Arbeit der UNESCO übereinstimmen. The Hu sind die erste Band aus dem Rock-Genre, die diese Auszeichnung erhält.

Nach ein paar Mails und Telefonaten stehen Enkush (Pferdekopfgeige-Spieler und Kehlkopfgesang) und Jaya (Maultrommel, Flöte und Kehlkopgesang) zu einem Zoom-Gespräch zur Verfügung, wie immer bei ihren Interviews ist ein Dolmetscher anwesend. Beide Musiker wirken von der langen Tour müde und sind gerade dem Tourbus entstiegen.

Hey! Wie läuft die Tour durch Europa?

Jede Tour, die wir in Europa durchführen ist großartig, aber natürlich auch anders. Die Architektur und Historie unterscheidet sich sehr von unserer mongolischen Heimat, aber gerade deswegen unternehmen wir ja solche Tourneen, um andere Eindrücke und Kulturen kennenzulernen.

Ich kenne mich ehrlich gesagt nicht besonders gut mit der mongolischen Musik aus. Gibt es dort eine Art Leitmythos und eine Grundstimmung in eurer Kultur und Musik?

Wie schon erwähnt ist es eine ganz andere Kultur als die eure. Wir sind familiärer und leben enger zusammen. Hier kennt jeder jeden und wenn wir abends zusammen sitzen, erzählt man sich legendäre Heldengeschichten von Kriegern. Die Älteren singen von Legenden, erzählen Geschichten und spielen auf alten Instrumenten. Es gibt auch verschiedene Kulte und gerade Dinge wie Familienfeiern sind enorm groß. Überall ist Musik und du hörst verschiedene Arten von Instrumenten und Klänge.

Leider fand die gemeinsame Tour mit Sabaton nicht statt. Euch verbindet ja ein wenig die Faszination von Kriegsthemen. Könnt ihr das näher erörtern?

Sabaton ehren ihre Kultur, wie wir es auch tun. Sie haben da aber ihre eigene Herangehensweise. Uns geht es besonders darum, unsere Ahnen zu ehren und ihr Vermächtnis zu wahren. Wir wollen ihre großartigen Geschichten in die Welt tragen und teilen. Kriege gehören zu unserer Geschichte, aber eigentlich stehen wir im Zeichen von Frieden. Das wollen wir auch auf unseren Konzerten transportieren. Es soll eine große gemeinsame Harmonie entstehen. Die Unesco hat uns ja auch deshalb zu Botschaftern für Frieden gemacht und wir wollen in erster Linie eine positive Message in die Welt hinaus tragen. Für uns ist jeder gleich und alle sind eine große Familie.

Ihr durftet letztes Jahr auf Metallicas Bitte hin "Through The Never" für "Blacklist" covern. Wie fühlte sich das für euch an?

Das war eine unfassbar große Ehre für uns. Wir waren schon als Jugendliche große Metallica-Fans und haben all ihre Alben und Songs gehört. Da spürte man schon einen riesigen Druck, um für seine Helden das beste Ergebnis zu erzielen. Wir wollten aber nicht einfach stumpf den Song originalgetreu covern, sondern haben ihm einen ganz eigenen Vibe verpasst. Wir verwenden ja eine ganz andere Instrumentierung und daraus entsteht schon eine andere Musik, eben unser "Hunnu-Rock". Es gibt ja noch eine andere Version auf dem "Blacklist"-Album, aber unsere Version ist doch sehr anders ausgefallen, eigentlich auch anders als der komplette Rest. Es war eine unglaubliche Erfahrung und wir sind Metallica sehr dankbar.

Seid ihr vielleicht für die Mongolei auch so eine Art Metallica?

Die Mongolen mögen Rock-Musik eigentlich gar nicht so sehr, weil es nicht Teil der Tradition ist. Wir haben ein ganz neues Genre erschaffen und damit vielleicht auch den jungen Menschen einen Zugang zu der Musik ermöglicht. Es gefällt ihnen, auch die Akzeptanz bei den Älteren wächst immer mehr. Mittlerweile werden wir in der Mongolei quer durch alle Schichten und Generationen gehört. Das ist hier in Europa auch so. Gestern haben wir ein 9-jähriges Mädchen getroffen, das total verrückt nach unserer Musik ist. Wenn wir so viele Menschen erreichen, ist das natürlich schön und erfüllt uns mit Stolz.

"Das Internet ist voll von hasserfüllten Kommentaren"

Immer wieder tauchen unter euren Youtube-Videos oder in sozialen Netzwerken Kommentare auf, die euch wegen der Texte in eine nationalistische Ecke rücken wollen. Wie steht ihr dazu?

In den sozialen Medien und im Internet gibt es immer solche missgünstigen und hasserfüllten Kommentare. Diese Menschen haben sich doch schon längst eine Meinung über uns gebildet und wollen auch nicht von ihren Vorurteilen wegkommen. Das ist auch der Grund, warum wir uns größtenteils aus den sozialen Medien raushalten. Wir wollen schlichtweg nur unsere Musik vor vielen Menschen auf der ganzen Welt spielen und den Planeten etwas netter gestalten.

Ihr durftet für den Metal-Horrorfilm "Retaliators" einen Song beisteuern. Eure Videos sind cineastisch aufgebaut. Wie wäre es denn mit einem eigenen Film oder Doku über euch?

Das wäre sehr reizvoll, aber da fehlen wahrscheinlich noch weitere, große Geschichten. Wir erleben jedes Jahr etwas Neues und irgendwann in der Zukunft haben wir vielleicht wirklich so viel erlebt und eine so tolle Story, dass wir sie erzählen können. Momentan wäre das nicht der richtige Zeitpunkt. Wie müssen einfach noch mehr erleben oder schreiben, damit der Film auch wirklich ein Publikum zufriedenstellt. Aber ja, wenn es so eine Art Bucketlist bei uns gäbe, dann wäre da ein Film darauf.

Wie hoch schätzt ihr eure exotische Wirkung dahingehend ein, in der westlichen Welt für Tourneen gebucht zu werden?

Die Gründe sind uns eigentlich egal. Wir möchten einfach unsere Musik in jede Ecke auf diesem Globus tragen. Wenn die Leute uns auch weiterhin hören wollen und mit unserer Musik etwas anfangen können, werden wir auch noch viele Jahre so weiter machen und wirklich überall touren, wo man uns bucht. Wir hoffen einfach, dass die Menschen unsere Leidenschaft für diese Musik teilen. Weißt du, jeder von uns hat mal eine traurige und schlechte Phase, in der uns Musik wieder aus einem Loch heraus holt. Es wäre ein schöner Gedanke, wenn wir diese Band sind, die die Menschen aus ihrer Dunkelheit heraus holen. So sehen wir unsere Rolle, wir wollen eine positive Stimmung erzeugen.

Okay, dann lieben Dank für das Interview und ich wünsche euch eine schöne Zeit daheim. Wisst ihr schon, wie es danach weiter geht?

Danke. Wir waren nun ziemlich lange auf Tour, fünf Monate am Stück und nach dem letzten Gig in London kehren wir in unsere Heimat zurück. Nächstes Jahr geht es aber weiter, mit großen Festivals und neuen Musikvideos. Wir arbeiten übrigens auch schon an unserem neuen Album, aber darüber werden wir wie immer rechtzeitig auf unserer Homepage informieren.

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LAUT.DE-PORTRÄT The Hu

Die Mongolen sind als Reitervolk bekannt, das unter Dschingis Khan und seinem Sohn Kublai Khan das größte zusammenhängende Reich der Geschichte beherrschte.

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