laut.de-Kritik
Stream like it's 2006.
Review von Michael SchuhAls die junge unbekannte Gitarren-Band The Kooks im März 2006 dieses Album veröffentlicht, ist die Sehnsucht der Konsumenten nach einer jungen unbekannten Gitarren-Band überschaubar. Es fehlte ja an nichts: Mando Diao fahren schon seit einer Weile die alten Oasis-Riffs wieder auf Betriebstemperatur, Maximo Park servieren 80s-Indie mit neuem Drive, eine Las Vegas-Combo namens The Killers überzuckert Rock mit Vegas-Glamour und die Libertines-Karriere, na gut, die ist aufgrund von Pete Dohertys Boulevard-Affinität im Sinkflug begriffen. Dafür sind 2006 die Strokes und White Stripes noch aktiv.
Die Kooks aus Brighton kamen da erst mal verschüchtert rüber mit ihrem engelsgelockten Sänger Luke Pritchard und tatsächlich rennt einen "Inside In/Inside Out" nicht mit Anlauf über den Haufen. Hier zirpen die Gitarren zu Beginn noch so zärtlich wie beim jungen Bob Dylan und auch wenn der zweite Song "See The World" dann schon den Rock-Background sowie das überbordende Melodiengespür der Gruppe offen legt, hätte man wohl kaum damit gerechnet, dass es sich 2021 lohnen würde, eine aufwendige "15th Anniversary Edition" des Albums zu veröffentlichen.
Die Songs hatten nicht den stürmischen Furor des zeitgleich erschienenen Newcomer-Albums "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not". Viele Refrains klangen fast zu schön, um wahr zu sein. Selbst laut.de attestierte der Band in der damaligen Album-Review zwar "riesiges Potenzial", das allerdings erst noch abgerufen werden müsse. Wie sich heraus stellte, war es genau umgekehrt: An die ungestüme Frische dieser Platte, um die zu erlangen es meistens von Vorteil ist, wenn man eben noch in lausigen Kellerclubs aufgetreten ist, kam danach keine andere Kooks-Platte mehr heran.
Problem: Bei dem Quartett aus Brighton liegen zwischen den Gigs in lausigen Kellerclubs und dem Auftritt als Support der Rolling Stones gerade mal zwölf Monate. Der sagenhafte Erfolg des Albums wird zu einer Bugwelle, die die Insassen einmal auf links dreht, durchschüttelt und auseinander treibt. Die endlosen Partyabende auf verschiedenen Kontinenten wirft zunächst Bassist Max Rafferty aus der Bahn, 2008 geht auch Drummer Paul Garred von Bord, wovon sich die Band nicht mehr erholen sollte.
Trotz einiger schöner Songs in den Folgejahren bleibt "Inside In/Inside Out" das Kooks-Album, das man als Indie-Fan besitzen muss. Hier fließen 80s-Einflüsse, punkige Upbeat-Momente, Offbeat-Passagen und Folkgitarren ungeahnt harmonisch zusammen. Es ist ein Album wie 20 sein: Aufbruchsstimmung, raus aus dem Elternhaus, die Gefühle zwischen der ersten großen Liebe und dem Absturz mit den Kumpels; das alles findet in Pritchards Organ eine ideale Projektionsfläche. Der schüchterne Sänger sei ein "Lou Reed für den Dancefloor", wie es ein britischer Journalist formulierte.
Die Limited 15th Anniversary Edition bringt auf zwei CDs oder LPs die bekannte Scheibe mit den Ausnahmetracks "Naïve", "Sofa Song" und "She Moves In Her Own Way" nun mit damaligen Studio-Demos zusammen. Dabei fällt noch einmal auf, wie wichtig es der Band war, die Demos im Studio nicht zu überfrachten und eine Glanz-Produktion zu fahren - stattdessen klingen die bekannten Originale fast so rauh und unproduziert wie die Demos. Anhand der frühen Version von "You Don't Love Me" lässt sich gut nachvollziehen, wie Pritchard allein mit seiner Akustischen zuerst all seine Bandmitglieder und später dann Labels auf sein Talent aufmerksam machte. Auch eher unfertige Stücke wie "Constantine's Love (Early studio Demo)" besitzen genug Charme, um zu unterhalten.
Die Zeitlosigkeit dieser Coming-of-age-Songs endete nicht mit dem damaligen Jahrzehnt: Die Streaming-Generation schenkte "Inside In/Inside Out" ein zweites Leben. Aktuell weist die Platte 1,3 Milliarden Streams auf. Wenig verwunderlich, dass die Briten ihr Debüt 2022 komplett auf die Bühne bringen wollen.
5 Kommentare mit einer Antwort
Ganz tolles Album, läuft nach wie vor immer wieder mal. Wirklich einige zeitlose Tracks! Genau wie das fast ebenso tolle "Konk".
4,5/5
War halt damals schon richtig wilde, gefährliche Musik für den Weltjugendtag. Ich hörs nicht freiwillig, aber ganz brauchbar isses schon.
Würde sagen, Musik für den Tag am See.
Wild und gefährlich (naja) haben ja eher die erwähnten Arctic Monkeys abgedeckt zur selben Zeit.
Gutes Album, aber bester Song 2021 bisher auf jeden Fall Check24 Song.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Monaten durch den Autor entfernt.
Musik für Craze, Caps, Arge & Sancho