5. August 2020

"Der Traum vom Bandbus rückt in weite Ferne"

Interview geführt von

Corona, Corona, Corona. Vor allem in der Unterhaltungsbranche gibt es kaum noch ein anderes Thema. Hier trifft sie wirklich alles und jeden besonders hart, und die Auswirkungen sind nach wie vor ungewiss. Auch für Rod Usher und seine Band The Other ist die Situation alles andere als angenehm. Entmutigen lässt sich der Frontmann jedoch noch lange nicht, sondern passt sich einfach so gut wie möglich an.

Rod, wie geht es dir in dieser für kreative Künstler doch recht schwierigen Zeit?

Soweit eigentlich ganz gut. Wie du habe ich ja den Vorteil, dass ich nicht von meiner musikalischen Aktivität leben muss, sondern mein Geld auf andere Art und Weise verdiene, und da steht aktuell auch gerade ein interessanter Wechsel an. Ich hab' jetzt schon seit geraumer Zeit Homeoffice und könnte mich daran tatsächlich gewöhnen. Also, privat soweit alles bestens. Bandtechnisch gesehen ist es natürlich was anderes. Wobei wir auch da eigentlich ganz gut arbeiten konnten, wenn man mal davon absieht, dass man nicht proben kann und natürlich auf absehbare Zeit keine Konzerte in der ursprünglichen Form möglich sind. Könnte also schlimmer sein, aber komisch ist es trotzdem. Wie ist es denn bei dir?

Ähnlich und ich bin mit der Homeoffice-Situation auch ganz zufrieden. Wenn man eh nicht so der größte Fan von Menschen ist, kommt einem das sogar entgegen. Gerade, wenn deine Hauptaufgabe darin besteht, sich Gedanken zu machen und diese dann auch auf möglichst nachvollziehbare Art und Weise zu artikulieren, sind Großraumbüros eher kontraproduktiv.

Verstehe ich voll und ganz. Ich hab' mir grade 'ne Woche Urlaub genommen, und gestern waren wir mit der Band in Hamburg bei unserem Merchandiser und haben da alle Pakete für die Vorbesteller mit persönlicher Widmung und anderem Kram gepackt. Das hat richtig Spaß gemacht, auch wenn es sauviel Arbeit war. Aber anderes kannst du für deine Fans ja momentan recht wenig tun. Das waren über 300 Bestellungen, wir saßen da echt bis ein Uhr nachts und haben uns die Finger wund geschrieben, aber das wars wert.

Viel mehr lässt sich aktuell ja kaum machen.

Leider wahr, wobei wir übermorgen einen Streaming-Gig im Luxor in Köln haben werden. Da bin ich echt mal gespannt. Das ist für uns dann gleich 'ne doppelte Premiere, da wir bisher weder im Luxor gespielt noch jemals einen reinen Live-Stream-Gig absolviert haben. Aber wer hat das schon vor Corona ... Das läuft über dringeblieben.de, ehemals rausgegangen.de (lacht). Das ist ne ganz kompetente Agentur, die hier in der Gegend sehr aktiv ist. Die haben schon über 1.000 Streaming-Gigs gemacht, und ich geh' davon aus, dass das recht professionell ablaufen wird.

Ihr gebt da dann schon richtig Gas, mit allem drum und dran?

Na klar, das wird keine Akustik-Show oder sowas. Werden da mit vollem Make-Up und einer klassischen The Other-Show spielen. Und natürlich auch mit neuen Songs, die wir irgendwie mal proben müssten. Dann hat unser Drummer leider auch noch seit letzter Woche einen Bänderriss … Also, so einfach wird das alles nicht (lacht). Aber das ist eben der Kleinscheiß, mit dem du dich immer rumärgern musst. Wir sind sonst sehr zufrieden. Die Promo läuft super, die Leute kaufen unser Album (wie sich mittlerweile eindrucksvoll in den Charts gezeigt hat, Anmerkung d. Verf.), und zumindest online können wir für unsere Fans spielen. Wir sind eigentlich zufrieden und dankbar, wie es unter diesen Bedingungen läuft. Und jetzt noch Urlaub, zwar nur Balkonien, aber man genießt die Zeit ja auch so. Vor allem, wenn ich mal wieder zum lesen komme.

Was liest du denn aktuell?

Oh, ich hab 'nen ganzen Stapel, den ich lesen will. Aktuell bin ich an der Biographie von Debbie Harry namens "Face It: A Memoir". Für mich absolut faszinierend, weil man jede Menge aus den 70ern und 80ern erfährt über The Ramones, Talking Heads, das CBGBs und so weiter. Direkt davor hatte ich die Bio von John Taylor, "In The Pleasure Groove: Love, Death and Duran Duran", gelesen, die ich persönlich noch besser fand, weil ich die Band ja mehr oder weniger von Anfang an verfolgt habe. Irgendwo erzählt er von einer komischen Playback-Veranstaltung in Dortmund mit lauter anderen Bands, und ich wusste direkt: Hey, der meint "Peters Pop Show"! (lacht) Das war für mich natürlich interessant, nicht nur, weil ich großer Fan der Band bin, sondern weil der Mann im Grunde seines Herzens ein echter Punkrocker ist. Ich finde Biographien oftmals sehr inspirierend. Man neigt in der heutigen Zeit ja leider doch dazu, eher Netflix anzuschalten als ein Buch zur Hand zu nehmen.

Muss ich beides bestätigen. Ich hab' zuletzt die Bio von John Cleese von Monty Python gelesen und habe mir vorgenommen, einfach viel öfter die Kollegen zu verarschen. Was draus wird, muss man sehen. Was schaust du denn auf Netflix?

Aktuell gerade "Gotham", die Vorgeschichte zu Batman. Find' ich extrem stark. Aber man verliert sich auf dem Portal ja auch echt schnell, weil das Angebot so immens groß ist. Aber samma, bist du eigentlich für unseren kleine, regelmäßigen Plausch wieder aus der laut.de-Rente zurückgekehrt?

So ähnlich. Ich bin in der wunderbaren Situation, dass ich mir die Bands aussuchen darf, mit denen ich was machen will, und hab' da von der Redaktion her ziemliche Narrenfreiheit. Besonders Interviews mache ich nur noch selten, aber da wir uns ja sonst kaum mehr über den Weg laufen, hab ich die Gelegenheit einfach genutzt.

Wow, da fühl' ich mich aber geehrt. Ich finde Interviews, die tastsächlich face to face oder wie in unserem Fall jetzt per Skype gemacht werden, haben deutlich mehr Mehrwert für Fans. Der Aufwand ist für dich natürlich deutlich größer als wenn man ein Mailer-Interview macht, in dem man nur noch die Antworten ein wenig redigiert, aber im Gespräch erfährt man doch deutlich mehr über den anderen.

"Auf der nächsten Scheibe darf kein Titel das Wort 'dead' beinhalten"

Auf jeden Fall. Aber kommen wir doch mal zum Eingemachten. "Haunted" ist ein wirklich sehr gutes Album geworden, das mich spätestens mit dem dritten Song "Turn It Louder" nicht mehr losgelassen hat.

Das freut mich sehr. Der Song hat sich auch für uns direkt als Single angeboten, und offenbar sehen das viele Leute ähnlich. Vielleicht schaffen wir es mit dem Song ja auch mal auf Radio BOB oder Rock Antenne oder ähnliches. Mit den schnellen Punksongs schaffen wir das eh nicht, aber mit "Turn It Louder" haben wir vielleicht echt mal 'ne Chance. Der Opener "Mark Of The Devil" ist tatsächlich einer meiner Favoriten, weil er so eine düstere Atmosphäre hat. "We're All Dead" ist für mich so etwas wie eine Hommage an den eigenen Anfang und ist auch vor allem für die Leute gedacht, die auf den letzten Alben ein wenig den Punkrock vermisst haben.

Die dürften mit "Haunted" im Allgemeinen aber doch sehr zufrieden sein.

Ich denke schon. Das war auch ein wenig das erklärte Ziel, des Albums. Ich mag alle unsere Scheiben nach wie vor, aber besonders auf dem letzten Album "Casket Case" war an einzelnen Stellen ein wenig zu viel des Guten. Da waren ein paar Ausreißer dabei. Auf "Haunted" haben wir sehr viel Wert darauf gelegt, dass das Album homogener wirkt und die Songs mehr zueinander passen. Klar, "To Hell And Back" fällt immer noch aus dem Rahmen, aber den wollten wir uns einfach mal gönnen. Aber abgesehen davon sollten die Songs viel einheitlicher klingen, was uns auch gelungen ist, wie ich finde. Die Reaktionen von Fans und Presse scheinen uns da bislang Recht zu geben. Jetzt schauen wir mal, was letztendlich dabei rauskommt und was es bewirkt. Wir hatten ja generell immer gute bis sehr gute Reaktion auf unsere Alben, aber für die Hauptbühne auf Wacken hat es trotzdem nie gereicht (lacht). Ich meine das aber tatsächlich nur halb im Scherz, denn gerade in der Metalszene ist es verdammt schwer, den Sprung aus dem Underground zu schaffen. Auf den Festivals stehen gefühlt immer nur die fünf bis zehn gleichen Namen auf der Headlinerposition, und im Radio laufen selbst auf den entsprechenden Sendern auch immer nur die gleichen Songs von AC/DC und Guns N'Roses. Man weiß gar nicht, wie man die Leute überhaupt erreichen soll, die sonst nur Sabaton hören.

Ich frage mich eh, wer denn die ganzen Headlinerpositionen übernehmen soll, wenn Metallica, Maiden, Helloween oder die anderen Alten mal alle weg sind.

Bei Ghost sehe ich tatsächlich große Potential, aber ansonsten fällt mir spontan auch nicht viel ein. Wobei die auch nie einen Stellewert wie Judas Priest, Iron Maiden oder KISS erreichen werden. Aber sowas werden In Flames, Five Finger Death Punch oder Machine Head auch nie schaffen. Ohne denen jetzt allen ihre Qualitäten absprechen zu wollen. Aber auf der anderen Seite wird natürlich auch gerne mal von einzelnen Labels viel Geld in die Hand genommen, und dann tauchen auf einmal Bands auf sämtliche Covern der Szene-Magazine auf, von denen du noch nie gehört hast und die einfach nur zusammengecastet wurden. Die kennt dann sogar der Sabaton-Fan auf einmal (lacht). Wobei das ja selbst in der Metalszene mein neues Phänomen mehr ist. Aber ich will mich gar nicht beschweren. Wir dürfen auf Festivals wie Wacken, Summer Breeze, WGT, Amphi und vielen anderen auf tollen Positionen spielen und arbeiten einfach weiter und beständig daran, irgendwann auch mal 'ne Headlinerposition zu bekommen.

Der Pressetext zu "Haunted" spricht davon, dass du auf dem Album textlich zahlreiche junge Damen auf dem Gewissen hättest. Kann man unterhaltungstechnisch schon machen, aber gab oder gibt es einen besonderen Anlass?

Ja, das wurde vielleicht etwas drastisch und bewusst klischeehaft formuliert (lacht). Aber wie das nun mal so ist, die Basis dafür war eine nach acht Jahren gescheiterte Beziehung mit all ihren Emotionen und deren Aufarbeitung. Wir standen schon kurz vor der Hochzeit, doch dann ist das Ganze Ende 2018 in die Binsen gegangen. Ich bin mittlerweile wieder glücklich vergeben, aber zu der Zeit war ich echt froh, dass ich das mit meinen Lyrics aufarbeiten konnte, und dabei ging es dann eben ein wenig blutiger zu (lacht). Aber wir sind hier natürlich im rein fiktiven Bereich und da soll das alles auch bleiben. Aber sie sind schon recht düster ausgefallen, vor allem kommt das Wort "dead" viel zu oft vor. Meine Band hat mir schon das Versprechen abgerungen, dass auf der nächsten Scheibe kein einziger Titel das Wort "dead" beinhalten darf (lacht). Na, mal sehen, was draus wird. Das wird auf jeden Fall 'ne echte Herausforderung.

Dann nimm doch einfach "undead", damit ziehst du dich schön aus der Affäre.

Ja, gute Idee. Aber auch sonst sind es einfach die typischen Horror-Punk-Geschichten. "Vampire Girl"ist schön cheesy, und auch "Creepy Crawling" ist doch sehr direkt und nicht wirklich metaphorisch. Und ganz im Vertrauen: "Mark Of The Devil" ist beinahe schon ein feministischer Song. Darin geht es ganz klar um die Lust der Frau, die ja nach wie vor von vielen Zeitgenossen eher argwöhnisch beobachten wird.

Oder einfach ignoriert, von vielen Herren der Schöpfung.

Leider wahr. Aber ich wollte auch nur zeigen, dass es durchaus andere Themen auf "Haunted" gibt als nur Mordphantasien. Und ich gehe mal davon aus, dass es jedem klar ist, dass es hier nicht um Glorifizierung geht, sondern einfach um Unterhaltung. Don't do this at home!

Das muss man in Zeiten, in denen empfohlen wird, sich Desinfektionsmittel zu injizieren, vermutlich immer wieder dazu sagen.

Ich befürchte auch (lacht). Für mich ist "Haunted" wieder etwas punkiger, aber auch deutlich dunkler als die letzten Scheiben. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass die Gitarren deutlich präsenter sind und mehr Hall drauf haben. Das gleiche trifft auch auf meinen Gesang zu. Da konnte ich mich endlich mal gegen die Herren Produzenten durchsetzen. Die hassen Hall – ich liebe ihn! Das gibt dem Ganzen einen so schönen Gothic-Touch, wozu das Cover und der Titel natürlich auch passen.

Was die Produktion angeht, seid ihr seit den letzten paar Alben ja extrem gut aufgestellt. Wieso ist das im Horror-Punk eigentlich nach wie vor die Ausnahme?

Das verstehe ich auch überhaupt nicht. Es gibt zahlreiche Bands, die im Underground extrem angesagt sind, aber ich kann mir das wegen der miesen Produktion kaum anhören. Selbst Blitzkid, die ja zur absoluten Speerspitze gehören, hatten noch nie 'ne wirklich fette Produktion am Start. Dabei kostet das heutzutage nicht mehr die Welt, und ein Produzent, der dir auch mal ein paar andere Ideen mitgibt, ist eh Gold wert. Aber das ist vermutlich auch so 'n Undergound-Ding. Im Trve Norwegian Black Metal muss das ja auch klingen, wie mit 'ner Keksdose aufgenommen. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Ich für meinen Teil kann zumindest sagen, dass ich von dem produktionstechnischen Standard der letzten Alben nicht mehr runter möchte. Die ganzen Feinheiten und Kleinigkeiten, die erst im Studio mit einem guten Produzenten das gewisse Extra aus den Songs herauskitzeln – das ist für mich unbezahlbar. Für mich wäre es das Größte, mal mit einen Bob Ezrin (KISS, Alice Cooper, usw.) oder Rick Rubin (Johnny Cash, Metallica, Beastie Boys) zu arbeiten.

Ihr habt mit Aaron Torn einen Rückkehrer am Bass zu verzeichnen. Wie kam es dazu?

Wir hatten den Kontakt zu Aaron nie verloren. Er ist damals einfach bei einer Band eingestiegen, die deutlich aktiver war als wir, was für ihn als Profimusiker wesentlich lukrativer und interessanter war. Das war für uns absolut nachvollziehbar. Komischerweise haben uns ehemalige Mitglieder immer nur verlassen, um sich entweder komplett auf die Musik zu konzentrieren oder komplett damit aufzuhören. Das ist eben die Krux einer Band wie uns, die zwischen Hobby und Professionalität festhängt. Jedenfalls ist Aaron bei der anderen Band irgendwann wieder ausgestiegen, und wir sind hellhörig geworden. Es hat dann noch ein wenig gedauert, bis wir uns von Chris Cranium getrennt haben, aber dann ist Aaron erst für ein paar Shows eingesprungen und letztendlich wieder bei uns eingestiegen. Das freut uns alle und mich ganz besonders, weil wir schon immer einen guten Draht zueinander hatten und Aaron einfach ein Typ ist, der immer gute Laune hat. Mit ihm haben Touren wieder sowas wie 'nen Klassenfahrtcharakter – und er kann echt gut saufen (lacht).

Auch wenn ich eigentlich Fan von bestehenden Bandgefügen bin muss ich doch sagen, dass die Wechsel bei euch im Laufe der Jahre der Band musikalisch enorm gutgetan haben.

Ich weiß, was du meinst. Ben Crowe und Pat Laveau sind einfach zwei tierisch gute Gitarristen und das Songwriting mit den beiden ist genial. Die beiden setzen ihre Fähigkeiten einfach songdienlich ein und kitzeln immer noch ein bisschen mehr aus den nach wie vor meist simplen Melodien heraus. Das freut mich dann immer wie ein kleines Kind, denn DAS schafft diese Gruselatmosphäre. Und dann müssen die ja auch immer noch singen und jede Menge Backing-Vocals und Chöre übernehmen. Das ist bei den Proben immer 'ne ganz eigene Nummer, an der man arbeiten muss.

"Die Idee zum Hörspiel kam, als ich Gast bei Radio Plapperpop war"

Auch auf die Gefahr hin, dass du mich beim nächsten Aufeinandertreffen killst, aber "Fading Away" klingt für mich nach ner Mischung aus Alphaville und Thin Lizzy.

Das ist lustig, dass du das sagst. Im Studio war das nur "der Thin Lizzy-Song".

Klar, wegen den doppelten Gitarrenharmonien. Aber ich finde, die Nummer hat auch was sehr Waviges, das in die Richtung Alphaville geht.

Absolut. Wobei sich das erst im Studio so ergeben hat. Ursprünglich war das eher eine Hommage an "Hyde Inside" von unserem ersten Album. Im Studio hat der dann ein gewisses Eigenleben entwickelt und bekam diesen Wave-Touch. Damit kommen wir aber absolut klar. Das ist der Sound, mit dem wir aufgewachsen sind, und ich denke auch, dass der Song in den 80ern super funktioniert hätte.

Falls ihr dazu jemals ein Video dreht, müssen da natürlich jede Menge Seidenhemden und toupierte Haare rein.

Das wär' ja geil. Und alle stehen nur an Keyboards rum. Mir gefällt, wie du denkst (lacht).

Mit Anna von Rosenstolz habt ihr ja auch einen recht prominenten Gast auf dem Album.

Ja, stimmt. Anna hat ja auch schon auf "Der Tod Steht Ihr Gut" auf "The Place To Bleed" von 2008 gesungen. Ich hab' sie damals über ihren Ex-Mann kennengelernt, der großer Misfits-Fan war. Die hatten 'ne Band namens Missy And The Fits, bei der Anna gesungen hat. Sie war dann mal bei einem Konzert von uns in Berlin und da haben wir uns angefreundet. Die Frau ist echt super! Wir hatten sie jetzt eigentlich bei uns im Studio, um Aufnahmen für unser Hörspiel zu machen, haben sie aber dann auch gleich ein paar Chöre singen lassen. Leider hört man sie jetzt gar nicht so besonders raus, weil wir einfach keinen Song parat hatten, bei dem sie einen Teil des Hauptgesangs hätte übernehmen können.

Du hast das Hörspiel ja schon angesprochen. Erzähl' mal was darüber.

Wie gesagt, Anna war mit dabei, und zwar mit der für sie typischen Begeisterung. Ich liebe ihre Stimme einfach, und wenn sie bei was mitmacht, dann immer zu 100 Prozent. Ich mag einfach Stimmen, die man sofort zuordnen kann, und das hat Anna definitiv. Das Hörspiel selbst war eher so 'ne Bierdeckelidee und hat sich dann zu einem ganz eigenen Monster entwickelt. Ich war bei einem Podcast namens Radio Plapperpop von Michael Krisch zu Gast, der insgesamt über zwei Stunden dauerte und bei dem viel Bier getrunken wurde. Dabei kam die Idee auf und hat schnell ein Eigenleben entwickelt. Wir haben dann unseren Bekanntenkreis durchforstet, und ich hab' Thomas Williams angesprochen, einen Bekannten, der mittlerweile auch für John Sinclair als Autor schreibt. Ich hab' ihm ein paar Stichpunkte gegeben, und kaum schaust du nicht hin, hatte ich 22 Seiten eines Drehbuchs vorliegen, das einfach bärenstark war. Ganz im Stile der alten Europa-Hörbücher, Macabros und wie sie alle heißen. Ab da gab es kein Zurück mehr. Es gab lauter kleine Referenzen zu The Other, es hatten diesen Trash-Charme, ich hab' es geliebt. Es war dann Michas Idee, für "The Other Und Die Erben Des Untergangs" nicht zu viele Stimmen zu engagieren, sondern viel selber zu machen. Also haben wir einfach Leute aus der Szene gefragt. Eigentlich wollte Bela B. von Die Ärzte mitmachen, musste aus Zeitgründen aber absagen. Mille von Kreator ist dabei, Doktor Mark Benecke, Anna natürlich, Conny Dachs – ein Meister der Erwachsenenunterhaltung (andere sagen einfach Pornodarsteller, d. Verf.) – Wolfgang Hohlbein und Flo von Pyogenesis und Joachim Witt sind auch mit dabei. Michael Reim von In Extremo hat einen großen Part eingesprochen, obwohl der uns gar nicht kannte. Der hat erst mal bei Mille angerufen und gefragt, wer wir sind und was wir wollen. Mille hat uns wärmstens empfohlen, und das Ergebnis ist echt spitze. Keiner davon war ein Profisprecher, und das ist absolut in Ordnung so. Am meisten hat mich echt Conny Dachs begeistert, der ja tatsächlich eine Ausbildung als Schauspieler hat und das entsprechend professionell angegangen ist. Der war perfekt vorbereitet. Das Ganze wird übrigens über Wicked Vision im September veröffentlicht werden. Wir hatten alle jede Menge Spaß, und für Leute, die auf so Sachen stehen, ist es ein gefundenes Fressen.

Habt ihr eigentlich irgendeinen Druck vom Label bekommen? Die dürften in der Corona-Krise finanziell ja auch nicht so wunderbar dastehen.

Denen gehts mit Sicherheit auch wie allen anderen. Allerdings stand nie zur Debatte, dass wir unseren Release verschieben sollen. Sowohl Label als auch wir selbst waren eher der Meinung, dass wir in Sachen Verkaufszahlen vielleicht sogar davon profitieren könnten, wenn die Leute daheim sitzen und sich mit uns beschäftigen können. Druck haben wir auf jeden Fall keinen bekommen, und ich hatte auch nicht den Eindruck, als ob die sich verstärkt Sorgen machen würden. Die freuen sich viel eher über alles, was wir aktuell auf die Beine stellen, gerade im Social Media-Bereich. Das ist in unserer finanziellen Größenordnung zwar auch überschaubar, aber wir versuchen, dabei so kreativ wie möglich zu sein.

Was denkst du, wie es mit den Clubs weitergeht? Gerade in Köln mussten ja bereits VOR Corona schon einige schließen.

Schwierig. Ich merke es ja schon mit meiner Partymonium-Reihe als DJ. Drei Partys sind bereits ausgefallen, die nächste sollte im Juli stattfinden … Das wird wohl auch nix. Ich merk' das finanziell schon auch, aber bin nicht wirklich darauf angewiesen. Für die Clubs ist das der absolute Horror! Auch für Booker und eigentlich alle, die im Bereich Unterhaltung arbeiten. Live wird es dieses Jahr extrem schwer. Unsere Oktobertour wurde bereits auf nächstes Jahr Oktober verlegt. Planung ist da zur Zeit echt hart. Zwar haben in Köln auch ein paar neue Clubs aufgemacht, aber die haben jetzt natürlich keine Chance, irgendwie Geld zu verdienen. Ich hoffe also, dass die nach Corona nicht schon wieder weg vom Fenster sind. Es gibt zwar echt viele Solidaritätsaktionen, aber du kannst ja auch nicht jeden Club unterstützen. Und wie sieht das mit den größeren Hallen aus, die eben NUR Veranstaltungen machen und in dem Sinne kein Clubpublikum haben, die das finanziell unterstützen wollen? Da kommt noch ganz schön was auf uns zu. Auch bei uns sieht es aktuell so aus, als müssten wir bald wieder auf private Reserven zurückgreifen, um den Proberaum, Instrumente, Merchandise entsprechend zu finanzieren. Dann decken die Einnahmen einfach nicht mehr die Ausgaben der Band. Das ist natürlich Klagen auf hohem Niveau, aber der Gedanke, sich endlich mal einen Bandbus zu leisten, rückt damit in weite Ferne.

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