25. Mai 2016

"Musik muss ehrlich sein"

Interview geführt von

Thrice sind zurück und veröffentlichen kaum ein Jahr nach der Rückkehr ihr erstes Album nach der Pause.

Gute vier Jahre haben sie sich um ihre Kinder, ihre Gemeinde und ihre Nebenprojekte gekümmert, bis sie wieder Lust hatten zusammen Musik zu machen. Gitarrist Teppei erzählt im Interview, was er mit seiner freien Zeit angefangen hat und wieso die Aufnahmen zum neuen Album so anders waren als früher.

Wer hat denn den ersten Schritt gemacht?

Teppei Teranishi: Also, die Geschichte geht ungefähr so: Dustin und ich waren zusammen auf einer Brand New Show. Wir sind ganz gut mit den Jungs befreundet und unterhielten uns mit ihnen über ihre Tour. Die waren da gerade auf einer zwei Wochen-Tournee im Osten unterwegs. Tatsächlich waren ja die vielen Konzerte der Grund, warum wir damals die Pause eingelegt haben. Dustin hatte schon drei Kinder, bei mir waren es zwei. Das ist schwer vereinbar, wenn du so viele Wochen am Stück unterwegs bist. Das Gespräch mit den Jungs von Brand New war auf jeden Fall der Grund, dass in uns wieder die Idee aufkam, wieder zu starten. Aber diesmal mit anderen Voraussetzungen, die auch für uns passen würden. Dustin hat also die anderen beiden Jungs, Ed und Riley, angerufen oder geschrieben und gesagt: Hey, ich vermiss euch, habt ihr nicht wieder Lust, zusammen Musik zu machen. Ich denke, so hat das alles wieder begonnen.

Ihr habt euch also in den drei, vier Jahre gesehen?

Ja, auf jeden Fall. Ich hab allerdings für fünf Jahre in der Nähe von Washington gelebt. Dustin hat auch im Norden gelebt und wir haben uns da ab und zu getroffen. Ich hab in einer kleinen Stadt auf einer kleinen Insel gelebt – da kommt man nur mit einer Fähre hin.

Was hast du denn dort mit deiner ganzen Zeit angefangen? Gefischt?

(Lacht) Tatsächlich, ja. Ich hab wirklich gefischt. Aber ich hatte schon vor der Pause so ein Nebenprojekt. Da hab ich viel mit Leder gearbeitet. Während der Pause hab ich das zu meiner Hauptbeschäftigung gemacht. Aber jetzt, wo dieses Musikding wieder losgeht, wird das wohl eher wieder zu meiner Nebenbeschäftigung.

Du würdest also sagen, es war eine gute Entscheidung, die Pause zu nehmen?

Ja, definitiv. Also vor allem für mich persönlich. Ich hatte wie gesagt damals zwei Kinder und habe jetzt drei. Für mich persönlich war die Pause also wundervoll. Mal einen vorhersehbaren Tagesablauf zu haben und nicht weit weg zu sein, mit meiner Familie im Hinterkopf, das war wirklich schön und erholsam. Und auch die Sache mit dem Lederhandwerk. Das war eine völlig neue Erfahrung für mich – ein Geschäft zu eröffnen und so. Ich hab mein ganzes Leben Musik gemacht, und die Pause hat mir die Chance gegeben, mal etwas anders zu machen. Ich denke, ich hab das Beste draus gemacht.

Aber nicht jeder aus der Band hat den Eindruck gemacht, dass die Pause eine besonders gute Idee sei. Vor allem Ed schien ziemlich fertig. Habt ihr Zeit gebraucht um wieder miteinander klar zu kommen?

Mh, nein eigentlich nicht. Klar, es ist schon ein Unterschied, weil wir alle jetzt an unterschiedlichen Punkten im Leben stehen, aber trotz allem sind wir immer noch gute Freunde geblieben.

Denkst du, dass die Pause etwas daran geändert hat, wie du als Musiker arbeitest oder wie ihr als Band funktioniert?

(Überlegt lange) Ähm, ich glaube eigentlich nicht. Allerdings habe ich die Pause über nicht so viel Musik gemacht und meine kreative Energie lieber in andere Dinge gesteckt. Als es dann aber wieder losging mit Songs schreiben, musste ich erst mein Vertrauen in mich als Gitarrist wiederfinden. Das hat etwas gedauert.

Und als Band, habt ihr da jetzt etwas mitgenommen aus der Pause? Wollt ihr weniger Touren oder alle sieben Jahre ein Sabbatjahr einlegen oder so?

Naja, wir werden sicherlich nicht in den alten Lauf der Dinge wieder einsteigen. Bei uns allen haben sich in der Zwischenzeit die Lebensumstände verändert. Also haben wir einen Pakt geschlossen, dass wir nicht länger als drei Wochen am Stück auf Tour gehen wollen. Das macht die Dinge zwar etwas komplizierter, aber wir sind glücklich, dass es funktioniert und wir wieder Musik zusammen machen können.

"Man kann nicht für alle spielen."

Dann lass uns mal über das neue Album reden. Ihr habt vorab zwei Songs veröffentlicht. Wenn man sich zu denen mal die Kommentare auf Facebook durchliest, merkt man schon, dass ihr mal wieder eure Fan-Gemeinde spaltet. Liest du die Kommentare?

Nein, gar nicht.

Gut, aber du wirst das ja trotzdem kennen, dass ihr mit neuen Songs schon immer bei alten Fans angeeckt habt. Beeinflusst das den Schreibprozess?

Nein, überhaupt nicht. Man kann nicht für alle spielen. Alle haben ihren eigenen Geschmack. Das ist ja eigentlich auch das coole an Musik oder allgemeiner den Künsten. Man kann es also nicht allen Recht machen. Diese Perspektive würde für mich auch gar nicht funktionieren. Für mich ist Musikmachen sehr persönlich. Mir ist wichtig, dass es ehrlich ist. Wenn ich mir darüber Gedanken machen würde, wem was gefällt, dann könnte ich nicht ehrlich sein.

Wie lief eigentlich der Schreibprozess dieses Mal ab? Ihr habt ja nicht alle an einem Fleck gelebt.

Wir haben vor allem Dateien rumgeschickt. Jeder hat ja in der Pause so seine Ideen gehabt und gesammelt. Als es dann wieder losging, haben wir diese Ideen geteilt, Feedback gegeben und weitergedacht. Ab und zu sind wir zusammengekommen und haben gemeinsam geschrieben und gejammt. Und das ging so eine Weile. Es war durchaus anders als früher und auch schwieriger. Aber ich finde, alles was dich herausfordert und dich aus deiner Komfort-Zone zieht, kann sich positiv auf das Ergebnis auswirken.

Vermutlich war dann auch die Zeit im Studio für euch anders als früher, oder?

Ja, auf jeden Fall. Die letzten beiden Alben haben wir im Studio live aufgenommen, wir waren vorher also sehr gut eingespielt. Dieses Mal haben sich die Songs im Studio entwickelt. Wir haben sie weiter geschrieben und deshalb auch die Instrumente einzeln aufgenommen, was wir seit dem "Alchemy Index" nicht mehr gemacht haben. Das fand ich schon cool. Als wir ins Studio kamen, waren die Songs vielleicht zu 75 Prozent fertig.

Habt ihr nach der Pause eigentlich Druck gespürt? Von den Fans oder von euch selber?

Nein, eigentlich nicht. Thrice waren schon immer nur wir vier. Wir schreiben zusammen die Musik und was dabei rauskommt, kommt eben dabei raus. Das ist eigentlich nicht wirklich kompliziert. Deswegen war ich auch nicht besorgt oder so. Egal was wir zusammen schreiben würden, es wäre ein Ergebnis unserer Zusammenarbeit.

Ihr habt das erste Mal seit "Vheissu" wieder mit einem Produzenten zusammengearbeitet, mit Eric Palmquist. Riley hat in den Videos aus dem Studio etwas Interessantes über ihn gesagt. Er soll zu euch gesagt haben: "Erinnert euch an die Sachen, die euch zu euch machen und die die Leute gerne hören." Das Album klingt für mich tatsächlich so, als ob ihr es den Fans leichter machen wolltet, wieder einzusteigen. War das eine der Ideen für das Album?

(Überlegt lange) Nein, ich denke nicht. Für mich ist Musik nicht vorsätzlich. So schreibe ich Musik nicht.

Das Album klingt sehr rockig. Ihr habt nicht mehr so viele Postcore-Elemente wie bei den Alben vorher. In den Videos, die ihr aus dem Studio gepostet habt, hört man immer wieder Dustin sagen: "Das muss groß klingen." War das eure musikalische Idee für das Album? Ein großes Rock-Album zu schreiben?

Ich denke, ja. Ich denke, das ist einfach etwas, was sich im Schreibprozess entwickelt. Du schreibst den Song und hast eine Ahnung davon, wie er klingen sollte.

Ein Song, der im Kontext des Albums eher heraus sticht ist der letzte, "Salt and Shadow". Dieser klingt ja schon eher nach der "Water"-EP vom "Alchemy Index" – also sehr elektronisch. Habt ihr an diese EP beim Schreiben gedacht?

Ja, ich denke schon. Das war cool, weil wir lange nicht mehr so viel mit elektronischem Zeug herumexperimentiert haben. Das war sehr spaßig. Wie gesagt, es geht immer darum den Weg zu finden, der am besten zum Song passt.

Der andere Song, der heraus sticht, weil er eigentlich ziemlich punkrockig ist, ist "Blood On The Streets", der könnte auch von Rise Against sein. Habt ihr ihn deshalb als erste Veröffentlichung ausgesucht?

Stimmt, viele Leute haben schon die Rise Against-Assoziation gehabt. Ich persönlich habe das nicht so wahrgenommen. Ich denke, es ist einfach ein energiegeladener, treibender und catchy Song.

"Wir hören die Texte nicht, bis Dustin sie einsingt."

Redet ihr in der Band über Dustins Texte?

Nicht wirklich viel. Es ist meistens so, dass er bis zur letzten Minute braucht, die Texte zu schreiben. Wir hören oder lesen die Texte also nicht, bis zu dem Moment wo er sie einsingt.

Aber es ist ja schon offensichtlich, dass Dustin bei diesem Album wesentlich politischer schreibt als bei den letzten Alben. Songs wie "Blood On The Streets", "Whistleblower" oder "Death From Above" müssen jetzt nicht mehr groß interpretiert werden. Warum ist Dustin auf einmal wieder so deutlich mit seiner Botschaft?

Ich denke, das hat damit zu tun, worüber wir uns mit Eric Palmquist im Studio unterhalten haben. Ich erinnere mich, dass er meinte, Rocksongs würden sich nicht mehr mit dem Hier und Jetzt beschäftigen. Er meinte, dass Hip Hop viel eher die Probleme direkt anspricht. Ich glaube er hat so was gesagt, wie "Rock'n'Roll hat seinen Intellekt verloren". Das hat, glaub ich, Dustin dazu gebracht, das Album anders zu sehen. Es half ihm direkter und deutlicher zu schreiben.

Glaubst du denn, dass es wichtig ist, dass eine Band die Hörer für politische Themen sensibilisiert?

Es ist nicht nötig, den Leuten unsere Meinung aufzudrücken, aber sie zum Nachdenken zu bringen, ist eine gute Sache.

Letzte Frage: Wie kann ich dich dazu bringen, mehr Shows in Deutschland zu spielen.

(Lacht) Ich weiß nicht Mann. Ich mag Deutschland und ich mag es, nach Europa zu kommen. Das hab ich am meisten vermisst, das Reisen. Wir nehmen das auch nicht für selbstverständlich, dass wir nach Europa kommen können. Ich würde auch gerne mehr dort sein. Aber es ist sehr schwer für uns. Wir sind nicht sehr bekannt in Europa. Und es kostet tatsächlich ziemlich viel Geld. Der Flug, das Equipment, Hotel, Benzin und so weiter. Es ist ein weiter Weg, bis wir die Kosten wieder drin haben, ganz zu schweigen davon, dass es sich lohnt drei Wochen weg zu sein. Tja... Also vielleicht musst du einfach mehr Leuten von uns erzählen.

Ich geb mein Bestes. Vielen Dank für deine Zeit und das Interview.

Ich danke dir, Mann.

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