laut.de-Kritik

Hochprofessionelle Minderwertigkeit ohne Rücksicht auf Verluste.

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Mit "Bullet in the Head", nehmen Toktok den Dancefloor fest in's Visier. Und um die Tanzfläche in zwei Lager zu spalten, ist dieses vierte Album der Exil-Kasseler wie geschaffen.

Das zeigen schon die ersten beiden Tracks. Der Opener rollt auf einer sägenden Bassline vorwärts und treibt einen immer wieder zu dieser Melodie hin, die aus gnadenlos billigen Synthie-Klängen unwiderstehlich viel Schwung herausholt. Genau das ist Toktok, wie sie leiben und leben: Hochprofessionelle Minderwertigkeit ohne Rücksicht auf Verluste.

Ohne Verluste geht es dann leider auch nicht ab, denn schon das zweite Stück gibt kund, dass das Konzept des Spannungsbogens zuvor nur halb zufällig mitspielen durfte und sich für den Rest des Albums weitestgehend verkriecht. Gleichförmig pluckert und dudelt "Bubble In The Head" vor sich hin und gewinnt auch nicht dadurch, dass Nerk und Feyerabendt hin und wieder unmotiviert an den Effektknöpfen schrauben.

Im Laufe des Albums kommt es immer wieder mal zu solchen beträchtlichen Längen, wo sich zwei Minuten lang die Kickdrum und ein blecherner Hi-Hat gute Nacht sagen und vielleicht noch alle paar Takte der selbe dürre Ton aus den Oszillatoren plärrt. Rhythmus durch Percussions oder Breaks? Eine Bassline? Melodien? Fehlanzeige auf so mancher Durststrecke! Fast ein Jahrzehnt nach der Kooperation mit Soffy O. ist das musikalische Seelenvakuum oft nur notdürftig ausgefüllt.

Zugegeben: Es ist schon ein gewisser Punk-Spirit dabei, die liebgewonnenen Hörgewohnheiten des Clubgängers genau so wenig für voll zu nehmen, wie die des Normalverbrauchers. Vom Wu-Tang Clan bis hin zu Kubrick-Filmen samplen Toktok hemmunglos alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Und auch wenn die Retrohaltung stets die Oberhand behält, wird sie doch nie so starr, dass nicht ein paar zeitgemäße Flächen und Effekte ihren Platz fänden. Den Rahmen des mehr oder weniger Technoiden sprengen Toktok dabei zwar nicht. Aber alle Genres, die sich da irgendwie hineinzwängen lassen, panschen sie unbekümmert zusammen.

Das geht bis zu "Jack MD" und "Polka Dot Jersey", wo folkloristische Klänge mit Ausdauer verwurstet werden und wo kein Hörer geschont und kein Auge trocken bleibt. Hörgenüsse sind überbewertet! Was zählt ist nur, dass die Leute auf dem Dancefloor ausser Rand und Band geraten. Und das werden sie. Ich prophezeie, dass sie Purzelbäume schlagen und im Handstand gehen werden.

Aber "Bullet In The Head", der Name des Albums, ist da wirklich Programm: Der eine oder andere, der sein Gehirn noch nicht zur Genüge demoliert hat, wird sich wohl fragen, was Toktok ihm da eigentlich gerade als Melodie verkaufen wollen. Vielleicht die c-Dur-Tonleiter?

Wer nunmal auf ein paar musikalische Elemente nicht ganz verzichten möchte, der wird am Ende doch bei dem einen oder anderen Stück mit dem Tanzen innehalten, unschlüssig auf dem Dancefloor stehen, und sich nachdenklich am Kopf kratzen.

Trackliste

  1. 1. Bullet In The Head
  2. 2. Bubble In The Head
  3. 3. Umda
  4. 4. Tripping Unit
  5. 5. Cotton
  6. 6. 12:34 PM
  7. 7. Jack MD
  8. 8. Intermezzo
  9. 9. Earthquake
  10. 10. Hazil Tonk
  11. 11. Freak
  12. 12. Access Point
  13. 13. Control Edge
  14. 14. Turnpike
  15. 15. Polka Dot Jersey
  16. 16. Jaycube
  17. 17. Dr. Strangelove
  18. 18. Assembly Tool

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