laut.de-Kritik

Ein wahnsinniges Biest, genau wie sein Schöpfer.

Review von

Es rumpelt, es galoppiert leise, aus der Ferne ruft Yeah Yeah Yeahs-Frontsau Karen O. Dann bricht das klirrende Ungewitter los und will sich vorerst gar nicht beruhigen. Und das Led Zeppelin-Cover "Immigrant Song" ist bloß der Auftakt zu einer dreistündigen akustischen Düsternis.

39 Tracks, eine Spielzeit von 173 Minuten bei einer Filmlänge von immernoch stolzen 158 Minuten. Trent Reznor und sein Kollege Atticus Ross wollen es wissen. "The Girl With The Dragon Tattoo" ist mehr als die Untermalung eines Hollywoodfilms. "The Girl With The Dragon Tattoo" ist ein Biest, genau wie sein Schöpfer. Was Reznor von der Leine lässt, frönt wie eh und je den harten mechanischen Sounds, verzerrten industriellen Klängen und seinem düsteren Gewaber.

Doch ebenso wie ein Biest, ist das Opus nicht unbedingt ein angenehmes Gegenüber. Es bedient von Uhrticken ("The Seconds Drag") und fies flimmerndem Surren ("Cut Into Pieces") bis hin zu melancholischen Melodien ("Under The Midnight Sun") und beinahe optimistischen Pianoklängen ("Millenia") eine große Palette an Mitteln, dem Hörer eine Atmosphäre so dunkel wie die skandinavischen Winter nahe zu bringen. Oft transportieren seine Songs Hektik und drückende Enge, getrieben wie die Salander von ihrem peinigenden Vormund ("An Itch"). Keine Frage - wer, wenn nicht Trent hätte ihre düstere Schönheit vertonen können?

Das ist ihm durchaus gelungen. Die Stücke erzählen ohne Worte von Wut, Trauer, Spannung und Verzweiflung, das alles in seinen typischen dunklen Mantel gehüllt. Einen dreistündigen Spannungsbogen zu halten, ist jedoch auch für Reznor nicht drin. Das einzige, woran "The Girl With The Dragon Tattoo" kränkelt, ist die mangelnde Abwechslung innerhalb der Songs. Es wird nun einmal schwierig, wenn man etwas in den Vordergrund kehrt, was für den Hintergrund gedacht ist. So verliert man sich auf halber Strecke leicht in der Düsternis und möchte lieber ins Licht treten, als sich weiter vorwärts zu kämpfen. Gerade aber die kraftvollen Songs zum finalen Showdown ("Oraculum") belohnen den, der durchhält.

"Wir haben gelacht, wir haben geweint, wir haben den Verstand verloren und haben währenddessen die verstörendste und schönste Musik unserer Laufbahn gemacht", bemerkt Reznor über die 14-monatige Studiozeit mit Atticus Ross. Klingt nach dem Rande des Wahnsinns. Ungefähr da bewegt sich auch das Resultat.

Trackliste

  1. 1. Immigrant Song (feat. Karen O)
  2. 2. She Reminds Me Of You
  3. 3. People Lie All The Time
  4. 4. Pinned And Mounted
  5. 5. Perihelion
  6. 6. What If We Could?
  7. 7. With The Flies
  8. 8. Hidden In Snow
  9. 9. A Thousand Details
  10. 10. One Particular Moment
  11. 11. I Can't Take It Anymore
  12. 12. How Brittle The Bones
  13. 13. Please Take Your Hand Away
  14. 14. Cut Into Pieces
  15. 15. The Splinter
  16. 16. An Itch
  17. 17. Hypomania
  18. 18. Under The Midnight Sun
  19. 19. Aphelion
  20. 20. You're Here
  21. 21. The Same As Others
  22. 22. A Pause For Reflection
  23. 23. While Waiting
  24. 24. The Seconds Drag
  25. 25. Later Into The Night
  26. 26. Parallel Timeline With Alternate Outcome
  27. 27. Another Way Of Caring
  28. 28. A Viable Construct
  29. 29. Revealed In The Thaw
  30. 30. Millenia
  31. 31. We Could Wait Forever
  32. 32. Oraculum
  33. 33. Great Bird Of Prey
  34. 34. The Heretics
  35. 35. A Pair Of Doves
  36. 36. Infiltrator
  37. 37. The Sound Of Forgetting
  38. 38. Of Secrets
  39. 39. Is Your Love Strong Enough

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8 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Der Soundtrack ist Hammer.
    Allerdings ist im Review (fast) nur die Rede von Trent. Ich finde Atticus sollte (allgemein in den Medien) mehr erwähnt werden.

  • Vor 12 Jahren

    Mit dem Ding bin ich erst ma durch. Das auf den Ohren in jeder Arbeitspause, bei jedem Gang aus dem Haus und dann noch bei dem Wetter... Nee, da geh ich in spätestens einer Woche nur noch mit Knüppel vor die Tür.
    Nicht falsch verstehen, das hat schon alles Hand und Fuß auf der Platte - erwischt mich aber in der völlig falschen Stimmung. Und über die amerikanische Neuverfilmung kann ich, trotz Fincher und Staraufgebot, nur den Kopf schütteln. Dann lieber noch mal im stillen Kämmerlein die Millenium-Trilogie lesen - und dann auch gerne mit dieser Platte über Kopfhörer.

  • Vor 12 Jahren

    Als ich den FIlm am Freitag gesehen habe war ich teilweise richtig erstaunt wie gut Trents Störgeräusche in den Film und soger in Dolby Digital von links nach rechts umgesetzt wurden. Einfach hammer!
    Bringt endlich die Meilensteinrezi von Downward Spiral! Bitte.