laut.de-Kritik
Der singende Kuschelweichbär der Lighthouse Family.
Review von Sven KabelitzIm Leben trifft man auf viele Herausforderungen. Einer der wohl schwersten Momente könnte das erste Aufeinandertreffen mit den Eltern der neuen Freundin sein. Wie ziehe ich mich an? Was erzähle ich über mich? Auf die Frage, was für Musik man hört, gabs Mitte der Neunziger eine Antwort, mit der man sich auf nicht vermintes Gelände begab: der Pop-Soul aus dem Hause Lighthouse Family.
Leider hatte dies den üblen Nebeneffekt, dass noch während des Gesprächs die Freundin weg war und mit dem wilden Grunger von nebenan und dessen Mofa in den Sonnenuntergang röhrte.
Die Neunziger lagen kaum hinter einem, schon ging die Lighthouse Family getrennte Wege. Sänger Tunde Baiyewu brachte 2004 mit übersichtlichen Erfolg sein Solodebüt "Tunde" heraus. Seit November 2010 befindet sich das Familien-Duo wieder auf Touren. Dies hält Baiyewu nicht davon ab, mit "Diamond In A Rock" weiterhin auf Solopfaden zu wandern.
Nach wie vor verfügt Tunde, der singende Kuschelweichbär, über eine plüschig weiche Stimme. Seine Musik sieht er von Bill Withers, afrikanischen sowie westlichen Rhythmen geprägt. Leider schafft es Tunde auf "Diamond In A Rock" nur in seltenen Momenten, die Lektion seiner Lehrmeister und sein warmes Organ in spannende oder berührende Songs umzusetzen.
Dem zweiten Longplayer des in London geborenen Sängers fehlt es schlichtweg an packendem Songwriting. "Blissfull In No Time", "Fear An Fortune" und der Titelsong dudeln am Ohr vorbei, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Über die 36 Minuten Spielzeit breitet sich gleichförmige Langeweile aus. Warum ausgerechnet der vertonte Baldrian - stark für die Nacht - mit dem Titel "Awake" auffährt, bleibt ein Rätsel.
Entfernt sich Baiyewu in "Turn The Music On" mit einem Wurlitzer Fun Maker von den ansonsten schablonenhaften Arrangements verdeutlicht dies letztendlich nur die Schwächen im Songaufbau. Er schafft es nicht, der verspielten Atmosphäre des Tracks eine ebenbürtige Melodie entgegen zu setzen.
Zwei Mal zeigt der Frontmann der Lichthaus Familie deutlich, dass durchaus mehr möglich gewesen wäre. Die Vorabsingle "Move" bringt ans Licht, wie viel ein einladender Refrain, druckvolle Bläser und Dynamik ausmachen können.
Ausgerechnet in dem Moment, in dem Baiyewu das Songwriting Daniel Scott Kamas überlässt, findet "Diamond In A Rock" mit "Effigy" einen unerwarteten Höhepunkt. Mit seinem stolpernden Schlagzeug, seiner driftenden Akustik-Gitarre und den begierigen Streichern erinnert das Stück tatsächlich an Bill Withers. Baiyewu geht in dem wie für ihn geschaffenen Song auf und verlässt erstmals die emotionale Sicherheitszone. Ein ganzes Album mit Liedern in dieser Qualität und ich wäre sein größter Fan.
"The truth's not a comfortable shoe / But I can't live without" singt Tunde Baiyewu in "Words In My Mouth". Da es dem Sänger nach der Wahrheit dürstet, wollen wir ihm diese nicht vorenthalten. Zwei gelungene Songs reichen nicht aus, um ein ansonsten ausdrucksloses und langatmiges Album zu stützen. So treibt Tunde Bauiyweu höchstens eine weitere Generation unvernünftiger Mädchen in die Arme ungebändigter Pickel-Rocker.
2 Kommentare
unterschätzt.
Man schaue mal die Qualität von dieser Session:
https://www.youtube.com/watch?v=kO8AsWs11Ic
das hätte mal mindestens 3 Sterne verdient.
@keine_Ahnung (« unterschätzt.
Man schaue mal die Qualität von dieser Session:
https://www.youtube.com/watch?v=kO8AsWs11Ic
das hätte mal mindestens 3 Sterne verdient. »):
So wurde es ja auch vom Rezensionist bewertet.
Die Songs "Move" und "Effigy" sind starkt, der Rest leider schwach.