laut.de-Kritik

Die Zukunft? Kann erst mal warten!

Review von

Die Jugend ist nicht die Zeit, um unnötigen Ballast mit sich durch die Gegend zu tragen. "Choose life. Choose a job. Choose a starter home. Choose dental insurance, leisure wear and matching luggage. Choose your future", so hört sich das Geschwätz von eifrigen Vertretern an, die einem gleich ein Dutzend Versicherungen für ein besseres Leben verkaufen wollen. "But why would anyone want to do a thing like that?" Ja, warum eigentlich? Wir leben im Jetzt! Und im Jetzt des Jahres 1996 feiert man zu "Born Slippy" ganze Nächte auf der Tanzfläche durch. Die Zukunft? Kann erst mal warten!

Die aktuelle Underworld Retrospektive "1992 - 2002" lässt das Feeling der Zeit noch mal aufleben, als "die beschissenste Toilette Schottlands" der Flair einer modernen Ikone umwehte, Mitsubishis in der Gunst der Clubgänger jeden noch so guten Mercedes mühelos abhängten, und von Grauschleiern umrandete Augen nach dem Partymarathon am Wochenende zum guten Umgangston gehörten. Sie spürt jenen seltenen Materialisationen des Zeitgeist nach, von denen die greisen Technoopas und Omis in 30 Jahren einmal ihren Enkelkindern erzählen können, wenn sie dank Mitsubishi-Power nicht längst in der schönen neuen Alzheimer-Welt angekommen sind.

Derlei Zweifel gehören aber mit Sicherheit nicht ins Jahr 1993. Techno hieß das neue Ding, alles war underground und alles war spannend. In jenem Jahr kam das Underworld-Album mit dem unaussprechlichen Namen raus. "Dubnobasswithmyheadman" betitelten Karl Hyde, Rick Smith und Darren Emerson ironischerweise ihren ersten gemeinsamen Longplayer. Den Kopf mit einem Bass zu synchronisieren war auch gar nicht mehr nötig, nachdem Karl Hyde einem zu den sanft pushenden Grooves von "Cowgirl" unzählige Male "An Eraser Of Love" ins Ohr geflüstert hatte und das Kleinhirn noch Stunden später über den Gehalt jener Worte meditierte.

Drei Jahre später tanzten ganze Stadien im Takt der Underworld-Beats. Was war passiert? Der unbekannte Regisseur Danny Boyle wählte den Song "Born Slippy" zum Titeltrack seines Films "Trainspotting". Die Generation X-TC erkannte sich im kompromisslos dreinstampfenden Rhythmus wieder. Underworld wurden wie Kurt Cobain zu unfreiwilligen Göttern verklärt. Und das ausgerechnet mit einem Song, der auch noch heute, beim Hören der 16 psychedelischen Karrierehighlights, merklich quer liegt; im Vergleich zu den übrigen Stücken gar wie die provozierende Persiflage auf einen Technotrack wirkt.

Das bringt uns zurück zum eingangs zitierten "Trainspotting"-Filmzitat, das am liebsten als bitter-böser Seitenhieb auf alle Lebensentwürfe gelesen werden möchte, deren Dreh- und Angelpunkt die monatliche Zinsrate des Bausparvertrages ist. Doch seien wir mal ehrlich: Was ist schon so schlecht an einem Job mit Krankenversicherung, an einer Familie, an der Zukunft überhaupt? Wer erzählt einmal die Geschichte von Techno, wenn nicht wir, die wir in (Party-)Ehren ergraut mit dem Enkelkind und der Underworld Best Of vorm CD-Spieler hocken?

Trackliste

  1. 1. Big Mouth
  2. 2. Dirty
  3. 3. Mmm Skyscraper I Love You
  4. 4. Rez
  5. 5. Spikee
  6. 6. Dirty Epic
  7. 7. Dark And Long Dark Train
  1. 1. Cowgirl
  2. 2. Born Slippy Nuxx
  3. 3. Pearls Girl
  4. 4. Jumbo
  5. 5. Push Upstairs
  6. 6. Moaner
  7. 7. Shudder/King Of Snake
  8. 8. 8 Ball
  9. 9. Two Months Off

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