laut.de-Kritik

Anneke van Giersbergen schmiedet sich ein Metal-Korsett.

Review von

Anneke van Giersbergen klaubt sich die Elite der niederländischen Musikszene zusammen und besinnt sich auf ihre Metalwurzeln? Dazu Mark Holcomb (Periphery), Esa Holopainen (Amorphis) und Daniel Cardoso (Anathema) als Co-Komponisten? Klingt vielversprechend. Zumindest was die Einzelperformances angeht, halten VUUR dieses Versprechen auch. Das Gesamtergebnis lässt aber leider zu wünschen übrig.

Egal wohin auf der Weltkugel einen die Songs transportieren (jeder Track ist nach einer Weltstadt benannt), fast überall schwebt dieselbe dunkle Wolke aus Setzkasten-Riffs am Himmel – mal mehr wie Metalcore/Djent-Elefanten geformt, mal mehr wie eine Townsendsche Wall Of Sound, aber immer brav experimentenlos. Abwechslungsbringende Lichtstrahlen haben kaum Chancen, durchzudringen.

Anneke gründete VUUR, um ein eigenes Outlet für ihre metallische Seite zu haben. Darauf konzentriert sie sich ein wenig zu verbissen. Elemente, die nicht unter die Kategorie Hard'n'Heavy fallen lassen sie und ihr Produzent Joost van den Broek (u.a. Keyboard auf diversen Ayreon-Alben) kaum zu. Und wenn doch, beschränken sich die sanften Passagen in der Regel auf wenige Sekunden. Einzig "Freedom – Rio" stellt eine Ausnahme dar und mausert sich damit prompt zum besten Song der Platte. Danke, Mark Holcomb, dass du Anneke dieses Arpeggio geschickt hast.

Das Zauberwort lautet 'Dynamik'. "Freedom – Rio" startet ruhig, von dort aus baut die Band den Song nach und nach auf und bleibt auch im weiteren Verlauf in Bewegung, statt wie bei den meisten anderen Tracks eine einzige konturlose Riffwurst zu legen. Drummer Ed Warby pausiert zwischendurch sogar komplett, um Anneke und einem schwer nach Periphery klingenden Clean-Intermezzo Raum den wohlverdienten Raum zu geben. Mehr Stücke diesen Kalibers und "In This Moment We Are Free – Cities" wäre ein Wahnsinnsalbum geworden.

Die Anlagen sind ja zweifellos vorhanden. Anneke singt (wie immer) engelsgleich. Gerade in "The Fire – San Francisco" und "Your Glorious Light Will Shine – Helsinki" liefert sie interessante Vocallines. Dazu finden sich einige wirklich gelungene Gitarrensoli ("My Champion – Berlin", "Your Glorious Light Will Shine – Helsinki"), in und Ayreon-Stammtrommler Warby holt das Beste aus den Riffs heraus. Nur fehlt eben der Kontext, um auch nur irgendwas davon im Gedächtnis zu behalten. Viel zu lange halten sich VUUR in belanglosen Gefilden auf und egalisieren damit die solistischen Leistungen. "Days Gone By – London" zum Beispiel erstreckt sich über sechseinhalb Minuten, hat abgesehen von Staccatos aber nicht viel zu bieten. Okay, ausnahmsweise ziehen VUUR das Tempo etwas an ... Ein weiterer unschöner Nebeneffekt der kaum zu unterscheidenden Riffs: Anneke greift am Mikro auf die immer gleich langgezogenen Meldebögen zurück.

Die gute Nachricht: Ja, man kann sich "In This Moment We Are Free – Cities" schönhören. Irgendwann entwickelt man ein Ohr dafür, welche Details die Riffwände aufbrechen. Ein bisschen ist es aber auch verzweifeltes Suchen, um die Platte irgendwie noch aufzuwerten, weil es so weh tut, sie abzukanzeln. Die zweite gute Nachricht: VUUR halten sich mit ihrer schwammigen Performance stilistisch im Grunde für die Zukunft alle (Prog-)Türen offen. Es muss eben definitiv nicht alles Heavy sein. Die indirekt vorgegebene gegenteilige Devise stand der Band beim Debütalbum wohl am meisten im Weg.

Trackliste

  1. 1. My Champion – Berlin
  2. 2. Time – Rotterdam
  3. 3. The Martyr And The Saint – Beirut
  4. 4. The Fire – San Francisco
  5. 5. Freedom – Rio
  6. 6. Days Go By – London
  7. 7. Sail Away – Santiago
  8. 8. Valley Of Diamonds – Mexico City
  9. 9. Your Glorious Light Will Shine – Helsinki
  10. 10. Save Me – Istanbul
  11. 11. Reunite! – Paris

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1 Kommentar mit 2 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Würde gerne "5/5 weil Anneke van Giersbergen" schreiben, aber "In This Moment We Are Free – Cities" macht mir das leider unmöglich. Die gute Nachricht ist glatt gelogen, an diesem Album gibt's nichts schönzuhören. Welche "Riffwände" (übliches pseudo-lyrisches Rezensentengeblubber)? Welche Details? Vuur ist totproduzierter moderner Metal, bei dem Gesang und Instrumentals überhaupt nicht zusammenpassen.

    • Vor 7 Jahren

      Also ich habe die Platte jetzt durchaus ein paar Mal gehört und man findet durchaus einiges an gutem Material. Vuur ist halt nicht Ayreon mit pseudoepischem Instrumentengewichte und zig Stilwechseln. Nicht, dass ich damit jetzt Ayreon schlecht reden möchte. Das Projekt ist ebenfalls großartig. Vuur ist dagegen wenig experimentell und leider auch nicht wirklich abwechslungsreich. Trotz der allzeit grandiosen Anneke und den wirklich tollen Musikern, fehlt es den Songs an Form und Abwechslung. Das ganze Material ist sehr gleichförmig und schleppend. Dennoch habe ich jetzt nach einigen Durchläufen 3-4 Ohrwürmer gefunden. Ich denke die Platte braucht Zeit. Im Moment würde ich persönlich 3/5 vergeben, aber nachdem ich die Band bald live sehen werde, warte ich noch ab. Vielleicht kommt die Platte live besser rüber. An alte "The Gathering" Meisterwerke kommt hier nichts Ran. Aber das hätte ich auch nie erwartet ;)

    • Vor 7 Jahren

      Na wenn Annke vor Dir steht, wirst Du sowieso 5/5 geben.
      Habe gerade "nebenbei" Days go by gehört - und war positiv überrascht, bei allem was ich hier gelesen habe.
      Diese Cities-Thema finde ich allerdings ziemlich Banane.
      Mal schauen, was der Rest so bringt.