laut.de-Kritik
Gelungenes Lynch-Comeback.
Review von Martin MengeleNeben Quentin Tarantino ist David Lynch wahrscheinlich der bedeutendste Regisseur, der erkannt hat, welche tragende Hauptrolle die Popmusik im Film spielen kann. Beim Zusammenstellen seiner Soundtracks hatte er schon immer ein Händchen.
Dabei griff Lynch stets auf Klassiker der amerikanischen Popmusik zurück, die z.B. im Falle von "Blue Velvet" eine regelrechte Retrowelle lostraten und fast vergessenen Künstlern wie Bobby Vinton oder Roy Orbison die Tantiemen-Kassen füllten. Gleichzeitig begab er sich aber immer auf die Suche nach neuen, experimentellen Künstlern. Man erinnere sich nur an Rammstein, die mit ihrem kurzem, aber mehr als einprägsamen Auftritt 1996 in "Lost Highway" ihre Karriere vor allem in den USA so richtig durchstarteten.
Lässt man diesen Neon-Effekt des von Lynch selbst gestalten Covers auf sich wirken, könnte man meinen, er würde nun den umgekehrten Weg nehmen und sich von denjenigen inspirieren lassen, die er einst beeinflusst hat. Koinzident zur Wahl der Chromatics mit ihrer minimalistischen Elektropop-Ballade "Shadows" liegt die Vermutung nahe, dass er sicherlich Winding Refns "Drive" gesehen haben muss. Und der verträumte Refrain dieses Stücks dürfte sich nahtlos in sein Konzept eingefügt haben, denn dies ist nicht einfach Musik zu irgendeiner Serie oder einem Film.
Es ist liebevoll kuratierte Musik direkt aus dem 'Road House' - der Bar, in der sich die Einwohner von Twin Peaks treffen. Der Rückzugsort der Heimgesuchten und verlorenen Seelen. An dieser von Ehrfurcht aufgeladenen Stätte ist die Grundstimmung von Schwermut und Melancholie geprägt. Denn es sind die Jugendlichen dieses magischen Dorfes in Washington State, die hier Wirrnis und Frust anderer Qualität bewältigen müssen, als die durchschnittlichen Jugendlichen sonstwo in dieser Welt. Und hier fanden zu fast jedem Abspann einer Folge auch tatsächlich Livekonzerte mit den vom Regisseur erwählten Künstlern statt.
Der klassische Ort, wie er überall in den USA existiert, wo man nur Einheimische antrifft und sein Bier bei schummrigem Licht und eben Livemusik trinkt. Hier geht es um Americana im weiteren Sinne. (Steel-)Gitarren treffen auf Songwriter und Herzschmerz auf ein verträumt schwofendes Publikum. Mit den Cactus Blossoms bringt Lynch so (wie immer) auch einen Schuss Country in seinen Streifen unter. Mit ihrer minimalistischen Nummer im Stile eines Hank Williams' unterstützen sie die surreale Grundstimmung, wenn die Steel-Guitar in die Wälder hinausheult wie seltsame Wölfe oder Dämonen.
Aber auch Klassiker wie "I Love How You Love Me" von The Paris Sisters, deren durchgeknallten Schlaflied-Charme schon Roky Erickson goutierte. Oder das verklärte "My Prayer" in der mit großer Geste ge-doo-wopten Version der The Platters. Ein Schmachtfetzen, der auf so manchem Rücksitz amerikanischer Muscle Cars oder bei diversen Heiratsanträgen die eine oder andere Hauptrolle gespielt haben dürfte. Musik, die die Romantik und gleichzeitig den Magischen Realismus der Serie ausmacht oder diese erst ermöglicht hat. Wie der nicht minder gelungene Score von Angelo Badalamenti liegt uns hier ein selten stimmungsgeladener Soundtrack mit eindeutiger Handschrift vor, die sich wie rote Neonlettern in tintenschwarze Regenpfützen schreibt.
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