laut.de-Kritik

Ein Eiswürfel-Steinschlag im gelobten Grime-Land.

Review von

"To be continued 'cause my work ain't over", versprach Wiley eben noch auf "100% Publishing". Dass eine solche Ankündigung - nach propagiertem Rückzug und unmittelbar folgendem Rückzug vom Rückzug - gar nichts bedeuten muss, dämmerte ihm wohl sogar selbst.

Ob dieses neue Album nun einen Versuch, die eigene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, darstellen soll oder schlicht eine Ausgeburt der Wiley'schen Arbeitswut, bleibt letztlich Jacke wie Hose. Allein schon sein Titel legt die Messlatte hoch.

"Evolve Or Be Extinct", diese Forderung muss zahlreiche Kollegen, so sie noch nicht vollends abgestumpft sind, wie eine schallende Watsche treffen. Wiley fordert Weiterentwicklung, Stillstand geht keinesfalls als Option durch.

Was nicht bedeutet, dass man nicht auf Bewährtes bauen darf: "Grime is the game and I can't give it up." Treues Festhalten an den eigenen musikalischen Wurzeln hindert Wiley mitnichten daran, einen furiosen Sturmangriff auf die Tanzflächen dieser Welt zu starten.

Mit "Welcome To Zion" hält er höflich die Tür zu einem Album auf, das - anfangs zumindest - tatsächlich wie das gelobte Grime-Land anmutet. Der Bass brodelt, bratzt und brummelt. Roh und ungeschliffen flankieren blecherne Sounds Wileys hakeligen Flow, ein bitterkalter Wasserfall aus Worten. Eigentlich eher ein Eiswürfel-Steinschlag.

Spätestens der Titeltrack versetzt akustisch in eine Montagehalle, in der sich spontane Cypherbildung vollzieht. "How many days will it take to hit another level?" "Nicht allzu viele", sehe ich mich versucht, zurückzuplärren.

"Linked Up" blubbert in einer Weise dickflüssig aus den Boxen, als habe sich der Ying Yang Twin'sche Beatbastler Mr. Collipark an den Reglern zu schaffen gemacht: Der Track passte prima in jedes beliebige Crunk-Set, dürfte aber auch eine Dancehall-Crowd ordentlich durchkneten ... ehe "Boom Blast" grußlos das Dach des Clubs rausbläst. Dass ich das noch erleben darf! Satte elf Jahre hats gedauert, aber hier haben wir ihn: den würdigen Nachfolger für Roots Manuvas Überhit "Witness The Fitness".

Schade, dass "Evolve Or Be Extinct" das exorbitant hohe Niveau nicht hält. Wie schon der Vorgänger, verplätschert sich auch dieses Album gegen Ende hin. Präsentieren sich die Bässe in "Skanking" noch fett wie die Stopflebern schlachtreifer Mastgänse und das reichlich spinnerte "Weirdo" kopfnickbar wie Hölle, verliert sich danach parallel zum Tempo auch die Strahlkraft.

Das offenbar recht beschwerliche Unterfangen, sich einen fahrbaren Untersatz samt Chauffeur zu organisieren, illustriert der zäh-behäbige Beat von "Can I Have A Taxi Please?" an sich ganz gut. In den rauchenden Kratern, die vorher gezündete Granaten auf der Tanzfläche hinterließen, wirkt die Nummer allerdings so blass und belanglos wie die autogetunte Dudelmelodie aus "Miss You".

"Customs" mag als Vorgeschichte zu "Immigration" eine Daseinsberechtigung besitzen, stört als überlanges Skit aber trotzdem den Fluss. Dass die vorab ausgegebene Promoversion das schauderhafte "Only Human" unterschlug, eine strunzlangweilige Popballade mit Klavier und Jodel-E-Gitarre, möchte ich mal als späte Einsicht werten, tröstet aber nicht wirklich über den Totalausfall hinweg.

Doch wozu sich aufregen? "This Is Just An Album", beruhigt Wiley die Nerven. Ein gutes noch dazu. Die neue Marschrichtung wurde ohnehin längst vorgegeben: Keine Atempause. Geschichte wird gemacht. Es geht voran - "on to the next one."

Trackliste

  1. 1. Welcome To Zion
  2. 2. Evolve Or Be Extinct
  3. 3. Link Up
  4. 4. Boom Blast
  5. 5. I'm Skanking
  6. 6. Weirdo
  7. 7. Scar
  8. 8. Can I Have A Taxi Please?
  9. 9. Miss You
  10. 10. Money Man
  11. 11. Customs
  12. 12. Immigration
  13. 13. Only Human feat. Kashtastic
  14. 14. This Is Just An Album

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