laut.de-Kritik

Bässe voller Wucht und atemlos hektische Hi-Hats.

Review von

Schluss mit lustig. Aus und vorbei. Ende. Basta. Wiley, in Personalunion Vater, Geburtshelfer und Amme des jungen Genre-Babys Grime, das etwa vier Jahre zuvor zornig brüllend das trübe Licht der Keller im Londoner East End erblickte, wirft das Handtuch und erklärt Anfang des Jahres 2007 seinen Rückzug aus dem Geschäft. "Playtime Is Over".

Bis in der Obhut von Ninja Tunes Kopfnickerabteilung Big Dada ein knappes halbes Jahr später sein angeblich letztes Album erscheint, hat Eski-Boy No. 1 diesen unerfreulichen Entschluss allerdings bereits wieder auf Eis gelegt. Ganz so leicht fällt es offenbar doch nicht, den mit vielerlei Namen bedachten Sprössling auf dem Spielplatz sich selbst, seinem Schicksal und der nimmermüden Konkurrenz zu überlassen.

Recht so! Wileys dritter Alleingang zumindest rechtfertigt die Frührente keineswegs, im Gegenteil. Schon der Opener "50/50" liefert gute Gründe, warum es das noch lange nicht gewesen sein kann, am laufenden Band. "Every day I make history", so die überhaupt nicht hochtrabende Selbsteinschätzung. "I'm a star and the sky can't miss me. You can't miss me." Tun wir ja auch nicht.

Es wäre schließlich bitter schade. Wir würden nicht nur einen MC verpassen, dessen kratzige Stimme seit den Tagen, als man noch auf dünnem Eis unterwegs war, nichts von ihrem galoppierenden Tempo verloren hat. Uns würde auch die volle Wucht knarzender, blechern scheppernder Bässe, atemlos hektische Hi-Hats, abgehackte Claps und eine Ladung verzerrte Geräusche entgehen.

Bässe ziehen sich kaugummiartig durch "Bow E3", doch keine Sorge: "I'm from the jungle, I won't get lost." Selbst auf den ersten Blick einfach scheinende Instrumentals ("Slippin'") geben bei eingehender Betrachtung ein blühendes Gewirr ineinander verschlungener Details frei.

"You know me, I'm Wiley from Roll Deep." In bester Hip Hop-Tradition feiert Wiley sich selbst, seine Hood und lobt seinen Beitrag zur musikalischen Geschichtsschreibung der Vereinigten Königreiche über den grünen Klee. "Who's got lyrics? Who's got bars? Who can step in the sky like stars?" Rhetorische Fragen, die keiner Antwort bedürfen. Wiley inszeniert sich, als Vertreter der Oldschool, dessen Fertigkeiten nachrückende Jahrgänge gediegen erblassen lassen. "I make music not 'cause I'm willing - 'cause I'm able."

Nichts, gar nichts wissen wir, weswegen Wiley sich genötigt fühlt, "a little London lesson" zu erteilen. Ein wenig wehmütig wirkt er da, trotzdem komplett entspannt: Piano und ein hübscher Basslauf machen es möglich. Ebenfalls erstaunlich zurückhaltend: Wileys "Letter To Dizzee". Dessen Schuss in Richtung seines ehemaligen Crew-Kollegen (zu finden auf seinem fast zeitgleich erschienenen "Maths + English") fiel da doch um einiges derber aus.

Wer nun glaubt, Wiley haue nicht gnadenlos auf die Kacke, der leihe sein Ohr zu Korrekturzwecken bitte dem geschätzten Kollegen Engelen, der mit ausgewählten Kostproben in einer 15-minütigen Kür solcherlei irrige Eindrücke komplikationslos korrigiert. Alternativ hilft auch der eine oder andere Durchlauf von "Eski-Boy". Wäre die Nummer nicht so schräg: Was die Dynamik betrifft absolut Großraumdisco-tauglich.

Das Fazit zieht Wiley praktischerweise gleich selbst: "My new album did more than convince me." Irgendjemand hier, der etwas anderes behaupten möchte?

Trackliste

  1. 1. 50/50
  2. 2. Bow E3
  3. 3. Slippin'
  4. 4. Flyboy
  5. 5. Baby Girl
  6. 6. Gangsters
  7. 7. Stars
  8. 8. Letter 2 Dizzee
  9. 9. My Mistakes
  10. 10. No Qualms
  11. 11. Johnny Was A Bad Boy
  12. 12. Nothing About Me
  13. 13. Come Lay With Me
  14. 14. Getalong Gang
  15. 15. Eski-Boy
  16. 16. Playtime Is Over

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