laut.de-Kritik

Einmal reingehört, gewöhnt man sich schnell an den Schmäh.

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Wer Tom Waits covert, wandert auf schmalem Grat. Des Meisters Melodien sind derart eingängig, dass man meinen könnte, das sei schon die halbe Miete. Andererseits sagt Waits selber, schöne Melodien seien dazu da, sie auf zu kratzen und gegen sie zu arbeiten. Wolfgang Ambros sieht das anders: "Waits hat ein Talent, dass man als genial bezeichnen muss; schreibt unglaublich geniale Musik, die er aber letztlich nur rudimentär aufbereitet und irgendwie hinkotzt. Ich denke einmal, dass das seine Intention ist und dass ich letztlich das gemacht habe, was er sich wahrscheinlich gewünscht hat: Dass jemand hergeht und seine Kotzbrocken zu dem formt, zu dem sie eigentlich gedacht sind."

Woher diese Einsicht in Waits' Über-Ich kommt, ist nicht bekannt. Ambros jedenfalls liefert zwölf musikalisch saubere Stücke, deren Arrangements man irgendwo zwischen harmonisch und langweilig einordnen muss. Die Mundharmonika erinnert an Neil Young ("Durt Bin I Daham"), der Stimme fehlt das Volumen ("Groß In Kagran") und "Samstag Nacht" erweckt mitleidige Gedanken an einen vergessenen Country-Club - ganz wie der frühe Waits: Barde des einfachen Mannes.

Wer Tom Waits covert, wandert auf schmalem Grat. Bei zuviel Annäherung an das Original kann man gleich dieses hören, warum also der ständige Vergleich!? In seiner Auswahl der Stücke hat sich Ambros hauptsächlich auf die älteren Songs konzentriert, solche, die meist einfach eingespielt wurden und mehr von Stimme und Atmosphäre leben, weniger von instrumentalen Highlights. Macht man sich an Waits ran, hat man es aber nicht nur mit der Musik zu tun, sondern auch mit Text: Waits' häufig metaphorisch aufgeblasene oder aber vor Einfachheit kaum zu fassenden Inhalte übersetzt Ambros nicht wörtlich, die "Message zu transportieren" darum geht es.

Nun kann man zum Dialekt der kleinen Alpenrepublik stehen, wie man will. Einmal reingehört, gewöhnt man sich schnell an den Schmäh. Er taugt für gefühlvolle Balladen ebenso wie für den tödlich endenden Rachefeldzug eines Straßenhelden ("Romeo Verliert Bluat"). Auch Ambros’ Übersetzungen sind meist gelungen. Die "Weihnachtsgrüße Von Aner Hur Aus Florisdorf" machen deutlich, dass die Probleme der Menschen überall die gleichen sind, egal ob in Österreich oder den USA.

Ambros ist nicht der einzige deutschsprachige Interpret, der sich Tom Waits angenommen hat. Thilo Nest, Schauspieler aus Basel, der leider nur live zu hören ist, kommt - wie Ambros - nicht umhin, "Tom Traubert’s Blues" - besser bekannt als "Waltzing Mathilda" - einzuspielen. Nun ist der Text wohl im Original für die meisten ein Rätsel und weder die Wanderschaft, noch das Walzertanzen passen so recht mit dem Rest zusammen. Nest gibt an, nach langen Forschungen herausgefunden zu haben, dass Mathilda das Marschgepäck eines Soldaten bezeichnet.

"Waltzing Mathilda" ist das wackelnde Marschgepäck auf dem Rücken eines Soldaten, der sich von seiner Truppe davon macht, also desertiert. Sinngemäß singt Nest im seinem Refrain: "Und ich mach mich vom Acker, ich mach mich vom Acker, machst Du Dich vom Acker mit mir?" und gibt so dem Text plötzlich einen Sinn. Ambros hingegen hält sich eng an den Text, lässt einige Strophen allerdings ganz aus und lässt jeden mit "der Mathilda" einen Walzer tanzen.

Wer Tom Waits covert, wandert auf schmalem Grat.

Trackliste

  1. 1. Samstag Nacht
  2. 2. Durt bin I daham
  3. 3. Heimatserenade
  4. 4. Romeo verliert Bluat
  5. 5. Es is vorbei
  6. 6. Nach mir die Sintflut
  7. 7. Die Sunn geht boid auf
  8. 8. Groß in Kagran
  9. 9. Martha
  10. 10. Weihnachtsgrüsse von einer Hur' aus Floridsdorf
  11. 11. Verlieb' di ned
  12. 12. Mathilda

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