laut.de-Kritik
Superbe Werkschau vom Blues zum Smash-Hit und zurück.
Review von Ulf Kubanke50 Jahre ZZ Top, das bedeutet: 50 Jahre bärtige Songs über runde Hintern, lange Beine, goldenen Whiskey und schnelle Schlitten. Ein halbes Jahrhundert zwischen gummiartigem Boogie-Hardrock und erdigem Blues. Fünf Dekaden prägende Gitarrensounds zu zahllosen Ohrwurmmelodien. "Goin' 50" wirft alles in einen Topf und serviert zum Jubiläum 50 Stücke als exquisite Werkschau. Egal, ob man die MP3-Version oder schicke, greifbare Formate auf wahlweise fünf LPs oder drei CDs bevorzugt.
Die Texaner teilen ihre Stücke zutreffend in drei Kapitel auf. Das erste Drittel behandelt vorwiegend die recht puristische, nahe am Blues gebaute Frühphase. Der Mittelteil wartet mit ihrer Smash-Hit- und MTV-Ära auf. Im Schlussdrittel illustrieren sie ihr teils wieder zurück zu den Wurzeln strebendes Spätwerk.
Altgediente Rock-Veteranen, die bereits ihren gesamten Katalog besitzen, finden hier womöglich nichts, das nicht längst im Regal steht. Neuentdecker hingegen erhalten mit "Goin' 50" tatsächlich den Löwenanteil der ZZ Top-DNA. Beide Seiten können sich am hervorragenden Sound erfreuen, der sich hier erstmals im Gewand des superben 2019er-Remasters präsentiert.
Das neue Klangbild beschert musikhistorisch bedeutenden ZZ-Standards wie "La Grange" (vom 1973er Meilenstein "Tres Hombres") oder "Gimme All Your Lovin'" (von "Eliminator", 1983) kristallene Klarheit, ohne deren Wucht zu mindern. Das höchst überzeugende Ergebnis bietet den seltenen Glücksfall einer Politur, die ohne jegliches Glattbügeln auskommt.
Besonders charmant schrammelnde Frühwerke wie "(Somebody Else Been) Shakin' Your Tree" ("ZZ Top's First Album", 1971) oder "Francine" ("Rio Grande Mud", 1972) erscheinen nahezu neu geboren. Als besonderes Schmankerl bieten sie die vergriffene 1969er-Single "Salt Lick" samt B-Seite "Miller's Farm" auf, der man noch Spurenelemente der damals grassierenden Psychedelic Rock-Ära anhört.
Ähnlich wie AC/DC, Motörhead oder Status Quo zählen ZZ Top zu den überraschungsärmsten Rockbands aller Zeiten. Stilistische Variation gibt es nur im engen Rahmen. Ihre große, hier offenkundig werdende Leistung besteht darin, songwriterisch trotz einiger Füllsongs so verdammt gut zu sein, dass ihre Trademarks nicht in peinlichen Rockismus münden.
Das bedeutet gleichwohl nicht, dass sie thematisch keinen Spaß am Reiten typischer Southern Rock-, Hardrock- und Cock-Rock-Stereotypen hätten. Ihr Booty-Song "Tush" ("Fandango", 1975) oder das auch als Videoclip berühmte "Legs" ("Eliminator") sind nur zwei von etlichen Hymnen an weibliche Kurven. Gern präsentieren sie sich seit jeher als jene Sorte Texascowboy, der vordergründig zu Frauen zwar "Ma'am" sagt, aber ungeniert deren Kehrseite hinterherpfeift und dafür entweder eine Ohrfeige oder einen Kuss von den Damen erwarten darf. Meist beides.
Was haben King Crimson, Blue Öyster Cult und ZZ Top gemein? Alle drei zählen zu Stephen Kings Lieblingsbands und fanden Eingang in die Handlung seiner Romane. Das hier vertretene "Velcro Fly" (vom grandiosen "Afterburner", 1985) ist schon für sich genommen perfekt tanzbarer Rock und einer ihrer Kerntracks. Die prägnanten Drums baut King als blutiges Ritual in die Endzeitszenerie des dritten Teils seiner "Der Dunkle Turm"-Saga ein. Die Band selbst wird dort mehrfach namentlich genannt und erhielt dadurch neue Fans, die erst über Kings Hommage deren Musik entdeckten. " Hey, look at the hooks. On your pants makes you want to dance. I say yeah yeah ... I say yeah yeah."
7 Kommentare mit 11 Antworten
ja, die 70er Alben grün und rot waren superb. ja es gab noch blau und beige, die auch gut bis sehr gut waren- wenn auch nicht durchgängig.
ja, sie haben sich weiterentwickelt. In den 80ern gab es pop-rockige Melodien, sehr eingängig und man kann damit Stadien füllen. Nein, das war nicht mehr so brilliant wie zuvor.
ja, sie sind nicht stehen geblieben, der Sound wurde fetter und es wurde technisiserter Bluesrock mit viel Computer, viel Effekten und einigermaßen Ideen.
Ja, sie spielen noch live, aber kaum neueste Sachen- logisch.
Ja und... was soll das nun heißen?
Wo kommen wir den dahin wenn einem jede Frage beantwortet wird!
Ach ja an DocGutmann, klein Speedi musste Dosen stemmen für eine Elktroinstallation und hatte noch nichts von ZZ Top gehört. Mein Geselle der mir das damals zeigte aber schon. Egal Speedi, geh in den Plattenladen deiner Wahl und kauf irgendwas von denen, da gibt es keine schlechten Platten von. Nach Feierabend direkt auch gemacht und er hatte recht! Anno 1983 war es.
Anno 83 stimmte das wohl, Frage beantwortet?
Hab die vor 2 Jahren mal auf D-Tour gesehen. War wirklich ein geniales Konzert. Aber auf Platte komm ich nicht so richtig ran.
Super Best of von einer super Band. Mit Pep Guardiolas Worten, super super.
Ah, Herr Kubanke ist ein Kenner des Turms! Sage meinen Dank für die Rezension. Lange Tage und angenehme Nächte!
danke, Rabenherz-Sai!
ich halte den "Dark Tower" für einen großen Wurf, der sich locker auf Augenhöhe mit zeitgenössischen Fantasy-Werken wie den "Lied von Eis und Feuer" bewegt. Was die liebevolle Zeichnung der figuren angeht, kratzt der Turm m.E. sogar qualitativ an der Tür Tolkiens. Tragisch nur, dass die Verfilmung (die man total G.O.T.-mäßig aufziehen könnte) so unfassbar grottig und (bis auf McConaughey) fehlbesetzt geriet.
Wer hat im Buch eigentlich ZZ Top erwähnt und den "Velcro Fly" erkannt? Meiner Erinnerung war das Eddie Dean oder?
"Tragisch nur, dass die Verfilmung (die man total G.O.T.-mäßig aufziehen könnte) so unfassbar grottig und (bis auf McConaughey) fehlbesetzt geriet."
Also wenn sie es wie bei G.O.T. versucht hätten, wäre es auch vermutlich nicht gelungen. Siehe die Abschlussstaffel bzw. min. 2 Romane sind noch nicht erschienen.
Das Genie der den Dunklen Turm Zyklus (Schwarz, Drei, Tot, Glas, Wind, Wolfmond, Susannah, Der Turm) halbwegs vollständig und verständlich im Zusammenhang auf die Kinoleinwand bringen möchte, ist noch nicht geboren.
Tolkins Werke galten auch lange als nicht verfilmbar und an der Herr der Ringe Verfilmung ist längst nicht alles Gold was da glänzt. Eine Serie ist gerade in Planung und wieder ist Peter Jackson an Bord. Eventuell kann er da die Lücken der Trilogie füllen.
Unterschlagen bzw. vergessen darf man aber auf keinem Fall Frank Herberts Dune Zyklus, wo auch eine Verfillmung mit sehr gutem Regisseur ansteht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dune_(2020)
ich meinte keinen direkten g.o.t.-vergleich. will nur sagen, dass jedes der dt-bücher locker eine staffel bilden könne und man sowas komplexes einfach nicht in 2-3 stunden runterkloppen kann.
randal flagg hat seine initialen von king übrigens nach robert fripp erhalten.
Afterburner! Das Turbo von ZZ Top
treffenderer vergleich
"treffender" meine ich
Nicht ganz. Beides keine schlechten Alben. Afterburner aber nur schwächeres Eliminator und Turbo eigenständiges JP Album und im Vergleich auch noch besser.
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