Zwei Angestellte hinderten den Musiker mit jüdischen Wurzeln offenbar am Check-in. Das hat Folgen.

Leipzig (ebi) - Gil Ofarim, deutscher Musiker und Schauspieler mit jüdischen Wurzeln, ist im sächsischen Leipzig offenbar Ziel antisemitischer Anfeindungen geworden. Zwei Angestellte des The Westin Leipzigs hatten den 39-Jährigen offenbar am Check-in ins Hotel gehindert.

Der Rezeptionist sowie ein weiterer Mann hätten ihn aufgefordert, seinen Davidstern, den er an einer Kette um den Hals trägt, "einzupacken", so Ofarim. Zuvor habe man ihm andere Wartende in der Schlage an der Rezeption mehrfach vorgezogen. Ofarim machte sein Erlebnis gestern unmittelbar in einem Instagram-Video öffentlich. Der Clip verzeichnet inzwischen fast 2,5 Millionen Aufrufe.

Das Westin reagiert - ein Beschuldigter schlägt zurück

Noch am Abend war es vor dem Hotel zu einer Solidaritätskundgebung mit mehreren hundert Menschen gekommen. Das Westin reagierte zunächst zurückhaltend, man versuche Herrn Ofarim zu kontaktieren, "da wir dringend herausfinden müssen, was hier passiert ist", hatte ein Sprecher dem Spiegel gesagt. Heute Morgen teilte die Marriott-Gruppe dann mit, man habe zwei Angestellte für die Zeit der Ermittlungen beurlaubt. Die Leipziger Polizei stuft den Vorfall als "klar antisemitisch" ein. Die Unterlagen werden heute der Staatsanwaltschaft übergeben.

Einer der Beschuldigten geht bereits in die Gegenoffensive, wie u.a. die FAZ berichtet: Er erstattete Anzeige wegen Verleumdung und Bedrohung. Dieser, so die Polizei, "schildere den Vorfall mit dem Künstler Gil Ofarim deutlich abweichend von den Auslassungen des Musikers". Außerdem würden sich Menschen in den sozialen Netzwerken völlig entfesselt gegenüber dem Hotelpersonal äußern, so der Hotel-Angestellte. Eine Online-Anzeige eines unbeteiligten Dritten wegen Volksverhetzung ging ebenfalls ein, so ein Polizeisprecher.

Die Politik steht an Ofarims Seite - die Hotelgäste offenbar nicht

Ofarims Video hatte bundesweit Reaktionen hervorgerufen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht einen "Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)", der nicht folgenlos bleiben könne. Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Kevin Kühnert, hatte das Hotel auf Twitter aufgefordert, aktiv zu werden: "Geht ihr den Vorwürfen nach? Und wenn sie sich bewahrheiten, wie geht das Unternehmen mit Antisemitismus um – reaktiv, aber auch präventiv?". Sachens Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) ermutigte Ofarim direkt, Anzeige zu erstatten.

Ofarim selbst müsse das Ganze erst einmal verdauen, zitiert der Spiegel sein Management. Ob er Strafanzeige erstattet, ist noch unklar. Bild-TV gegenüber zeigte sich der Musiker traurig und aufrecht zugleich. Er sei nicht das erste Mal mit Fremdenhass und Antisemitismus konfrontiert, so Ofarim, aber: "Es war einmal zu viel. Ich finde, man soll einfach nicht mehr die Klappe halten und das über sich ergehen lassen. Ich hätte mir nur gewünscht, dass ich nicht alleine gewesen wäre in dem Moment, und hätte mir gewünscht, dass andere Gäste das vielleicht mitgehört hätten".

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14 Kommentare mit 99 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Aufmerksamkeitsökonomie und Empörungsmanagement scheinen mal wieder wichtiger zu sein, als die eigentliche (behauptete) Tat.
    Früher wäre der Betroffene einfach umgehend zur Polizei gegangen und hätte Anzeige erstattet.
    Nicht so bei diesen modernen Social-Media-Zombies.

    • Vor 2 Jahren

      Der betroffene Sänger sieht den Vorfall offensichtlich und wahrscheinlich auch nicht unbegründet als Teil eines gesellschaftlichen Musters. In der Gesellschaft vorherrschende Ressentiments besiegt man nicht alleine durch den Gang zur Polizei (sofern man dort überhaupt ernt genommen bzw. nicht weiter diskriminiert wird) sondern durch den gesellschaftlichen Dialog. Im Umkehrschluse darf man die Tendenzen mancher Leute, die Sache möglichst kleingehalten sehen zu wollen auch einmal hinterfragen und sich überlegen, ob das nicht unter auch zur Aufrechterhaltung problematischer gesellschaftlicher Tendenzen beiträgt.

    • Vor 2 Jahren

      Es ging nicht um kleinreden, sondern um einen besonnenen, erwachsenen Umgang mit solchen Dingen.
      Schließlich hat der Mann nun bereits mehrere Gegenanzeigen am Hals.

    • Vor 2 Jahren

      Ich stimme @cosmic als ebenfalls jüdischer Mensch zu. Der Vorfall ist in Sachsen sicherlich plausibler als in Berlin, allerdings kann man das auf entsprechendem Wege durch die dafür zuständigen Instanzen aufklären lassen und dadurch genauso viel publicity bekommen wie jetzt, weil man eine bekannte Person ist. Das hat mit Kleinreden nichts zu tun und auch nicht damit, dass man sich einen Prozess nicht leisten könnte. Deswegen warte ich, bis das vor Gericht kommt.

    • Vor 2 Jahren

      "Es ging nicht um kleinreden, sondern um einen besonnenen, erwachsenen Umgang mit solchen Dingen."

      Naja, dann geh doch vielleicht einmal auf mein Hauptargument ein.

    • Vor 2 Jahren

      Ich würde auch erst mal warten, was das Hotel selbst dazu sagt. Weglaufen kann es ja wenigstens nicht.
      Naaa, Gleep .. naaa? naaaaaa? :)

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Hat ein bisschen gedauer bei mir. Punkt an dich, Wiesli

  • Vor 2 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 2 Jahren

    Im Zweifel erst mal davon ausgehen, daß es einen Grund hat, wenn jemand von so einem Ereignis schildert. Gil Ofarim ist jetzt auch nicht die bekannteste Persönlichkeit, an der sich zu reiben für ersehnte Aufmerksamkeit sorgen könnte. Das mit dem Davidstern ist schon mal die kaputteste Nummer.

    • Vor 2 Jahren

      Was er beschreibt, ist jedenfalls Alltag für viele Mitmenschen, die für Trottel als "undeutsch" gelten. Gerade wenn jemand offensichtlicher nicht Sonntags Tatort guckt und nen Verwandten im Krieg verloren hat, den dieser ja gar nicht wollte. Wie mit nem Kopftuch z.B..

    • Vor 2 Jahren

      Mhh, sehe ich eher umgekehrt. Im Zweifel erst mal für den Angeklagten. Solche Vorgänge lassen sich recht leicht dekontextualisieren. Mal schauen was rauskommt.

    • Vor 2 Jahren

      Hätte Ofarim ne neue Platte draußen, könnte ich die Nummer noch z.T. als PR-Masche hochgeköchelt betrachten. Kann natürlich auch so sein. Gibt aber erst mal keinen Grund, an allem zu zweifeln. Das Hotel hat hinterher ja auch nen Security-Dienst voller Faschos beauftragt. Irgendwelche Sympathien oder gar Verbindungen wirds also geben.

      Ist aber weniger der eine Fall, der das Problem ist. Reicht schon, halbwegs aufmerksam im Alltag zu bleiben. Und da kriege ich quasi jede Woche irgendeine kleinere oder größere Anfeindung gegen vermeintliche Nicht-Lauchs mit, die ziemlich ähnlich sind.