laut.de-Kritik
Kiffen ließe sich zu diesem Sound sehr wohl ...
Review von Alexander CordasIch sitze nun schon seit einer halben Stunde vor dem Braille-Alphabet, aber es will sich mir ums Verrecken nicht offenbaren, was denn bitteschön die Punkte auf dem Cover bedeuten sollen. Egal wie rum ich das doofe Cover auch halte, es scheint nichts Sinn zu geben. Das höchste der Gefühle sind die Buchstaben E und P. Aber eine EP ist das hier auch nicht, dazu ist die Spielzeit mit 40 Minuten doch etwas zu lang.
Okay, ich lass den Drahtseilakt einer tiefenpsychologischen Analyse von Punkten jetzt einfach mal sein. Was die seltsamen Tracknamen wohl zu bedeuten haben? Da wage ich nicht einmal eine Spekulation. Wie seinerzeit Karma To Burn, die ja auch rein instrumentell mucken, besitzen die Songs lediglich Ziffern zur Kennzeichnung. So weit, so verwirrend.
Seltsame Klangfetzen schwirren durch die Luft, sanft gezupfte Gitarrensounds flirren hin und her, wie von heißen Sonnenstrahlen erwärmt, verschwimmen in der Luft und brechen sich am einsetzenden Schlagzeug-Prisma. Das Ensemble aus Bass, Drums, Keyboards und Gitarre manifestiert sich nach knapp zwei Minuten als Klang gewordener Lichtbogen namens "20 09". Entspannte Rhythmik legt sich über die Fragmente.
Scheinbar improvisiert grooven 35007 locker und lose dahin. Der Begriff Spacerock wabert durch den Raum und entführt sogleich in entfernte Welten. Mal deftiger, mal zurück genommen und entspannt kollagieren sich die Holländer durch ihren musikalischen Trip. Wie eine Membran, die sich zusammen zieht, dann wieder expandiert, pulsieren die Riffs, treibt das Schlagzeug und wummert der Bass.
Auch wenn es die Band vermeiden will, ihre Musik im Kontext von Kiff und Co. zu sehen - kiffen könnte man zu dieser Musik sehr wohl. Oder ins Kaminfeuer starren. Hypnotisch klingen 35007 allemal. Das funktioniert aber auch ganz unprätentiös auf der heimischen Anlage. Zurück gelehnt im Sessel sitzend, lassen sich die fünf bzw. sechs Tracks ebenfalls genießen. Diese Musik drängt sich nicht auf, sie lässt einem reichlich Zeit, um darin einzutauchen.
Eine gewisse Rückwärtsgewandtheit darf man den Niederländern dabei schon unterstellen. Aber es gehört einiges dazu, sich die Psychedelik derart lässig aus dem Ärmel zu schütteln. Die Impro-Götter von Can, krautig-treibendes von Neu! oder raumfüllendes wie Pink Floyd - 35007 haben von den Großen gelernt, kochen daraus jedoch einen ganz eigenen Eintopf. Und der schmeckt immer noch. Punkt. Ohne Braille!
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