laut.de-Kritik
Das hat die Liebe wirklich nicht verdient!
Review von Moritz FehrleJa, ich habe dieses Album in seiner Gänze gehört. Ja, ich habe es nur in ganz kleinen Dosen geschafft. Und ja, ich habe dabei wirklich körperliches Unbehagen empfunden. Und damit herzlich willkommen in der komplett schmerzbefreiten Welt des Adel Tawil.
Das rosarote Albumcover verrät uns schon, dass es sich hier um eine bunte Welt handelt, in der nur positive Bilder vorgesehen sind. Und das unnatürlich nach oben gehaltene Fernrohr samt Sonnenbrille dürfte Warnung genug sein, dass hier höchstens vorgeblich über den eigenen Tellerrand geblickt wird.
Einen elektronischeren, jugendlichen und am Zeitgeist orientierten Sound verspricht das Album. Leider gerät die Umsetzung dieses Vorsatzes derart dröge und berechenbar, dass sich mir mehr als einmal der Eindruck aufdrängt, hier ginge es um Übungsaufgaben aus dem Lehrbuch "Urban Sounds for Beginners Vol. 1".
Wenn gerade nicht nach Zahlen gemalt wird, wandelt man am liebsten auf altbekannten Pfaden. Die überwältigende Mehrheit der Lieder auf "Alles Lebt" funktioniert nach dem alten Erfolgsprinzip. Bildreich und mit viel Pathos besingt Adel Tawil die (ganz) große Liebe besungen, wobei die von Tawil und seinem Komponistenteam zu diesem Behufe zurate gezogenen Bilder immer entweder schief sind oder abgedroschen. Gerne auch beides.
In "DNA" singt Tawil unironisch von "Seelen, die sich verbinden" und reiht auch sonst kitschiges Klischee an kitschiges Klischee: "Der Himmel reißt auf und das Meer will sich verneigen. Vor dieser Liebe, wir sind wie aus einer DNA". Soviel distanzloser Scheußlichkeit kann man nun wirklich nur mit Unglauben begegnen. Das mit der gleichen DNA wirft zudem irritierende inzestuöse Assoziationen auf, die derart bestimmt nicht intendiert waren. Eine sanft dahinplätschernde Klavierbegleitung und ein Arrangement, bei dem man die primitive Kompositionsstruktur quasi bildlich vor Augen sieht, untermalen den Song: Das hat die Liebe wirklich nicht verdient!
Andererseits stellt sich im Verlauf schnell heraus, dass man trotz tonnenweise Schmalz noch viel weniger möchte, dass Adel Tawil über etwas anderes singt. Bei "Katsching" etwa weiß ich gar nicht, ob ich nun zuvorderst das Adjektiv "zahnlos" "uninspiriert" oder "debil" verwenden möchte. "Wir bohr'n uns in die Erde, große Rinderherde. Für Polo brauchst du Pferde. Und mehr Geld. Mehr Lego, mehr Geld". Das versteht man dann im Hause Warner vermutlich unter "bissiger Sozialkritik". Hannes Wader würde vor Neid erblassen ...
Was man dann definitiv auf gar keinen Fall möchte, ist dass sich der Schmalzbarde an ein politisches Statement wagt. Mir graust davor, dass Radio-DJs "Wohin Soll Ich Gehen" als "mutiges Statement für mehr Toleranz" anteasern werden. Tatsächlich geht der Sohn afrikanischer Eltern das unschöne Thema der wachsenden Fremdenfeindlichkeit nämlich mit derart samtenen Handschuhen an, dass man ihm letztlich nicht nur eine kitschige Heimathymne, sondern fast einen Schulterschluss mit den Rechten ankreiden muss. Denn was Tawil in seinem Song auf gar keinen Fall möchte, ist mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen. Zu hören ist stattdessen lediglich von "dunkle(n) Gedanken hinter einsamen Fenstern". Will meinen: leider sind in letzter Zeit einige Menschen etwas fehlgeleitet, aber eigentlich sind sie doch genauso wie Adel Tawil bloß einer von Achtzig Millionen. "Irgendwer redet in seinem Hass etwas blind in die Nacht. Dabei sind wir doch beide von hier".
Mir stellt sich die Frage, ob man für derlei hanebüchenen Unsinn nicht vielleicht mangelnde Zurechnungsfähigkeit als mildernden Umstand anführen müsste. Die legt zumindest "Atombombe" nahe. In dem befremdlichen Song läuft Adel Tawil zu fröhlichen Poprhythmen "in Slomo" durch die Straßen, "atmet ein, atmet aus" und "denkt nur an euch", während um ihn herum ein Atomalarm losgeht. Und da einem so ein drohender Weltuntergang natürlich nicht die gute Partystimmung vermiesen kann, klingt "Atombombe" auch wie der Soundtrack für die Fanmeilen dieses Landes. "Die Welt sieht schön aus kurz vor ihrem Ende" - wieso kommt bei fünf beteiligten Komponisten nicht zumindest einer darauf, dass das einfach nur geschmackloser Schwachsinn ist?
"DNA", "Atombombe" und "Wohin Soll Ich Gehen" stellen drei schaurige Totalausfälle einer Platte dar, die insgesamt ein einziger Ausfall ist. Würde man nicht beständig in angstvoller Erwartung des nächsten textlichen Tiefschlags harren, könnte man das Album wenigstens weghören. Musikalisch herrscht nämlich die große Eintönigkeit. Neben den fantasiearmen Produktionen tragen dazu vor allem die ständig selben Betonungsmuster von Adel Tawils immer ein wenig zu dramatischer Stimme bei. Ein Großteil der Schmachtfetzen unterscheidet sich somit tatsächlich nur darin, welche schiefe Metapher nun das jeweilige Grundgerüst bildet.
Gerne würde ich an dieser Stelle etwaige Lichtblicke herausheben. Sofern man die von mir angesprochene mangelnde Zurechnungsfähigkeit nicht gelten lässt, ist "Alles Lebt" allerdings schlicht das Album, für das die 1-Punkte Wertung dereinst erfunden wurde. Und selbst wenn die Skala statt bis fünf bis fünfzig gehen würde, käme dieses Album niemals über einen Punkt hinaus. Aber irgendwer muss schließlich auch das untere Ende einer Skala definieren. So schmerzhaft geschmacksverirrt kann deutscher Pop 2019 klingen.
6 Kommentare mit 9 Antworten
Bausa passt als Feature hervorragend zu diesem Schmalzhannes.
80 Millionen war Max Giesinger. Banausen.
das sollte wohl die Austauschbarkeit hervorheben. Max Bendzko, Joris Forster und Co...
Lassen sich diese Gestalten nicht alle vom selben Auroren-Team ihre Fahrstuhlmusik zusammenkumpfern?
Noch mehr kann man seine Musik eigentlich nicht auf Formatradio abrichten. Sogar Latin Pop ("Tu m'appelle") hat er reingepresst.
Wertlose Plastikmusik aus der Deutschpop-Hölle.
Tu m'appelles ist doch französisch.
Ja, aber der Beat ist latinmäßig. "Mi nombre es" hätte auch funktioniert.
Annette fehlt halt.
Musik für Hurensöhne
Bisher nur Katsching und Tu m‘appelles gehört. Die dafür aber auf Dauerschleife. Stand jetzt hat er es geschafft, sich weiterzuentwickeln, ohne dass das Flair verloren geht und er sich in der Elektrohölle verliert, wie es schon so einigen Künstlern passiert ist. Deshalb gleich mal 5/5. Und die abschließende Frage, wann laut.de endlich geschlossen wird.
Wenn Du aufhörst, das Deppenapostroph zu nutzen?
Musicfire auch so ein Typ, bei dem man mal die Chromosomenanzahl überprüfen sollte.
Und da ist sie auch schon, die direkte Bestätigung für meine als Frage formulierte Hoffnung und das gleich in doppelter Ausführung. Wirklich erstaunlich, wie schnell man heutzutage getroffene Hunde zum Jaulen bringen kann. Und die werden dabei sogar richtig kreativ. Leider auf keinem besonders hohen Niveau, schade eigentlich. Aber stimmt schon, selbst wenn die Seite weg ist, die Deppen gibt es danach ja immer noch. Das ist ja bekanntlich auch der einzige Grund dafür, dass man die NPD noch nicht verboten hat.
Mach dir nichts draus du musst wissen hier gibt es Leute wie zB den Busfahrer (mich) oder Sancho (Aqualung), die müssen einfach regelmäßig hart gezüchtigt werden, sonst kommt Übermut auf und das tut der Plattform laut.de nicht gut. Der Hochmoor ist quasi sowas wie ein Antikörper für schlechtes Verhalten hier.
Die Platte konnte ich nur mit 3 Unterbrechungen während eines Liedes anhören. Fazit. Der Sound ist ja noch okay, aber bei den Texten..... man hat den Eindruck dass dieser egal ist. Hauptsache es reimt sich. Gruselig