laut.de-Kritik

Endstation: Fairy Land.

Review von

Augenaufschlag, Traumland. Bereits zum siebten Mal reicht uns Neige grazil seine Hand und zieht uns durchs lavendelumschmückte Portal hinein in eine andere Welt. Genauer gesagt: in seine Welt, die der Peter Pan des Blackgaze freimütig als "Fairy Land" bezeichnet.

Die Erzählung ist so alt wie des Erfolgs von Alcest selbst – und dient damit nicht nur als äußerst treffende Umschreibung für den Klang der Franzosen, sondern auch als Fundament für jüngst wiederholte Entschuldigungen für adoleszente musikalische Verstrickungen in die rechte Black Metal-Sphäre. Polemik beiseite: Wer Neige in persona erlebt hat, weiß, welch friedlich-unschuldiger Traumwandler hier an einem vorüber schwebt.

Also rein: "Komorebi" eröffnet mit gewohnt bittersüßem War on Drugs-goes-Blastbeat-Kniff, "Flamme Jumelle" bezirzt mit slowdivigen Honigwaben, die Vorabsingle "L'Envol" schleppt sich aus dem doomigen Intro Richtung Folklorepart samt sphärischer Gesangskaskaden. Wer sich die Frage nach den wirklich wenigen Neuerungen im Soundkosmos der Morgenröte stellt, wird am ehesten noch bei den Gesangspuren fündig: Es ist der teils auffällige Verzicht auf die Vocal-Reverb-auf-11-Einstellung, der "Les Chants De L'Aurore" zumindest ein wenig von seinen Vorgängerwerken abgrenzt – und dabei einen etwas intimeren Blick auf Neiges sanfte Stimmbandakrobatik gewährt. Gepaart mit der Akustikgitarren-Reminiszenz ans Debütalbum macht das "L'Envol" zur klaren und frühen Sternstunde des Albums.

Wie schon auf den Vorgängern "Kodama" und "Spiritual Instinct" schwanken die übrigen der insgesamt 44 Minuten zwischen "gut", "sehr gut" und "noch immer das Beste was dieser inzwischen völlig überlaufene Genremix aus Black Metal, Shoegaze, Post- und Indie-Rock zu bieten hat". Radikale Drohgebärden wie die Ankündigung des Verzichts auf Metalanteile ("Shelter", 2014) sind von Alcest wohl keine mehr zu erwarten.

Im Grunde sind Alcest längst im Enya-Modus angekommen: In immer größeren Abständen kredenzen sie uns auf bewährtem Rezept basierende Platten, die uns für eine gute Kanne Heilkräutertee lang den Irrsinn dieses planetaren Karussells vergessen lassen. Es sei ihnen gegönnt, haben sie die bisher größte Herausforderung – die Wucht und Intensität der Live-Auftritte auch im Studio mit voller Dynamik einzufangen – doch ebenfalls schon seit "Kodama" gemeistert.

Wäre es die erklärte Challenge, die grenzenlose Freiheit der eigenen Traumwelten für andere Erdlinge greifbar zu machen – Meister Neige dürfte es sich mit der überschäumenden Schampusflasche in der Hand auf der obersten Treppenstufe gemütlich machen. Denn anders als Enya (an die das Klavierstück "Réminiscence" dann doch kurz denken lässt), halten Alcest das Qualitätsbarometer auch im dritten Schaffensjahrzehnt stabil. "Les Chants De L'Aurore": More of the same, wie immer unwiderstehlich.

Trackliste

  1. 1. Komorebi
  2. 2. L'Envol
  3. 3. Améthyste
  4. 4. Flamme Jumelle
  5. 5. Réminiscence
  6. 6. L'Enfant De La Lune
  7. 7. L'Adieu

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Alcest

Der Wikipedia-Eintrag zu Black Metal: Subkultur des Metal, die Ende der 1980er in Norwegen und Schweden entstand. Der schwer zu begrenzende Begriff wird …

9 Kommentare mit 56 Antworten

  • Vor 6 Monaten

    Irgendwie schade, wie wenig moderner mittel die Möglichkeiten nutzt, mit der Zeit gehen können und Gefühle zeigen zu können. Stattdessen kommt meistens so dummer Teenager-Pathos, im besten Fall noch in der Art von Linkin Park heraus. Das ist nicht deep, und auch nicht mutig.

    • Vor 6 Monaten

      wat labersch du ?

    • Vor 6 Monaten

      Was ist los mit dir, Ragi? Wenn du da Linkin Park raushörst, haste entweder ein anderes Album gehört oder bist iwie strange drauf. Oder sollte das auf irgend ne Art Ironie ausdrücken?

    • Vor 6 Monaten

      "Irgendwie schade, wie wenig moderner mittel die Möglichkeiten nutzt, mit der Zeit gehen können und Gefühle zeigen zu können."

      What?

    • Vor 6 Monaten

      Metal nicht mittel

    • Vor 6 Monaten

      Außerdem ernährt sich das gewöhnliche ragismchen von outrage, deswegen legt es Köder aus.

    • Vor 6 Monaten

      Holla, Metal, alles klar. Also eigentlich nichts klar, denn wirres Zeug ist es trotzdem, auch wenn der Satz jetzt verständlich ist.

    • Vor 6 Monaten

      Verstehe auch nicht, was er da verzapft. Man könnte sich ja achon im Eingangspost unzweideutig äußern, aber nööö...das ist nicht die feine Ragismo-Art

    • Vor 6 Monaten

      Der alte Ragebait schwafelt wieder ganz viel Scheiße.

    • Vor 6 Monaten

      "Flamme Jumelle" war für mich da sehr exemplarisch. Und ja, das hatte mich sehr an LP erinnert, bzw. an andere mittelige Vertreter wie Bring Me The Horizon, die viel mit Teenager-Pathos-Kitsch-Cringe arbeiten.

      "Flamme Jumelle" ist aber nicht exemplarisch für die ganze Platte. Der hatte mich sehr abgeschreckt. Und in der Zwischenzeit hab ich noch ein paar andere Tracks von ihr gehört, die nen sehr anderen Stil haben. Hat mich jetzt nicht umgehaue, aber ich nehme den Teil zurück, der der ganzen Band unterstellt, nur so nen Scheiß zu machen.

    • Vor 6 Monaten

      Den Track (Flamme) habe ich beim ersten Hören gestern auf jeden Fall auch am poppigsten wahrgenommen. Ist auch als Single ausgekoppelt, wenn ich das über Spotify richtig verstehe und damit eventuell auch gezielt ausgewählt, um möglichst viele Menschen anzusprechen - möglicherweise sogar Teenager! :D

      Kann den LP-Vibe da tatsächlich auch nachvollziehen, freilich überhaupt nicht musikalisch, aber durchaus hinsichtlich der ausgelösten / ggf. auch angezielten Emotionen.

      Allein: Mich holt das halt auch gute 20 Jahre später immer noch ab. Sowohl LP (eher damals, aber teils auch heute noch) als auch dies hier jetzt.

      Würde da jetzt auch gern noch die Fragen stellen, falls Du drauf eingehen magst, Ragism, was Du erstens so schade daran findest, teenager-pathos-mäßig Gefühle auszudrücken/anzuzielen (immerhin ist das doch für viele Menschen tatsächlich eine der emotional intensivsten Zeiten im Leben - sowohl währenddessen als auch rückblickend) und was zweitens aus deiner Sicht Alternativen wären oder sind, Gefühle dann anders (also statt teeniemäßig ... "erwachsen"?!) musikalisch zu zeigen? :)

    • Vor 6 Monaten

      Mit dieser Cringigkeit, dem Pathos meine ich eben dieses "Papa kommt nie zu meinen Fußballspielen...!!!!" oder "MAMA VERSTEHT MICH EINFACH NICHT!!!!!!". Im Grunde all das, worüber sich aus gutem Grunde die Allgemeinheit über Emos lustig gemacht hat - später dann glücklicherweise auch sie selbst.

      Da gehe ich ganz mit Byung Chul-Han mit, der einen wesentlichen Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen macht. "Emotionen" sind verwertbare, eindeutige, isolierte Bits. In aller Regel handelt es sich um "Ausbrüche" die aus dem Affekt heraus entstehen, keinen Kontext benötigen, gerne hoffnungslos überzeichnet sind. Das, was wir häufiger in aktuellen Pixar-Filmen, in vielen Animes sehen. Wutausbruch um des Wutausbruchs, Heulen um des Heulens willen.
      Gefühle sind weitaus komplexer, nicht eindeutig. Sie erwachsen aus Geschichten und Kontexten, lassen sich unmöglich beschreiben, ohne Bezug auf sie zu nehmen. Sie sind gerne widersprüchlich, verwirrend, wechselhaft. Und sie eignen sich hervorragend für die packendsten Geschichten, die besten Songs, die schönsten Gemälde, die erreifendsten Performances.

      Habe einfach mal der Deutlichkeit halber eine besonders starke Trennung vollzogen. Was Teenager-Cringe auszeichnet, ist dramatischst überzeichnete Emotionalität. Will nicht Teenager dissen - solchen leicht verwertbaren Murks findet man auch in höherem Alter (ZDF-Fernsehgarten, Ghetto-/Männlichkeitsfetisch im Rap, Männlichkeitsfetisch im Metal usw. usf...). Am Beispiel vom überdramatischen Teenager wirds halt ersichtlich.

      Jedenfalls löst diese Art Kultur schnell Fremdscham und Verachtung aus. Low Hanging Fruit, Leute mit Befindlichkeitsbits für dumm verkaufen, völlige Mißachtung der Möglichkeiten von Musik, Film, Kultur allgemein. Leicht konsumierbare Emotionen statt ergreifender Gefühle.

      Hab ein bissl weiter ausgeholt, und mit "Alcest" hats jetzt kaum mehr was zu tun. Sind meine notdürftig umschriebenen Assoziationen zu Musik, die mich hart cringen lässt.

    • Vor 6 Monaten

      Wenn etwas - deinem Empfinden nach - unterkomplex ausgedrückt ist, ist es gleich ein Akt der Missachtung?
      Wenn ich morgens ein Butterbrot schmiere und esse, statt ein aufwändig ausgestaltetes Drei-Gänge-Menü zuzubereiten, mit Firlefanz bei, auf den ich so früh am Tag gar keinen Bock habe, missachte ich dann die Möglichkeiten der Kochkunst?

    • Vor 6 Monaten

      Nein, machste dann nicht. "Mißachtung" hat für mich da mehr den Schwerpunkt auf "Nicht-Beachtung". Aktive Mißachtung wäre für mich eher sowas wie der Wendler, Black Eyes Peas.

      Jeder hat andere Sachen, die bei ihm Fremdscham erzeugen. Das da oben sind halt meine :)
      Bei dieser Art, an Musik heranzugehen, denke ich sofort an diese kleinen Viecher in vielen Animationsfilmen, die nur mit konstant überdrehten Emotionen nerven sollen.

    • Vor 6 Monaten

      Schwall nicht so ein Müll, ragismo. "Ausbrüche" sind Affekte, welche nicht das gleiche wie Emotionen sind und du in deiner Differenzierung (wie übrigens auch Stimmungen) vergessen hast. Die Übertragung auf Musik, die dich "cringen [sic] lässt" lässt mich wiederrum "cringen [sic]" :rolleyes:

    • Vor 6 Monaten

      Kommt mir schon bisschen so vor wie eine recht wilde Assoziationskette von jemandem, der morgens schon einen geraucht hat, auch die zugegebenermaßen angemessen feingliedrige Untermauerung dazu, aber ich peils schon und außerdem rauche ich auch gerne morgens schon einen lel. Solange du da keinen Anspruch auf Allgemeingültugkeit draus zimmerst, totally fine with me.

    • Vor 6 Monaten

      Kann mir schon vorstellen, dass manche das zu esoterisch finden und auf Bandfotos wirken die Zwei schon etwas sehr der Welt entschwebt. Aber gut, dass das so ist. Wenn sie wie wir den ganzen Tag nur hier sitzen und wie ich dämliche Kommentare und selbstheroisierende Bewertungen zum Besten geben würden, hätten sie mir nicht so viel Freude mit ihren Alben machen können.

    • Vor 6 Monaten

      „Irgendwie schade, wie wenig moderner mittel die Möglichkeiten nutzt, mit der Zeit gehen können und Gefühle zeigen zu können. Stattdessen kommt meistens so dummer Teenager-Pathos, im besten Fall noch in der Art von Linkin Park heraus. Das ist nicht deep, und auch nicht mutig".

      Kann mir jemensch die Kommasetzung erläutern?

    • Vor 6 Monaten

      Wie gesagt - zu dem Unterschied kann man bei Byung Chul-Han mehr finden. Ich finde, der Unterschied zwischen Gefühlen und "Emotionen" ist extrem offensichtlich. Ganz von der Qualitat der Werke mal abgesehen - aber welcher Natur die Regungen sind, ist bei "Paw Patrol" und "The Wind That Shakes The Barley" grundsätzlich anders. Und ich werde es niemandem abkaufen, der meint, sie seien ähnlich eindeutig.

    • Vor 6 Monaten

      Der Typ unterteilt das halt auch noch zusätzlich in Affekt und Stimmung. Und deine Beispiele "Ghetto-/Männlichkeitsfetisch im Rap, Männlichkeitsfetisch" sind halt Gefühle oder Stimmungen, so wie es halt auch Anxiety oder Teenage Angst sind. Von daher konstatiere ich, dass du den scheiß, den du laberst, gar nicht verstehst.

    • Vor 6 Monaten

      Ja, er unterteilt das auch noch zusätzlich, richtig. Darauf musste ich hier aber nicht Bezug nehmen, weil Emotionen und Gefühle deutlichere Gegensätze sind, um den Punkt zu füttern. Es hilft übrigens auch nicht, wenn Du weitere Differenzierung möchtest, und dann alles um so mehr in einen Haufen wirfst. Diese Fetische sind auch als Stimmungen beschreibbar, aber kaum als Gefühle. Man würde kaum sagen: "Ich freute mich so über den Beef zwischen Kendrick und Drake, daß ich einen Männlichkeitsfetisch in mir aufkommen spürte..."

    • Vor 6 Monaten

      Männlichkeit ist jedenfalls keine Emotion, niemand könnte übermannt werden von Männlichkeit. Männlichkeit ist ein Gefühl oder eine Stimmung.

      Ghettoromantik ebenso, das geht sogar noch mehr in Richtung Stimmung als das vorherige Beispiel, beides sind offensichtlich keine Gefühle, wenn du die Definition von Byung-Chul (der Teil gehört ja zusammen, weil es sein Vorname ist :rolleyes:) Han anwendest.

    • Vor 6 Monaten

      Du Schlingel dachtest wohl, der fehlende Zusatz -Fetisch würde mir nicht auffallen, hm? ;)

      Das ist ein flüchtiger Hype, kein auf einer Erzählung beruhendes Gefühl.

    • Vor 6 Monaten

      Kenne Byung-Chul gar nicht. Werde mir mal anhören, was er so zu sagen hat. Bin gespannt. Schon mal danke für den Tipp.
      Ob und was das mit Alcest zu tun hat, habe ich zwar nicht gecheckt. Ist mir aber auch wurst.

    • Vor 5 Monaten

      Ok, dies eskalierte (mal wieder) rapide - schade!

      Rage, ich habe den Eindruck, dass Du nicht so richtig oder zumindest nur vage auf meine Fragen geantwortet hast und stattdessen eher eine Diskussion über die Definition verschiedener Begriffe vom Zaun gebrochen hast. Dieser kann ich zumindest aktuell nicht folgen, weil mir das Werk des genannten Philosophen null vertraut ist.

      Bin auch selbst da offenbar intellektuell und ggf. auch persönlich einfacher gestrickt: Mir sind manchmal schon die (je nach Modell 5-10) bekannten Basisemotionen in ihren Kombinationsmöglichkeiten und unterschiedlichen Intensitäten komplex genug - da brauche ich gar nicht noch weiter in Stimmung, Affekt und Emotion zu unterteilen, bzw. davon abzugrenzen :)

      Von daher nochmal, weil ich wirklich an einem Austausch interessiert bin:

      1) Warum findest Du es schade, wenn "Teenager-Cringe" musikalisch vermittelt wird? Ich finde es immer wieder total packend, schön und ergreifend. Und ich kann nur wehmütig an diese Zeit zurück denken - Wie sehr muss es das alles dann ggf. für die Teenies selbst sein?

      2) Wie sollte moderner "Mittel" (sorry, den konnte ich nicht liegen lassen ;) ) deiner Meinung nach dann mit modernen Metallen (sorry again...) besser solche Themen aufgreifen, die Teenager (und vielleicht auch Leute, die älter sind, aber diese Zeit ihres Lebens immer noch präsent haben und sie gern in ihrer Musik umsetzen. Möchten) nunmal beschäftigen?

    • Vor 5 Monaten

      Ich finde, dass Metal abgeschafft werden sollte, weil Metal grundsätzlich Cringe ist.

    • Vor 5 Monaten

      Naja, das Problem ist eher dass sich viele Metal Bands viel zu ernst nehmen und dadurch alles grundsätzlich schon cringe wird. Trash und Stoner Metal sind die einzigen sub genres die ich respektiere. Alles darüber hinaus ist für mich aber auch absolut peinlicher pseudo Müll und corny af.

    • Vor 5 Monaten

      Ist das jetzt ein ernst gemeinter Beitrag hier, Hiteek? Ich kann es echt nicht einschätzen :D

      Der erste Satz natürlich zunächst zutreffend, aber was passiert dann auf einmal im zweiten? Glaubst Du wirklich, dass es ein Subgenre gibt, das Trash Metal heißt? Oder meinst Du Thrash und weißt nicht, wie man es schreibt oder hast dich vertippt? Und falls also zweiteres: WIESO dann genau die THRASHER auf einmal wieder respektieren? Die sind doch nun wirklich mit die peinlichst Humorbefreiten von allen, die sich und ihre Musik ernster nehmen als irgend was sonst!

    • Vor 5 Monaten

      @Duri
      Ich finde, Thrasher pauschal als peinlich und humorbefreit hinzustellen ist nicht ganz zutreffend. Klar trifft das auf z. B. Kerry King oder Mustaine hundertprozentig zu. Aber spontan fallen mir der überaus sympathische Phil Rind von Sacred Reich und Ex Anthrax Sänger John Bush ein, die meilenweit davon entfernt sind.
      Und DRI nehmen sich und ihre Musik nun wirklich nicht ernst.

    • Vor 5 Monaten

      Dieser Kommentar wurde vor 5 Monaten durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Monaten

      Nun ja, also daß primär Teenager bedient werden sollen, weil sie ähnlich manipulierbar wie Kinder sind, aber im Gegensatz zu ihnen über Geld verfügen, ist wohl einer der ältesten Hüte im Musikgeschäft. Da habe ich grundsätzlich schon mal eine große Skepsis bei Musik, die für Teens geschrieben wurde - gerade wenn sie nicht von Teens geschrieben wurde. Ich verweise da wieder an Pixar, die ihre Knete mit den offensichtlichsten Emotionshappen verdienen. Ich habe den großen Verdacht, weder Regisseure noch Animationskünstler haben wirklich Herzblut für das, was sie erzählen. Die Produzentenriege darüber habe ich auch stark im Verdacht, ihr Publikum zu verabscheuen.
      Wenn Bands dann außerdem nicht den Anschein machen, besonders involviert zu sein, habe ich schon mal grundsätzlich keinen Bock drauf. So viel erst mal dazu.

      Ich stand definitiv auch auf beschissene Musik mit 15-16. Halt so überdramatische, billige Scheiße, die quasi null mit erlebtem Gefühl zu tun hat, sondern noch den aufgedrehten Teil bedient, den man noch aus Kinderzeiten mit sich trägt.

      Und gleichzeitig sind Teens längst nicht so grunddumm wie sie von vielen Produzenten gehalten werden. Sie sind auch für komplexere Kunst empfänglich. Und deswegen will ich keinen geldgierigen, unmotivierten Bockmist mit der angeblichen Doofheit der Zielgruppe entschuldigen.

      Um Deine 2. Frage zu beantworten: Sie sollen gar nicht erst paternalistisch wie Teenager behandelt werden. Sie müssen nicht pädagogisch wo "abgeholt" werden. Sie sind in der Lage, widersprüchliche, sehr aufgeladene, schwer erklärbare Werke zu genießen. Und wenn sie keinen Bock darauf haben, sollen sie selbst Kunst machen, aus der sie dann innerhalb weniger Jahre wieder hinausgewachsen sein werden(!). Sie brauchen keine manipulierten Charts/Stats, keine millionenschweren Kampagnen. So sehr leider bei vielen Teeniestars wie Olivia Rodrigo, Billie Eilish usw. noch weiße alte Männer im Hintergrund stehen - so meine ich trotzdem, daß der Wind sich gedreht hat, und Kids jetzt selbstbewußter selber die Kunst machen, statt sie nur zu konsumieren.

    • Vor 5 Monaten

      @Ragi
      „Und gleichzeitig sind Teens längst nicht so grunddumm wie sie von vielen Produzenten gehalten werden. Sie sind auch für komplexere Kunst empfänglich. Und deswegen will ich keinen geldgierigen, unmotivierten Bockmist mit der angeblichen Doofheit der Zielgruppe entschuldigen.“

      Gefällt mir sehr, dein Statement.

      Interessieren würde mich aber schon, welche Art von Musik das war, die du mit 15/16 gehört und als „beschissen“ deklassiert hast.
      Denke eigentlich schon, dass man in diesem Alter zumindest richtungsweisend seinen Geschmack begründet.
      Außerdem gibt es nicht wenige Jugendliche, die mit „gelebten Gefühlen“ nicht nur freiwillig mehr als genug in Berührung gekommen sind. Glaub mir.

    • Vor 5 Monaten

      Solange die Songs geil sind, wie bei Eilish, Rodrigo oder Swift, besteht kein Bedarf an "komplexer Kunst". Ich hoffe jedenfalls nicht, dass die mal so wie ihr werdet und Musik hören, um sich Distinktionsgewinne zu verschaffen.

    • Vor 5 Monaten

      @giz: Ich war in dem Alter bei Christina Aguilera, D12, dann hatte ich n paar ältere Hip-Hop-Scheiben herausgekramt, Robbie Williams... Eben der Mainstream-Bockmist aus der Zeit. Okay, da war jetzt nicht alles der totale Müll - ein, zwei gute Ausreißer wurde den Künstlern da schon vorkomponiert. Und ich meine, Fatboy Slim oder RATM fand ich damals ganz knorke. Aber meine Teenagerzeit war eher eine Ausnahme, nicht prägend. Prägend für mich waren tatsächlich eher Künstler, die ich im frühesten Kindesalter schon gehört hatte.

      Natürlich berichte ich da so subjektiv wie jeder Andere. Aber abseits von dem auslaufenden Pop-Rock-Mainstream suchten definitiv alle auch ihre nischigen, anregenderen Bands und Bücher. Ein Klassenkamerad lieh mir "Die Brüder Karamasow", und das hatten wir wirklich verschlungen. Und aus diesen Erfahrungen heraus würde ich nie unterschreiben, man konsumiere in dem Alter vor allem Wegwerfkultur. Damals wie heute ist es irgendwie lahm, wenn Musiker quasi schemenhaft nach Zielgruppenforschung ihre Musik und ihr Image von Produzenten vorgesetzt werden. Und es ist nur unbedeutend besser, wenn Produzenten (vermeintlich!) heute nicht mehr ganz so viel zu sagen haben.
      Gerade wenn "gelebte Gefühle" da sind, dann ist auch das Potenzial zur Tiefe da. Dann ist die Frage, ob man mit einem Werk eine Katharsis, eine Linderung oder Verständnis erleben, oder sich wie die Nachkriegsgeneration mit Befindlichkeitsmusik betäuben will.

      Ey, C4, wenn wir nicht distinguieren wollen, dann können wir den Amigos selbstverständlich genauso die 5 Sterne geben wie dem Kendrick. Ich finde, die Möglichkeit, Bauernfängerei ungeil zu finden, darf man sich ruhig erhalten.

    • Vor 5 Monaten

      @Ragi
      Danke für deine ausführliche Info.
      Bin da voll dabei und man kann nur hoffen, dass Produzenten wirklich immer weniger am Ruder drehen. Sehe da zumindest in einigen Bereichen schon auch eine Entwicklung.
      Sehr interessant finde ich die Parallelen „Erlebtes“ und „Hörgewohnheiten“.
      Habe nie so richtig kapiert, wie sich manche ein Leben lang nur an ein Genre binden und sich sogar davon bedroht fühlen oder verängstigt reagieren, wenn mal andere Töne ins Gehör dringen. Seltsam.
      Gibt doch nichts schöneres, als mal Neues zu entdecken und über den Tellerrand hinauszublicken.

    • Vor 5 Monaten

      Danke Dir auch, giz! Da biste mMn. vorbildlich für alle, aber auch für mich ziemlich vorbildlich, wenn Du lieber mal nachfragst als direkt in den Kampf zu gehen. Wohlwollendes Lesen und so :)

    • Vor 5 Monaten

      Lieber giz-Verrückter, es tut mir leid, wenn ich Phil, John und dir mit meinem, durchaus nicht allzu ernst gemeinten, Kommentar zu nahe getreten bin :)

      Ich wollte eigentlich nur zum Ausdruck bringen, dass ich in Hiteeks Beitrag eine gewisse Komik zu erkennen meinte, da er zunächst recht global vielen Metalbands die Eigenschaft zuwies, sich übermäßig ernst zu nehmen, dann aber zwei Subgenres für sich persönlich davon ausnahm, die zumindest mir bislang nicht so vorkamen, als hätten sie sich als zentrales Element ihrer Kunst den Humor und das Augenzwinkern über sich selbst auf die Fahne geschrieben, was mir dann insgesamt einfach super random erschien :D

      Ich gebe aber gern zu, dass meine Wortwahl da sicher stark verallgemeinernd war und nicht ernsthaft differenzierte zwischen verschiedenen Vertretern der entsprechenden Sparte und ihrem jeweiligen Level an Humorbegabung. Da sollte man selbstverständlich sauberer vorgehen, als ich es tat und pauschale Aussagen vermeiden, wo es nur geht - Über sowas macht man wirklich keine Witze!

    • Vor 5 Monaten

      Lieber Zornismus, ich danke dir für deine ausführlichen Reaktionen auf meine Fragen und entnehme dem Umfang, der Ernsthaftigkeit und der Emotionalität ( ;) ) deiner Beiträge, dass dir der Themenkomplex am Herzen liegt und Du da auch über verschiedene Aspekte schon viel nachgedacht hast.

      Allein - ich persönlich fühle mich leider von dir weiterhin nicht so recht "abgeholt". Ich habe nämlich immer noch den Eindruck, dass Du eher andere Fragen beantwortet hast, als die, die ich stellte: Vom "modernen Metal", dem Du im Ausgangspost absprachst, mit der Zeit zu gehen und Gefühle zu zeigen, während er stattdessen eher "dummen Teenagerpathos" kreire, kamst Du recht schnell zu Musik- und Filmproduzenten, die ggf. in ihrem Streben nach Profitmaximierung die Zielgruppe der Teenager für weniger kunstinteressiert oder gar fähig zur Kunstrezeption halten.

      Das ist selbstverständlich widerlich, wenn es so ist. Und auch dumm. Und natürlich sehr, sehr schade.

      Aber macht es diesen "modernen Metal" aus, diesen mysteriösen?

      Und warum ist Teenagerpathos denn nun so "dumm" - mal unabhängig davon, ob den ein Produzententeam für eine Band komponiert hat oder die Schülerband, die noch nie mit einem Label Kontakt hatte, in ihrem Übungskeller?

      Ich empfinde das als ein mehr oder weniger genau so paternalistisches wie Teenager behandeln, wenn Du so Begriffe wie "überdramatische, billige Scheiße" oder "beschissene Musik" für entsprechende Songs nutzt. Stell dir mal vor, das hätte dir damals irgendsoein Ü40er erzählt über die Songs von Christina oder Robbie, die Du x-mal am Tag hörst, weil sie deiner aktuellen Gefühlslage halt entsprechen - völlig egal ob diese Gefühlslage nun widersprüchlich, sehr aufgeladen und schwer erklärbar ist oder einfach nur ein vor Pathos triefendes, diffuses "Papa kommt nie zu meinen Fußballspielen und deshalb bin ich der einsamste Mensch der Welt". Ich denke, es gibt doch beides. Und alles dazwischen. Und alles ist (zumindest in dem Moment) auch echt :)

    • Vor 5 Monaten

      Ja, modernen Metal macht es meiner Erfahrung nach aus, sehr konventionell zu sein, sich an die Vorgaben vermeintlicher Zielgruppenerwartungen oder Labelwünschen zu halten. Daher kommen mMn. die berüchtigten Quantisierungs-, Autotune-, steril EQten Sounds und Songs, die aus der Hochzeit des Nu Metal, dem zeitlichen Gipfel der alten Labeldekadenz stammen. Diese Tendenzen zu kritisieren ist ein ebenso alter, müder Hut wie sie nun mal auch objektiv für den Großteil des "modernen" Mittel wahr sind.

      Die von mir angeführten, leicht konsumierbaren, low hanging fruits von Emotionshäppchen, sind eine Ausprägung davon. "Ey, wir machen jetzt mal einen Song übers 'Sich-nicht-verstanden-Fühlen', dann einen Breakup-Song, dann irgendwas mit Depressionen und so..." Bissl plakativ, aber diese sofort vermarktbare, unterkomplexe Eindeutigkeit zeigt sich auch in den Antworten bei Interviews. Flache Typen schreiben flache Songs (wenn sie sie denn überhaupt schreiben).
      Klar ist jetzt auch nichts Verwerfliches daran, z.B. einen ganz und gar wütenden Song zu schreiben. Aber offensichtlich sind die meisten wütenden Mittel-Songs nicht von gelebter, empfundener Wut getragen, sondern phantasiert.

      So ganz kann ich Deine Frage nicht beantworten, wie Du siehst, sondern mich ihr nur annähern. Das liegt aber auch an der unkonreten Natur der Frage. Ich hoffe aber, Du kriegst eine ungefähr Vorstellung davon, was ich für die Gründe halte, daß Rock und Mittel einfach verflucht unrelevant geworden sind. Da gab es auch im Hip-Hop (bevor er aus ähnlichen Grunden so ähnlich unrelevant wurde wie er heute ist) einfach wesentlich mutigere, fähigere Künstler, die sich entweder musikalisch und inhaltlich aus dem Fenster gelehnt, oder aber in Sachen Gefühlen tatsächlich nackig gemacht haben.

    • Vor 5 Monaten

      Oh, und ja, ich hätte mich vermutlich auch angegriffen gefühlt, wenn damals jemand was gegen meine Bands gesagt hätte. Was ist das Problem daran, sich angegriffen zu fühlen? Heute weiß ich ja, was für einen Müll ich gehört habe. Und bin eigentlich eher dankbar für die Menschen, die aktiv darüber die Nase gerümpft haben. Die haben mich vielleicht schneller vom passiven Konsumopfer und Mitläufer zum aktiven Hörer gemacht, der heute trotzdem die Stärken dieser Guilty Pleasures respektieren kann.

    • Vor 5 Monaten

      Faszinierend, wie viele Worte manche Menschen für ein simples "Gefällt mir nicht" brauchen.

    • Vor 5 Monaten

      Ach komm, TheorieNeun, das ist doch jetzt ein Totschlagargument, mit dem Du nahezu jede Diskussion hier, die sich ausnahmsweise tatsächlich mal um Musik dreht, diskreditieren kannst ;)

    • Vor 5 Monaten

      Danke Rage, dass Du nochmal drauf eingegangen bist. Komme mehr und mehr dahinter, was dich da so umtreibt, sehe einiges ähnlich, anderes ganz anders.

      Halte z. B. Mittel und Rock (nur für mich persönlich jetzt erstmal) für ungebrochen hoch relevant, weil immer wieder ganz wundervoller und auch tief emotionaler Musikgenuss. Lass mal zusammen aufs Freak Valley Festival gehen nächstes Jahr! ;)

      Ansonsten ab jetzt konsequent nur noch "Mittel" statt "Metal", sollte klar sein.

    • Vor 5 Monaten

      Duri, das war lediglich eine Feststellung. Ihr dürft gerne weiter diskutieren.

    • Vor 5 Monaten

      Duri, ich feiere ab und an auch mal ein paar Acts aus dem Bereich. Würde da schon zwischen "Relevanz" mit viele neue Hörer findendem Mainstream-Appeal, und persönlicher "Relevanz" unterscheiden, aber das wirste mit Sicherheit auch tun.

      Bin nicht mehr in meiner Festival-Phase, aber das hatte vor allem mit Entwicklungen meinet Lieblingsfestivals zu tun. Freak Valley kenne ich noch nicht, und wird ausgecheckt :)

    • Vor 5 Monaten

      Klar, die Unterscheidung ist auf jeden Fall nötig!

      Was war dein Lieblingsfestival und wie hat es sich entwickelt?

      Freak Valley auf jeden Fall checken, es ist ganz wundervoll dort: Entspannte Menschen kommen zusammen, genießen bisschen nischige Musik, tauschen sich aus und alles ist immer super friedlich - also im Grunde wie hier, nur schön :D

  • Vor 6 Monaten

    Starker AOTY Kandidat 5/5 natürlich für alles von Alcest

  • Vor 6 Monaten

    Ok, bin jetzt erst einmal komplett durch und muss auch zugeben, dass ich währenddessen zunehmend unter den Einfluss geriet, aber meine Güte, was ein Ritt!

    War anfangs bisschen überfordert die ersten beiden Tracks durch... Waren mir teilweise regelrecht zu... fröhlich?! Kam mir seltsam vor.

    Aber Améthyste hat mich dann richtig abgeholt und kam mir am ehesten so vor - vong Stimmung und Atmosphäre her - wie das Album von 2019, das ich richtig liebe. Favorite Track im Moment für mich.

    L'Enfant de la Lune dann auch nochmal ein echtes Highlight.

    Bin gespannt, wie sich das mit weiteren Höhedurchgängen entwickelt, aber Potenzial ist da :)