laut.de-Kritik
Meisterwerke des wohltemperierten Größenwahns.
Review von Magnus HesseDie Texaner um Conrad Keely wissen, wie man mit der Brechstange umgeht und prog-gewaltige Rockbretter aus den Boxen presst. In der Vergangenheit haben sie aber bewiesen, dass da keine Grobmotoriker hinter den Instrumenten stehen und planten das Chaos stets detailgetreu. Während ihrer 20-jährigen Bandhistorie oszillierte der immer schon epische Rock in verschiedener Besetzung zwischen Postcore und Punk-Allüren.
So allumfassend wie auf "IX" klang das Quartett schon lange nicht mehr. Der neunte Wurf soll sich laut Keely allerdings namentlich einzig auf einen Planeten aus Frank Herberts Roman "Dune" beziehen. Den Maya-Mythos im Bandnamen hält man sich gerne kryptisch. Ganz anders da die punktgenauen musikalischen Fabrikate.
Heimlicher Held der Scheibe ist das Schlagzeug von Jamie Miller, das nicht nur brilliant abgemischt martialisch schnarrt, sondern tief donnernd das ausufernde Gitarren-Tohuwabohu aus der Tiefe kommend unterbaut. Gefühlte 15 Toms rollen einem da im letzten Kapitel der Platte in "Sound Of The Silk" aus allen Richtungen entgegen, doch auch die zischenden Becken-Aufgüsse haben es in sich. Und plötzlich steht man inmitten einer tanzenden Meute auf einem baltischen Dorffest, umgeben von Buschtrommeln. Wahnwitzig aber keinesfalls ohne Konzept.
In den okkulten Monumentalsound, den sich die Band auch auf IX bewahrt, mischen sich auch postpunkige Riffs. "Lie Without a Liar" hat echtes Mitgröl-Potential und klingt in der Strophe ein bisschen wie Die Toten Hosen, wäre da nicht diese Bridge, die den abgesteckten Rahmen mittels eines apokalyptisch schrillen Gitarreninfernos beherzt zerbersten lässt.
Im Auge des Sturms verweilt "The Ghost Within", das Fill-Ins aus dem Ärmel schüttelt und mit Klavier und gesanglicher Brachialität eine echte Pop-Hymne abgibt. Wenn man denkt, diese Band könne gar nicht anders, als kolossal klingen, schneit mit "The Dragonfly Queen" eine so sanfte Brise herein, dass man fast wartet, bis Chris Martin anfängt, "We live in a beautifeul world" anzustimmen.
"Bus Lines" packt irgendwie die schizophrene Sanftmütigkeit von My Bloody Valentine und die nu-metallige Mystik der Deftones unter einen Hut. Das kontrapunktische Anrennen, das TOD so gerne praktizieren, erschöpft sich schließlich in einer Soundwall aller erster Postrock-Güte.
Insgesamt scheuen TOD keine Kontraste. Die shoegazigen Gitarretexturen klingen flüssig und auch die einzelnen Nummern fließen ineinander, könnten aber dennoch kaum heterogener ausfallen.
Das instrumentelle, mit Streichern arrangierte "Like Summer Tempests Came His Tears" klingt wie das vertonte keltische Märchen hinter dem Bilderbuch-Artwork und wird aus dem wohl krawalligsten Berserker "Lost In The Grand Scheme" geboren. Die fast kammerhafte Orchestrierung erinnert an das Streicher-Pendant auf "Worlds Apart". Das fast eine Dekade zurückliegende Album klopft auch in Sachen Hittauglichkeit immer mal wieder an.
Denn man stolpert nicht beim Hören von "IX", auch wenn das Album alles andere als leicht verdauliche Kost bereit hält. Voller Wucht grätschen die proggigen Passagen nie zu gewaltsam in die trotz allem eingängigen Songstrukturen. Die Band mit dem Hang zum wohltemperierten Größenwahn macht auf "IX" das, was sie am besten kann.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Gute Review, der ich nichts hinzuzufügen habe, der letzte Absatz trifft den Nagel auf den Kopf.
So ziemlich. Hatte bis jetzt aber auch nur zwei Durchläufe und denk dasses noch wächst. Die zwei instrumentalen Sachen, Bus Lines und Grand Scheme Bisher. Wenn se ihre Hand für die Hymne auspielen, find ich Trail of Dead immer am Besten.
Ja, Grand Scheme und die Gitarren von Lie Without A Liar sind bisher meine Höhepunkte.
Ob's noch wächst? Die Eingängigkeit spricht etwas dagegen, aber bei dem Grundniveau auch nicht notwendig.
Der ganz große Wurf ist es für mich nicht geworden, es ist sehr stark, aber nicht perfekt, dafür sind Jaded Apostels, Dragonfly Queen oder Like Summer Tempest...relativ schwach und ohne Mehrwert für das Album. Doomsday Book, Ghost Within und Sound of the Silk (Ideen-Überfluss in gerade mal 5 Minuten) und das Deluxe-Bonus-Instrumental sind die Highlights. Insgesamt fühlt sich das Album kürzer an als es ist, ein bisschen mehr Jason Reece hätte ich mir nur gewünscht.