laut.de-Kritik

Can't stop rasta. Warum auch?

Review von

Die Zusammenarbeit zwischen Anthony B. und Produzent Frenchie hat sich bewährt. Schon zum vierten Mal treten die beiden auf Longplayerlänge gemeinsam an. Sollte "Rise Up" Schule machen, dürfen wir uns auf ein äußerst viel versprechendes Roots Reggae-Jahr einstellen.

Irreführung gehört nicht zu Anthony B.s Repertoire. Schon der Einstieg weist unmissverständlich die Richtung vor. Zu den warmen Klängen einer akustischen Gitarre stimmt er besinnliche Töne an. Sein Gesang verknüpft die traditionellen Wurzeln der Melodien mit spirituellen Inhalten: ein Brückenschlag zwischen Himmel und Erde.

Dieser Fähigkeit wegen schleicht sich bei mir gegenüber religiös bewegten Zeitgenossen manchmal leiser Neid ein. Es kann nicht ganz unangenehm sein, sich von einer höheren Macht behütet zu wissen, die zugleich als stetig sprudelnde Inspirationsquelle dient. Anthony B. erscheint demzufolge durchgehend entspannt, stellenweise wahrhaftig beseelt.

Die Stetigkeit besitzt aber auch eine Kehrseite: Wie auf den meisten Conscious Reggae-Veröffentlichungen bewegt sich die Themenwahl in einem eng begrenzten und über die Dekaden auch bereits ausgiebig beackertem Feld. Der Ruf nach Emanzipation von "mental slavery" erschallt, wie die Forderung "Africa must be free", nun wahrhaftig nicht zum ersten Mal.

Andererseits: Solange offene Fragen ihrer Beantwortung, bestehende Probleme ihrer Beseitigung harren, muss man sie auch stellen dürfen, muss man sich mit den Tatsachen konfrontieren lassen. Dem Gefühl des tausendfach Gehörten begegnen Anthony B. und Frenchie mit fesselnden, zuweilen ungewohnten Instrumentierungen.

In "Better Hafi Come" grüßen dicke Trommeln in Richtung des Schwarzen Kontinents. Die dunkle, orientalisch durchwirkte Atmosphäre des "Old Spot Herb Shop" umfängt einen vollständig und gerät zu einer überaus intensiven Erfahrung. "Where Is The Black Man Rights?" verleiht ein getragenes Piano die angemessene Würde.

Neben den allgegenwärtigen Lobpreisungen mit den immer gleichen Adressaten (abwechselnd Jah, Selassie und das göttliche Kraut), geht Anthony B. durchaus mit der Zeit und befasst sich mit Themen wie Diskriminierung oder - im mahnenden, Orgel-lastigen "Be Wise" - mit der grassierenden Zerstörung der Umwelt. Der Wandel jedoch vollzieht sich schleichend. Selbst das im Titeltrack besungene "Rise Up" scheint in Zeitlupe vonstatten zu gehen.

Schade, dass sich der Sänger oft schlicht durch fehlendes Tempo selbst den Wind aus den Segeln nimmt. Die Stellen, an denen er aufdreht und seiner Energie freien Lauf lässt, sind leider dünn gesät.

Dafür sorgt Anthony B. im Kreise von Veteranen wie Horace Andy, Sly & Robbie oder der Firehouse Crew musikalisch für allerlei Abwechslung. Fröhlich hüpft "Give Thanks For Life" dahin, während in "Weeping Willow" ein Kopfkissen im Tränenstrom ertrinkt.

Ob mit quäkender Melodica oder "in a rub-a-dub-style", an einer Sache hegt am Ende von "Rise Up" wohl niemand mehr Zweifel: "Can't stop rasta." Warum auch?

Trackliste

  1. 1. Rise Up Intro
  2. 2. Better Hafi Come feat. Chezidek
  3. 3. Nothing But The Highest
  4. 4. Iley, Iley, Iley Iley Selassie I
  5. 5. Stop Fight Reggae
  6. 6. Where Is The Black Man Rights?
  7. 7. Enter The Kingdom Of Zion feat. Horace Andy
  8. 8. On Spot Herb Shop
  9. 9. Rise Again
  10. 10. The Place Too Red
  11. 11. Give Thanks For Life
  12. 12. Be Wise feat. Lukie D
  13. 13. Jah Jah Only
  14. 14. Weeping Willow

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