laut.de-Kritik
So klingt es, wenn eine Band ihre Inspiration wiederfindet.
Review von Olaf SchmidtAnthrax müssen finanziell ganz gut im Geschäft sein. Anders lassen sich die großen Abstände zwischen den Veröffentlichungen nicht erklären. Drei Alben in dreizehn Jahren, das ist wahrlich nicht viel.
Seit der letzten Platte "Worship Music" sind auch schon wieder viereinhalb Lenze ins Land gezogen. In der Vergangenheit hätten die Thrasher aus New York in dieser Zeit drei neue Sänger ausprobiert und fünf öffentliche Streitigkeiten darüber ausgetragen. Aber nein, Goldkehlchen Joey Belladonna steht weiterhin am Mikrofon und sorgt offenbar für eine neu gefundene kreative Konstanz.
War "Worship Music" schon ein gutes Album, legen die Ostküstler mit "For All Kings" ein echtes Brett vor. Japp, das Ding überzeugt noch mehr als sein Vorgänger. So klingt es, wenn eine Band ihre Inspiration wiederfindet. Nicht, dass Anthrax massenweise Gurken-Alben in ihrer Diskografie hätten, aber die Qualität war nicht immer gleichbleibend hoch.
Anders hier: Alle Songs strotzen vor Spielfreude und schaffen den Spagat zwischen den melodischeren Kompositionen der John-Bush-Phase und den flinken Thrash-Hackteilchen aus den 80ern. Euer bescheidener Schreibdiener kann sich nicht erinnern, wann er ein Album zuletzt so auf Dauerrotation hatte.
Vielleicht liegt es an der Klammer: "You Gotta Believe" könnte nicht besser in die Platte hineinführen, "Zero Tolerance" nicht perfekter wieder heraus. Überhaupt gehört letztgenannter Song zu den besten Aufnahmen, die die Ostküstler jemals aus dem Ärmel geschüttelt haben. Umpta-Umpta-Gekloppe, und ab dafür! Textlich noch nie um Kommentare zu sozialen Themen verlegen, beziehen Anthrax eindeutig Stellung: "Zero tolerance for extremism / In the name of religion / zero tolerance for racial hate / the police state."
Einzelne Nummern herauszugreifen, fällt fast schwer. Unter dringendem Highlight-Verdacht steht "Breathing Lightning" mit einem Refrain, der sich hartnäckig im Kopf festsetzt. Anthrax wissen, wie man einen Song mit unterschiedlichen Teilen spannend gestaltet. "You always have the chance to do the right thing / Until the right thing comes undone / With a thunderclap I'm breathin lightning", trällert Belladonna in hörbar herausstechender Verfassung, bevor am Ende gar lieblich tönende Schalmeien einsetzen, und das Stück in himmlische Sphären davon driftet. In eine ähnliche Kerbe schlägt "Blood Eagle Wings": mehrere Parts, unterschiedliche Geschwindigkeiten, starker Chorus.
In "Defend Avenge" schmeißt Scott Ian eins seiner urtypischen "Ich komm ordentlich auf dem Griffbrett rum"-Riffs in die Manege. Bassist Frank Bello bekommt etwas Raum und zeigt mit herrlich drahtseiligem Sound, wie ein Metal-Bass zu klingen hat. Solches hatten Anthrax lange nicht mehr im Angebot, Daumen hoch. "All Of Them Thieves" im direkten Anschluss ist auch sehr lecker, aber das ganze Album fließt eh nahtlos durch. Ganz großes Tennis, was diese Band im 35. Jahr ihres Bestehens da aus dem Hut zaubert.
Ein ganz besonders großes Lob gilt der Produktion von Jay Ruston. Na bitte, es geht doch: professionell und knackig, dabei trotzdem nicht so glattpoliert und totkomprimiert wie viele Metalplatten der letzten zehn Jahre. (Andy Sneap, Sie werden dringend gebeten, das Gelände zu verlassen.) Vor allem Schlagzeugsound beherrscht Herr Ruston. Die Snare besitzt ordentlich Punch, klingt aber weiterhin wie eine Snare, die Bass Drum ebenfalls.
Dass die Saiteninstrumente gut und hervorragend unterscheidbar tönen, setzt dem Ganzen ein Sahnehäubchen auf. Fein, fein. Und demnächst erscheint die neue Metal Church, die in die gleiche Kerbe schlägt. Nicht von Ruston produziert zwar, aber: Sollte da endlich der Umdenkprozess einsetzen, den die Metalszene so dringend benötigt? Stay tuned.
5 Kommentare mit 3 Antworten
Völlig übertriebene Lobhudelei.
total gut
""Zero tolerance for extremism / In the name of religion / zero tolerance for racial hate / the police state."
Geiles Teil! Da kann Megadave nur noch einpacken.
Mitnichten. "Dystopia" macht diese Rentnerplatte von Anthrax im Vorbeigehen platt
Dystopia ist mein Lieblings Megadeth Album. Für mich ein Meisterwerk, während dem ich mit anthrax nicht allzu viel anfangen kann.
Dystopia ist mein Lieblings Megadeth Album. Für mich ein Meisterwerk, während dem ich mit anthrax nicht allzu viel anfangen kann.
Ach Scheiße, irgendwie funktionieren Anthrax bei mir nicht mehr. Das Einzige, was ich an der Band noch geil finde, ist der Bandname. Und Scott Ian's fusseligen Kinnbart. Aber das sind alles nur Oberflächigkeiten.