laut.de-Kritik

Indie-Folk - zahnlos und unentschlossen.

Review von

2015 beschlossen Mumford & Sons anlässlich des dritten Albums nicht noch mal das Debüt wiederzukäuen, sondern das Banjo an den Nagel zu hängen und sich den E-Gitarren und Synthesizern zu öffnen. Doch Marcus Mumford und seine Kollegen hatten keine Ahnung, wie man einen packenden Stadionrocksong schreibt: "Wilder Mind" wurde zur handzahmen Alibi-Rock-Revue.

Man hätte als Indie-Folk-Band daraus lernen können: einfach seinen Kernkompetenzen treu bleiben oder sich zumindest ein schlüssiges Konzept zu überlegen, wie eine Entwicklung des eigenen Klangbilds funktionieren könnte. Nun wollen auch die Augustines mit ihrem Drittling hörbar aus bekannten Mustern ausbrechen - und man ist zunächst sogar gewillt, diesen Wandel mitzugehen.

Grund dafür ist die Entschlossenheit, mit der der Opener "Are We Alive" nach vorne prescht: Hemdsärmel hochgekrempelt, die Faust in der Luft, die Kehle heiser. Doch die verzerrte E-Gitarre, die treibenden Drums, die Handclaps und emphatischen Gruppenvocals führen aufs Glatteis.

Im weiteren Verlauf erweist sich "This Is Your Life" als zahnlose Angelegenheit, die Streicher, Drumcomputer und elektronische Einsprengsel in der Hoffnung zusammenträgt, irgendwie würde sich aus der Mischung schon etwas Aufregendes ergeben. Tatsächlich klingen die meisten Stücke so, als hätte die Band sich allerlei neues Equipment gekauft, aber noch nicht so recht verstanden, wie sich das alles schlüssig zusammenfügen lässt.

Mögliche Strategien, etwa das schlagereske "When Things Fall Apart", scheitern an der Behäbigkeit des monotonen Schlagzeugs, käsigen Synthesizer-Flächen und einer Gitarre, die stark an die Flippers erinnert. Als problematisch erweist sich auch Billy McCarthys Stimme.

War sie auf den beiden Vorgängern noch in melancholischen Breitwandfolk eingegliedert, wirkt sie hier oft deplatziert, wenn sich der Sound der Augustines nicht recht zwischen unbekümmerter Euphorie und Wehmut entscheiden kann. Etliche Songs treten unentschlossen auf der Stelle: Die schwelenden Synthiestreicher in "Running In Places" deuten permanent auf einen großen Knall hin, den die Band jedoch kategorisch verweigert.

Lichtblicke finden sich nur in den Momenten, in denen auf Experimente verzichtet wird. "Landmine" bietet zwar keinen kreativen Höhenflug, gemahnt mit reduzierter Instrumentierung aber zumindest daran, dass die Band durchaus in der Lage ist, große Gefühle in Szene zu setzen. Später knüpfen sie sogar an den stürmischen Start an, wenn in "No Need To Explain" das Tempo wieder anzieht oder der Titeltrack mit dramaturgisch schlüssigem Songwriting auffällt.

Doch bis "This Is Your Life" sich diesem Niveau wieder nähert, ist es zu spät: Wer gehört hat, wie die Band das spannende Riff von "Hold Me Loneliness" gegen Effekthascherei und eine überkonstruierte Hook eintauscht, das absolut unspektakuläre "May You Be Well" auf nahezu fünf Minuten auswalzt oder das Finale mit irrlichternden Synthesizern allzu bemüht in Richtung Festivalhauptbühne schielt, kann die guten Momente der Platte höchstens als Schadensbegrenzung bezeichnen.

So löblich der Wille zur Weiterentwicklung ist: In diesem Fall wäre die langweilig solide Wiederholung der eigenen Vergangenheit die bessere Wahl gewesen.

Trackliste

  1. 1. Are We Alive
  2. 2. When Things Fall Apart
  3. 3. The Forgotten Way Revised
  4. 4. Running In Place
  5. 5. May You Keep Well
  6. 6. Landmine
  7. 7. Hold Me Loneliness
  8. 8. No Need To Explain
  9. 9. This Is Your Life
  10. 10. Days Roll By

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2 Kommentare

  • Vor 7 Jahren

    Auch als großer Fan muss ich sagen, dass das Album leider auch nach mehrmaligem hören nur Durchschnitt ist! Die beiden Vorgänger sind deutlich stimmungsvoller. Für meinen Geschmack enthalten die Songs viel zu viel (unnötigen) Computersound.

    Aber: Wenn sie die Knaller "Landmine", "Are We Alive" und "This is your life" mit in ihr ohnehin geiles Liveprogramm mit aufnehmen, kann man sich nur wieder auf die Auftritte freuen!