laut.de-Kritik
Gestrandet auf Tahiti.
Review von Sven KabelitzEgal, welchen Plan du auch haben magst, das Leben findet einen eigenen. Manchmal stellen sich die Dinge, zu denen es dich zwingt, als Glücksfall heraus. So erging es Ayo.. Als sie 2021 für Auftritte nach Tahiti reist, denkt sie sicher nicht daran, dort die nächsten fünf Monate zu verbringen.
Mitten in der Promophase für "Royal" setzte sie Corona und der damalige Lockdown fest. Auf der größten Insel Französisch-Polynesiens gestrandet, findet die Musikerin außer der Liebe für Land und Leute auch die für das Meer und Surfen. Diese bestimmen nun ihr siebtes Album.
Draußen auf den Wellen fügten sich Ayọ.s zwei Leben zusammen: die Musik und der Ozean. Frauenschicksale stehen im Mittelpunkt der Texte ihrer neuen Lieder. Und nur logisch, dass sie das Album nach der afrikanische Göttin des Meeres benennt: "Mami Wata". In Darstellungen sieht man diese meist als eine Art Meerjungfrau. Halb Frau, halb Fisch.
Die gute Nachricht: Bei diesem Konzept hätte die 44-jährige Joy Olasunmibo Ogunmakin ihre Songs ohne weiteres mit Meeresrauschen unterlegen können. Zum Leidwesen der Freunde der Nachvertonung - aber zu unserem Glück - verzichtet sie auf solch plumpe Plattitüden. Stattdessen stehen Akustikgitarre und ihre ebenso sanfte wie eindringliche Stimme im Zentrum des Longplayers.
Hinzu kommen die beiden französischen Pianisten Gael Rakotondrabe und Vincent Bidal, die mehr rhythmisch als melodisch arbeiten. Cello, Geige und Mandoline ergänzen das Bild dezent. Insgesamt entsteht Ayo.s bisher komplettestes Werk.
Das behagliche Klangbild des Openers "Love Song", das perfekt auf den weiteren Verlauf des Albums vorbereitet, führt dabei auf eine falsche Fährte: Textlich handelt das Stück von Gewalt gegen Frauen. Anlass dazu gab die gestiegene häusliche und psychische Gewalt während der Lockdowns. Die Singer/Songwriterin versucht auf diesem Weg, den betroffenen Frauen Mut zuzusprechen.
Das eindringliche, weitaus traurigere und mit wie zu einer Exekution aufrufenden Trommeln beginnende "Woman" widmet sich den Frauen im Iran, die sich nach dem Mord an Mahsa Amini gegen das Regime stellten. Am Ende singt Ayo. die Namen der weiblichen Todesopfer.
18 Jahre nach ihrem Hit "Down On My Knees" ("Joyful") veröffentlicht Ayo. mit dem melancholischen "Mami Wata" ein ungemein intensives und einnehmendes Album. Trotz einiger wenigen Längen fesselt sie mit ihren ruhigen, aus Soul, Jazz, Folk und einer kleinen Portion Hip Hop aufkeimenden Songs und den zurückgenommen dezenten Arrangements über die komplette Spielzeit.
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