laut.de-Kritik

Panoramablick durch die grüne Brille.

Review von

Wer hat das Gras weggeraucht? Eingeweihte kennen die Antwort schon mindestens seit 2002. Viel interessanter erscheint da eine ganz andere Frage: Warum muss B-Tight jetzt wieder die ollen Kamellen aus dem Hut ziehen? Ein ganzes Album übers Kiffen - ehrlich jetzt?

Ich dachte eigentlich, wir haben inzwischen alle miteinander ein Alter erreicht, in dem man zwar immer noch einen (oder zwei oder viele oder auch keinen) durchziehen kann, aber nicht mehr unentwegt darüber reden muss. Offenbar hab' ich mir da einen Bären aufbinden lassen. B-Tight jedenfalls, "So High", inszeniert sich ausgesprochen ausdauernd als "Bob Der Baumeister".

Seine "Spliffpolitik" erschöpft sich jedoch darin, von der angeblichen Gleichgültigkeit über alberne Giggelei bis zum Fressflash ein Kifferklischee nach dem anderen zu bemühen. Am Ende - man ist ja mittlerweile gescheiter als früher, zudem Familienvater mit Verantwortung - mit "Gift" noch schnell einen kritischen Song hinterhergeschoben, der auch die negativen Seiten exzessiven Graskonsums ausleuchtet, fertig ist das 360-Grad-Panorama, aufgenommen durch die grüne Brille.

Dass ich B-Tight jemals ähnliche Gefühle entgegenbringen könnte wie Sasha, hätte mir vor ein paar Jahren auch keiner erzählen dürfen. Jetzt haben wir die Grütze: elend sympathischer Typ, noch dazu mit herzschmelzendem Markenzeichen-Lächeln, und seine Platte trotzdem eher so möööh. Menno. Es lässt sich aber trotzdem nicht schönreden: "Wer Hat Das Gras Weggeraucht" hat inhaltlich wie musikalisch verdammt wenig zu bieten.

B-Tight erzählt von Rauchen, vom Feiern und vom Muckemachen, das idealerweise alles zugleich und "Auf Tour". An der ironischen Überspanntheit seiner Bühnenperson lässt er, ganz "Übertreiber", keinen Zweifel. Deswegen wirken die Neureichen-Stereotypen aus "Rich Kids" aus seinem Mund auch um Welten erträglicher, als wenn etwa ein Kay One in vollem Bierernst genau dasselbe verzapft. Viel mehr Unterhaltungswert gibt das Augenzwinkern dem Gerede vom Sportwagen- und Yachtfahren aber auch nicht mit auf den Weg.

B-Tight wirkt keineswegs beschränkt oder gleichgültig. Statt dessen gibt er sich "So Wie Du", reflektiert ständig die Prioritäten, die er in seinem Leben setzt, und formuliert seine vielleicht nicht gerade originellen, aber doch mehr als nachvollziehbaren "Wünsche". Blöd nur, dass seine Gedankengänge - zumindest die, die er auf dieser Platte ausbreitet - immer nur an der Oberfläche entlang schrammen und nirgends in die Tiefe gehen. Das mag zum Konzept passen, langweilt auf Albumlänge aber trotzdem kolossal.

Seinen einzigen Vers, der mir nicht komplett absehbar vorkommt, versteckt B-Tight in "Mörder" hinter einem Frauenarzt-Part, der dagegen wieder haargenau das bietet, das allein schon der Name des Feauturegastes vermuten lässt. Wer nach dieser pubertären, hohlen Veranstaltung noch bei der Sache ist, hat sich wohl tatsächlich vom Michael Myers-Vibe des Horrorcore-tauglichen Beats fesseln lassen.

Abgesehen davon gibt "Wer Hat Das Gras Weggeraucht" auch im Hinblick auf die Produktionen wenig her. Wuchtige Bässe treffen allüberall auf flache Elektrosounds. Kurz vor Schluss gibts noch zwei auf Drama getrimmte Klavierstücke, und zwischendurch eine winzige melodisch perlende, chillige Atempause in "Spliffpolitik", ansonsten regiert immerfort die gleiche Ästhetik.

Dass B-Tight damit, genau wie mit seinem Vortrag ("Oldschooler, ja, ich find', das flowt cooler") und dem Albumtitel, bewusst an alte Zeiten anknüpft: schon klar. Die erkennbare Absicht dahinter macht das Gebotene aber kein Stück genießbarer. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, das zeigen auch die für die zweite CD exhumierten alten Sekte-Tracks. Netter Service-Gedanke, die endlich einmal offiziell zugänglich zu machen. Wirklich anhören lässt sich das heute allerdings nur noch aus historischem Interesse heraus.

Wenn das wiederum gegeben ist, greife ich doch tausendmal lieber gleich zum Original als zu einem mauen Aufguss wie dem Titeltrack. Hier mischen unter anderem "die Nura", "der Siggi" und dessen Schützling, Straßen-Cro Estikay, mit. Neben dem Gastgeber selbst hinterlassen einzig Bong-Bandit Smoky und "der Plussi" einen anderen Eindruck als "komplett egal".

So, und dann knipst B-Tight wieder sein Strahlemann-Grinsen an, und ich möchte mir selbst für die garstigen Worte ins Gesicht schlagen statt weiter auf diese Platte drauf. Diesem Bobby kannste einfach nicht böse sein. Du kannst aber statt zu "Wer Hat Das Gras Weggeraucht" zu einem der beiden Vorgängeralben greifen. Was sich dringend empfiehlt.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Bob Der Baumeister
  2. 2. So Wie Du
  3. 3. So High 2017
  4. 4. Wer Hat Das Gras Weggeraucht
  5. 5. Spliffpolitik
  6. 6. Jeder Pumpt Es
  7. 7. Übertreiber
  8. 8. Einen Scheiß Wert
  9. 9. Rich Kids
  10. 10. Auf Tour feat. Unoo, Viruz, Beathoavenz
  11. 11. Mörder feat. Frauenarzt
  12. 12. In einer Gegend
  13. 13. Wünsche
  14. 14. Gift

CD 2: Best Of Die Sekte Tapes

  1. 1. Eiswasser
  2. 2. Tessa & B-Tight
  3. 3. Royal TS
  4. 4. Sehr Geil
  5. 5. Sladorama
  6. 6. So High
  7. 7. Open Mic
  8. 8. A Little Story
  9. 9. Dän DänDän Dän
  10. 10. Arbeit
  11. 11. Back In Dissness
  12. 12. Die Quelle
  13. 13. Scheiß Auf Alles
  14. 14. Junkieflows
  15. 15. Du Bist Nicht
  16. 16. Ein Tag
  17. 17. Halt Dein Maul
  18. 18. Yippiekayo

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