laut.de-Kritik
Satt produzierter Katastrophenfilm im Zeitraffer.
Review von Maximilian FritzBaauer, mit "Harlem Shake" seinerzeit für eines der größten musikalischen Internet-Phänomene überhaupt verantwortlich, legt mit "Planet's Mad" sein zweites Album vor. Gleich zwei Planeten fasst der konzeptuelle Rahmen der LP ins Auge, geht es doch darum, wie sich am Himmel über unserer Welt eine neue auftut.
Dass das anfangs entsprechend episch und fast durchgehend wie die musikalische Untermalung des dramaturgischen Höhepunkts eines Sci-Fi-Streifens à la "Independence Day" klingt, kommt nicht gänzlich unerwartet. Insgesamt verdient der Amerikaner mit portugiesischen Wurzeln für diese zehn Tracks aber definitiv Anerkennung.
Dem etwas generischen Opener "Planck" folgt mit dem Titeltrack beispielsweise eine unglaublich satt produzierte Melange aus vermutlich synthetischer E-Gitarre und hektischen Breakbeats, die sich in trügerischer Stille verliert. Baauer wechselt immer wieder gekonnt zwischen Pomp und Dezenz. So auch im hibbeligen "Magic", das mit leicht verstimmten Strings, einem Reggaeton-Sample und wuchtigem Drumming überzeugt.
"Yehoo" fährt von Anfang bis Ende die tribalistische Schiene, klingt mit Vogelgezwitscher, Shouts und seinem Four-To-The-Floor-Beat durchgehend nach hedonistischem Eingeborenen-Rave im Urwald. Die vorgetretenen Pfade durchs Unterholz geht "Pizzawala" mit ähnlich hoher Intensität und noch größerem Aufruhr – die Hi-Hats! – im Klangbild zu Ende.
Spätestens ab der Hälfte des Albums hat sich der Film, der eigentlich vor dem inneren Auge ablaufen sollte, resignierend hinter die omnipräsente Reizüberflutung zurückgezogen. "Reachupdontstop" und "Hot 44" vollziehen die Abkehr vom Konzeptuellen vollends, und es beschleicht einen der Gedanke, dass die ganze Hintergrundgeschichte für Baauer nur als Vehikel dient, um schlussendlich doch sein grelles Ding durchzuziehen.
Weil Musik aber ohnehin Auslegungssache ist und die Hörer*innen daraus machen, was sie wollen, fällt das überhaupt nicht ins Gewicht. So sehr man geneigt ist, Baauer für den "Harlem Shake" alles Schlechte an den Hals zu wünschen, muss man die Seriosität anerkennen, mit der er auf "Planet's Mad" über 40 Minuten verschiedenste Bass-Music- und Hip Hop-Genres durchdekliniert.
Klar, "Aether" nervt mit seinen Skrillexigen Quietsch-Samples – die in gleicher Höhe als Singstimme eh nur bei Scooter cool waren – stellenweise höllisch. Nimmt man dieses Detail aber weg, springt erneut eine Bass-Granate sondergleichen raus.
Das kann man von "Cool One Seven One" eher nicht behaupten, nach sieben bis acht Stücken Tour de Force wirken sich die eigentlich wohltuenden Leerstellen im Klangbild hier als unzureichendes Suchtersatzmittel für die schmerzhaft herbeigesehnte Adrenalinpeitsche aus.
"Remina" zeichnet in unter einer Minute ein Bild vom Ende der Schlacht zwischen den Extraterrestrischen und der Menschheit (den Amerikanern) im Sinne des Katastrophenfilms. Glut regnet herab, das an der Rettung der Welt nicht ganz unschuldige Paar küsst sich.
"Home" ist dann der zuckersüße, bisweilen zahnlose Popsong – ja, die einzige Nummer des Albums mit tatsächlichen Lyrics – für den Abspann, "Group" greift in die Dubstep-, eher schon Brostep-Mottenkiste, verkauft sich aber in bemerkenswerter Weise ebenfalls aufgrund der hochwertigen Produktion als solider Track.
Baauer bringt mit "Planet's Mad", man muss es so deutlich sagen, ein überdurchschnittlich gutes Album an den Start. Der New Yorker zeigt damit, dass er nicht nur als Steigbügelhalter für Topstars auf deren Maxis dient, sondern auf Albumlänge seine Kunst locker ausschließlich für sich sprechen lässt. Vor allem beweist er aber, dass er nicht zu unrecht da steht, wo er steht und viel mehr ist als das One-Hit-Wonder, das viele in ihm sehen.
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4/5