Porträt

laut.de-Biographie

Baze

"In einem anständigen Land braucht man nicht auch noch anständige Musik zu machen." Mit diesem Credo, irrem Sprach- und Rhythmusgefühl, einer entgegen aller Hip Hop-Klischees offen zur Schau getragenen Vorliebe vor Rock und Metal sowie einer deftigen Portion nicht immer und schon gar nicht für jeden durchschaubaren Ironie mischt Baze, gelegentlich auch unter seinem Alias Broccoli George, die Rap-Elite der Schweiz auf.

Baze - D'Party Isch Vrbi
Baze D'Party Isch Vrbi
Schweizer Hip Hop wird erwachsen - unter Schmerzen.
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Basil Anliker, Freunde verpassen ihm den Spitznamen Baze, ist ein Baby der 80er. Hineingeboren in ein deutlich linkslastiges, mittelständisches Elternhaus in Bern, lässt es sich höchstens mit ein paar konservativen Sprüchen provozieren. Allzu lange lassen die sich allerdings nicht durchziehen: Baze entdeckt seine Liebe zur Musik und landet als Sänger in einer Punkband.

Zum Rap kommt Baze über seinen Freundeskreis, aus dem sich seine Crew Chlyklass rekrutiert. Nach anfänglichen Freestyles verfasst er erste eigene Texte, ohne jedoch in das im Hip Hop weit verbreitete Scheuklappendenken zu verfallen: "Als Raphead darfst du nicht Rock hören, weil es nicht cool ist. Da müssen zuerst N.E.R.D kommen, die quasi beweisen, dass Rock auch cool sein kann und man dann nicht Hip Hop verleugnet. Aber vorher war das sicher nicht real. Ich möchte mich nicht eingrenzen lassen. Ich finde The Streets stark, höre mir alte Rockscheiben an und liebe die Melancholie und Stimme von Xavier Naidoo!", schimpft er im Interview mit aightgenossen.ch.

Zusammen mit seinem Partner Thomes veröffentlicht Baze 2001 unter dem Titel "Amoklauf" die erste EP. Mit den Kumpels vom Chlyklass-Kollektiv, dem auch Wurzel 5, Greis und PVP angehören, absolviert er zahlreiche Liveauftritte. Doch: "Was man sagen, was man ausdrücken will, das geht am besten alleine." Mit "Himutruurig" liefert er 2003 sein Solo-Debüt ab. Zur EP entsteht, mit schmalem Budget versteht sich, auch ein Video.

Für sein erstes richtiges Album "Item" nimmt sich Baze ein Dreivierteljahr Zeit. Nebenher muss schließlich auch gearbeitet, es müssen Abschlussprüfungen absolviert werden. Die Produktion liegt vorwiegend in den Händen von Sad, doch auch andere Kollegen aus dem Umfeld steuern einzelne Beats bei. Das Video zu "Leider" sahnt einen Förderpreis ab.

Obwohl "Item" nicht gerade zum Kassenschlager gerät, äußert sich Baze rückblickend hochzufrieden über seinen Erstling: "Ich wollte mich beweisen und das ist mir gelungen!" Er verpackt Stimmungen und Gefühle in Bilder. "'I vögle d'Sprach!' Auf jeden Fall mache ich mir die Sprache Untertan. Ich finde, dass man alle Möglichkeiten der Sprache ausnutzen sollte. Wer hat uns vorgeschrieben, wie man Worte betonen soll? Genau dies finde ich enorm spannend am Rap, mit der Sprache, und auch der Aussprache zu spielen, zu experimentieren. Wir haben ja nicht einmal einen Duden im Schweizerdeutsch, der uns Regeln vorschreibt. Warum sollten wir uns selbst Regeln machen?" (aightgenossen.ch)

Der Berner, dem Vorschriften ohnehin hochgradig suspekt erscheinen, polarisiert das Publikum. Nicht überall stößt seine Ignoranz gegenüber Genregrenzen auf Gegenliebe. Baze juckt das wenig, er veröffentlicht im Sommer 2005 erst einmal gemeinsam mit seinen Chlyklass-Kollegen das innerhalb von nur zwei Monaten eingespielte Album "Ke Summer".

In der Presse kommt das nicht gerade gut weg. "Klar hat es nicht denselben Tiefgang wie ein Soloalbum. Das war aber auch nie der Anspruch", rechtfertigt sich Baze gegenüber aightgenossen.ch die ausgiebige Selbstabfeierei. "Aber wenn ich nicht dazu gehören würde, würde ich vielleicht auch haten!"

Eine gute Folge hat die Arbeit an "Ke Summer" allemal: Baze bekommt wieder Lust auf ein Solo-Album. Er nutzt den kreativen Schwung des Augenblicks und setzt mit "Mis Meitli" den mit "Item" eingeschlagenen Weg konsequent fort.

"Auf meinem ersten Album war es fast Pflicht, Leute, die mich unterstützt haben, einzuladen", erzählt Baze der Berner Zeitung. "Mis Meitli" dagegen kommt gänzlich ohne Featureauftritte aus. Selbst Booklet- und Covergestaltung nimmt er selbst in die Hände, die im Übrigen Einiges auszuhalten haben: Wenn eine Aufnahme beim fünften Versuch immer noch nicht klappt, kann man sich schon mal im Zorn die Hand an der Studiowand brechen.

16 Tracks lang breitet Baze verschiedenste Facetten seiner Persönlichkeit vor seinen Hörern aus, wettert gegen Möchtegern-MCs und Klugscheißer und betreibt Selbstreflektion: "Inhaltlich ist es wie ein Tagebuch. Darum auch der Titel 'Mis Meitli'. Das ist mein Baby! Sad hat die meisten Beats des Albums produziert. Ich habe mir bewusst Instrumentals ausgesucht, die mich fordern, die rhythmisch vertrackt und interessant klingen."

Baze weigert sich, seinen Konsumenten seine Aussagen vorzukauen. Was ernst gemeint ist, was "Ender Weniger", diese Entscheidung überlässt er bedenkenlos dem Einzelnen. "Es ist doch viel interessanter, wenn es immer wieder Gedanken- oder Zeitsprünge gibt, Andeutungen oder Randbemerkungen, als einfach die 08/15-Story runterzurappen, im Rapschema X, über den Beat. Hauptsache immer gleich. Ich möchte Bilder malen, Stimmungen schaffen und die Leute selber fertig denken lassen."

Mit "Mis Meitli" betrachtet Baze ein Kapitel als abgeschlossen: "Rein albummäßig habe ich momentan kein Bedarf mehr, wieder im Baze-Style etwas zu machen." Die Ideen gehen Baze deswegen noch lange nicht aus. "Mich würde es reizen, etwas Rockiges zu machen." Um "Mis Meitli" auf die Bühne zu bringen, kooperiert er deswegen - wieder einmal schüttelt der ignorante Teil der Hip Hop-Gemeinde den Kopf - mit der Italo-Rock-Band Secondo.

Mitschnitte zweier Konzerte, die im Januar 2007 im kleinen Rahmen im Berner Sous-Soul abgehalten werden, finden ihren Weg auf "Unplugged". Erschienen im November des gleichen Jahres zeugt dieses Album von der Fruchtbarkeit und Funktionalität der Verbindung. Baze und Secondo interpretieren Tracks aus "Item" und "Mis Meitli" und verpassen ihnen einen ganz neuen, äußerst speziellen Charme.

Daneben gestattet sich Baze allerlei Experimente. Zusammen mit Elwont bringt er als "Jonny Bunko & Dr. Broccoli" das Album "Boys On Pills" heraus. "Mit Gimma am DJ-Pult und Ali de Bengali bilde ich das Trio 'The 3 hässlichen Vögel', wo es hauptsächlich darum geht, dass wir Gimma fertig machen und eine gute Zeit zusammen haben."

Besonderen Eindruck hinterlässt ein gemeinsam mit Greis unternommener Trip nach Tansania: "Es war der Wahnsinn! Wir spielten Konzerte an Orten, wo sich bisher noch keine ausländische Band, geschweige denn Diplomaten blicken gelassen haben. Wir waren oft im Studio und haben etwa zehn Songs aufgenommen. Wir wurden sehr gastfreundlich aufgenommen, sogar die Buschauffeure erkannten uns mit der Zeit und ließen uns direkt beim Studio raus. Schön war auch, dass wir uns mit den Musikern dort sofort gefunden haben, ohne die typischen Representer-Manieren und Hemmschwellen der Hip Hopper", schwärmt er im Aightgenossen-Interview.

Von 90 Prozent des Schweizer Raps zeigt sich Baze dagegen gelangweilt. "Für mich ist Rap Gefühl, nicht nur einfach Message. Rap kann auch einfach eine Stimmung vermitteln, oder Bilder, mit denen jeder seine Geschichte weiterspinnt ... dann sage ich zum Schluss in 'Himutruurig': 'Sit doch nid so apisst, we der mi Humor nid verstöht.' Und ich kann ihnen am Ende noch einen Seitenhieb verpassen. Ich bin nicht feindlich eingestellt gegenüber den Zuschauern, aber ich erwarte eine mentale Präsenz."

Für ein neues Soloalbum ist die Zeit noch nicht reif, dafür schließt sich Baze nur eineinhalb Jahre nach der ersten Zusammenarbeit auf Albumlänge wieder mit Elwont zu Boys On Pills zusammen. Auf "Supersonisch" gehen sie den eingeschlagenen Weg konsequent weiter und überzeugen mit elektronischen Beats und lyrischer Vielfalt.

Schon immer lotet Baze die Genregrenzen aus und 2010 verabschiedete er sich zwischenzeitlich ganz vom Hip Hop. Mit der feuchtfröhlichen Partytruppe Tequila Boys, neben Baze bestehend aus Chlyklass-Kollege Diens und einigen gestandenen Musikern, sorgt er bei regelmäßigen Liveshows mit Coverversionen für gute Stimmung : "Bei unseren Konzerten muss man nicht cool sein, sondern Spass haben" stellt Baze gegenüber der Berner Zeitung klar.

Mit "Live Im Anker" widmeten sich die Saufbrüder dann einem ganz speziellen Projekt. 1989 hatte die legendäre Berner Band Rumpelstilz im Comeback im Anker in Interlaken gefeiert und dieses später auf CD veröffentlicht. Auf den Tag genau 20 Jahre später spielten die Tequila Boys das exakt gleiche Programm in derselben Location und veröffentlichten es schliesslich auch auf CD. Mit Polo Hofer und Hanery Amman schauten sogar zwei der Rumpelstilz Mitglieder spontan auf der Bühne vorbei.

Im Oktober 2010 erscheint dann das dritte Soloalbum "D'Party Isch Vrbi". Ein von Benfay und Marton Di Katz vielseitig in Szene gesetztes, düsteres Album über Hochs und Tiefs, den Kater und die Leere. "Schweizer HipHop ist erwachsen geworden" meint der Pressetext und tatsächlich ist Baze ein überaus reifes Werk geglückt.

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Surftipps

  • Offizielle Chlyklass-Homepage

    Infos, Hörproben, Videos, Texte über und von den Mitgliedern der Crew.

    http://www.chlyklass.ch
  • Baze bei MySpace

    Hören, sehen, anfreunden.

    http://www.myspace.com/broccoligeorge
  • Nation Music

    Label, Booking und Vertrieb für qualitative helvetische, authentische und urbane Musik im Bereich Hip Hop, R'n'B, Soul, Funk, Reggae, Ragga, Dancehall und Reggaeton.

    http://www.nationmusic.ch
  • Boys On Pills

    Die Myspace Seite von Baze und Elwont aka Boys On Pills.

    http://www.myspace.com/bazmegbop

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