laut.de-Kritik
Zehn Jahre lang haben sie alles richtig gemacht.
Review von Julia KindelAch Beach House. Zehn Jahre lang haben sie alles richtig gemacht: Top Alben, wenig Wartezeit zwischen den Platten, keine Besetzungswechsel, konstante Weiterentwicklung. Jetzt gehen sie drei Schritte zurück zu ihren Wurzeln und spalten biblisch die Hörerschaft, auf dass sie sich zerfetzen möge ob ihrer individuellen Beurteilung des Albums. 45 Minuten Spielzeit verteilt auf neun Songs, die wie aus einem Guss wirken. My Bloody Valentine schimmert durch den noisigen Vorhang ihres Klangtempels, der weniger kurzweilig als seine Vorgänger daher kommt. Vergleiche zu den letzten Werken der Band: gänzlich unangebracht. Und genau hier wird "Cherry Depression" zum Spalter.
Ach Beach House, womit haben wir das verdient? Was tust du uns an? Hast du den Apothekenschrank geplündert, alle Sedativa wild gemischt und mit Kamillentee aufgegossen? Ist das dein innovativer Ansatz: Willst Dream-Pop neu definieren und stampfst dafür schnurstracks in den Schnarchsaal? Wo sonst abwechslungs- und kontrastreiche Epen standen, sorgst du auf "Cherry Depression" nun in künstlerischer Perfektion dafür, dass jede Minute genauso klingt wie die davor. Viktoria Legrands Stimme tritt einen Kilometer hinter den Noise-Nebel zurück und durchdringt den gekünstelt konstruierten Klangabtreter mit seinen minimalistischen Motivfragmenten nur zaghaft. Wo sonst ein klares Bekenntnis zur verspielten Melodie und ausuferndem Schwelgen bezauberte, bleibt auch Legrand wenig Platz, sich zu entfalten und ihr ganzes Können zu beweisen. Unambitioniertes Rumgedödel mit einer großen Kugel Dumpf und Lethargiestreuseln obendrauf. Diese Scheibe wird die Fans depressiv stimmen.
Ach Beach House, womit haben wir das verdient? Wie viel großartiger kannst du denn noch werden? Ist das dein Plan: Dich von kapitalistischen Zwängen und kommerziellem Publikumsdruck emanzipieren, dich auf das Wesentliche, deinen Ursprung und eigentlichen künstlerischen Freiheitstrieb konzentrieren und dann schnurstracks die Kulturrevolution auslösen für eine bessere, wohlklingendere Welt? Zusammen mit Chris Coady, der dein fünftes Album in Bogalusa, Louisiana aufgenommen und produziert hat, ist dir ein wichtiger Schritt in diese Richtung gelungen. Diese sparsame Instrumentierung und diese trotzdem massiv geschichteten, intensiven Landschaften, die du uns in die Ohren schiebst. Den jugendlichen Träumereien und dem schwelgerischen Charme bist du entwachsen und kleidest dich nun in schlichter Eleganz. Du hast dich weiterentwickelt, bist dir treu geblieben und überraschst dennoch. Du setzt wie immer auf Melancholie statt Schwermut, punktest aber mit einer neuen Tendenz: "Cherry Depression" ist eher eindringlich statt eingängig und so biedert sich die Platte weniger als die Vorgänger an, sondern steht über den Dingen.
Ach Beach House, warum tust du mir das an? Ein eindeutiges Urteil zu fällen, endet im Gemetzel. Das neue Album wird die Fans berauschen: Die einen fallen enttäuscht und sediert ins Wachkoma. Die Anderen bleiben verzückt mit vergoldeten Ohrmuscheln zurück. "Cherry Depression" wirkt reifer und beansprucht viel Zeit zum Entfalten. Mit seiner Intensität, disharmonischer Spannung, mächtigen Monumenten wie "Wildflower" oder "Days Of Candy" liefert der Neuling den Soundtrack für eine neue Definition von Dream-Pop. "Bluebirds" dagegen knüpft mit seiner Verspieltheit an "Teen Dream" an und umarmt warm die Gänsehaut, die er zu verursachen vermag. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings auch die andere Seite des Lorbeerbusches. Beach House verweigern sich großen Melodien und eingängigen Songs. Den großen Spielraum für Abwechslung und Experimente verschenken sie und verstecken sich hinter einer dumpfen Wand spröder Noise-Elemente. Ihre schweren Sechsminüter gießen sie in einen opulenten Apfel der Zwietracht. Ob hier die Eintönigkeit siegt oder eine Offenbarung steht, möge jeder selbst entscheiden.
6 Kommentare
Man könnte es auch viel einfacher schreiben - die Platte zeigt null Weiterentwiclung, alles klingt wie immer, nur ohne zündende Melodien. Einfach nicht so gut wie sonst.
Zweifellos nicht so gut wie "Bloom". Trotzdem würde ich persönlich schon 4 Punkte vergeben (der Vorgänger hätte eigentlich 5 Sterne verdient). Die zwei vorherigen Alben sind aber auch schwer zu toppen, von daher finde ich die Platte schon OK. Klingt alles schwer, melancholisch und melodisch. Sie hätten aber gerne 2-3 weniger zaghafte Songs reinpacken können.
Das die Melodien nicht hängen bleiben würden, finde ich nicht. Schon von Sparks habe ich seit einer Woche einen hartnäckigen Ohrwurm.
Gleichförmig: ja. Aber was hat man nun erwartet? Die Musik ist der beste Soundtrack, um im Park zu liegen und alles um einen herum zu vergessen und das Feeling trifft die Platte sehr gut. Sie schaffen es dabei durchaus Höhepunkte zu setzen. Mehr erwarte ich da nicht.
Schönklang: durchaus, aber mit Substanz und viel Liebe.
Wunderschönes Album!
I like it, I play teen dream, bloom and this new one back to back. Coming to San Francisco Dec. 17 and my whole family has tickets!!!! von kleinen Kneipen bis zum 4x sold out shows at the Fillmore, gut zu sehen Talent wird bezahlt, dann und wann.
Unglaublich gute Platte, auch wenn sie nichts am Rezept verbessert haben, bleibt die Platte erstaunlich langlebig.
Die Band hat einfach ein gutes Gespür für zeitlose Melodien.