laut.de-Kritik
Witz, Charme und ehrwürdige Begleitung.
Review von Giuliano Benassi"Bevor Rock, Soul oder Blues kamen, gab es den Gospel. Er stammt aus der Kirche und ist die Wurzel", erklärt Ben Harper in einem Interview. Religion spielt in seinen Texten eine wichtige Rolle, deshalb ist es nur konsequent, dass er im neuen Jahrtausend mehrere Male mit den Blind Boys Of Alabama zusammen arbeitete, die seit 1937 vorwiegend kirchliche Lieder vortragen.
"Live At The Apollo" enthält das gemeinsam im Studio aufgenommene Material in der Bühnenversion. Das Konzert fand im Oktober 2004 in einem ehrwürdigen Harlemer Saal statt, in dem schon schwarzamerikanische Größen wie Billie Holliday, Sammy Davis Jr. oder James Brown auftraten. Eine historische Last, die Harper scheinbar unbeeindruckt schultert: Ganz alleine beginnt er den Abend, indem er das instrumentale "11th Comandment" ohne Begleitung auf seiner Gitarre vorklimpert.
Es handelt sich um einen der wenigen ruhigen Momente. Beim anschließenden Dylan-Cover "Well, Well, Well" erscheinen mit Harpers Begleitband The Innocent Criminals auch die Blind Boys Of Alabama. In deren Stimmen schwingt das Gewicht ihrer fast 70-jährigen Karriere mit. Zwar erinnern sie zunächst noch an den Beerdigungsblues von "O' Brother, Where Art Thou", doch ihre Harmonien erweisen sich als erstaunlich anpassungsfähig. Ob ernst wie in "I Want To Be Ready" oder fröhlich wie in "Pictures Of Jesus" – rasch stehlen sie Harper die Show, obwohl sie sich vornehm im Hintergrund halten.
Als sie sich mit Witz und Charme vorstellen, bricht das Publikum in begeistertes Jubeln aus. Das spornt alle Beteiligten zu noch intensiveren Interpretationen an. "Give A Man A Home" geht ebenso unter die Haut wie "Mother Pray", während "Wicked Man" zum heiteren Mitwippen einlädt. In "I Shall Walk Alone" zeigt Blind Boy Jimmy Carter die ganze Macht seiner Stimme und kreischt sich schier die Seele aus dem Leib. Es ist der Auftakt eines grandiosen Endspurts: "Church On Time" verbreitet gute Stimmung, "There Will Be A Light" wirkt tröstend, "Satisfied Mind" bietet neben einem mitreißenden Abschluss eine weitere Einlage Carters.
"Gospel bedeutet vielen verschiedenen Leuten viele verschiedene Dinge. Danke, dass es heute Abend für alle das Gleiche bedeutet", sagt Harper zwischendrin. Zwar steht im Apollo eher die Musik als die Religion im Vordergrund. Dennoch hat die Zusammenarbeit zwischen einem angesagten, aber noch relativ jungen Musiker und den ehrwürdigen alten Herren aus Alabama ein wunderbares Ergebnis hervor gebracht.
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