laut.de-Kritik

Gute Nummern und genormter Backförmchen-Blues.

Review von

Wenn ZZ Tops Billy Gibbons zum Solo-Sprung ansetzt, ist Vorsicht geboten. Nachdem er kubanische Rhythmen auf "Perfectamundo" als kalten Kaffee servierte, kredenzt er nun erwartungsgemäß eine Liebeserklärung an den Blues. "Big Bad Blues" erweist sich als Fortschritt: Hier enttäuscht immerhin nur die Hälfte der Songs.

Der Grundgedanke klingt auf dem Papier nach einem tollen Konzept: Warum nicht das Gros der Platte selbst schreiben und mit ein paar Klassikern von Muddy Waters und Bo Diddley veredeln? Warum nicht Bassist Joe Hardy und Drummer Matt Sorum ein solides Fundament gießen lassen? Warum nicht die markante Axt wirbeln und das gegerbte Whiskey-Kehlchen auspacken? Warum nicht mit knapp 70 Lenzen nochmal so richtig oldschool abräumen?

Alles berechtigte Fragen, deren Antwort Gibbons über weite Strecken schuldig bleibt. Ein Teil der elf Stücke lebt tatsächlich jenes urwüchsige Charisma, zu dem ZZ Top in ihren besten Momenten fähig sind. "That's What She Said" gurgelt erdig als genretypischer "My Baby looks so fine"-Track und würde auch im Titty Twister keine schlechte Figur abgeben. Sein herrlich dreckverkrustete "Mo Slowin' Blues" fräst sich als Lied gewordener Bourbon ins geneigte Ohr. Besonders schön: Das nur sparsam aber effektiv eingesetzte Piano.

"Standing Around Crying" geht als sinnliche Muddy Waters-Interpretation durch. Auch der Frohsinn des Bo Diddley-Covers "Crackin' Up" steckt augenblicklich an und fährt ins Tanzbein. Die Doop-Doo-Wop-Backingvocals klingen niedlich nach Muppet-Show, während Gibbons sich samt Texmex-Charme raubeinig durch die Nummer schmirgelt und dabei mehr als nur ein wenig an den großen Willy DeVille erinnert. Als Mini-LP wäre die Scheibe ein großer Wurf. Gäbe es nicht die ärgerliche Seite.

Auf jener klingen der Mann mit dem Bart samt Band nach gniedelnder Hillbilly-Kapelle, die dem Hörer das Arschgeweih des Rockismus entgegen reckt. Betulich, blass und bar jeder Inspiration schrubben sie dann unsäglich genormten Backförmchen-Blues vor sich hin. Sie klingen dabei so weiß und steril, dass es Vorbildern wie Jimmy Reed, Howlin' Wolf oder Buddy Guy das Wasser in die Augen triebe. Tränen der Rührung wären das nicht. So verkörpern "My Baby She Rocks", "Second Line", "Let The Left Hand Know" oder "Hollywood 151" das verbreitete Missverständnis mediokrer Hardrock-Acts, ihr konventionelles Truckerkneipen-Gedudel hätte eine schwarze Seele. Für einen Vetereanen, wie Gibbons, der es besser kann, sind diese Nummern ein Armutszeugnis.

Trackliste

  1. 1. Missin’ Yo’ Kissin’
  2. 2. My Baby She Rocks
  3. 3. Second Line
  4. 4. Standing Around Crying
  5. 5. Let The Left Hand Know
  6. 6. Bring It To Jerome
  7. 7. That’s What She Said
  8. 8. Mo’ Slower Blues
  9. 9. Hollywood 151
  10. 10. Rollin’ And Tumblin’
  11. 11. Crackin’ Up

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