laut.de-Kritik
Die einstige Grandezza sucht man hier vergebens.
Review von Alexander CordasWas einst als Band zweier Musiker begann, entwickelte sich mehr und mehr zu einem Aviv Geffen-Soloprojekt mit mentorenhafter Unterstützung seitens Steven Wilons. Schrieb der Prog-Tausendsassa auf dem Vorgänger wenigstens noch einen Song und kümmerte sich weitgehend um die Produktion, fährt er auf "IV" seinen Anteil noch weiter herunter. Lediglich zu "Pills" and "Jupiter" steuert er Lead-Vocals bei, spielt ein paar Gitarren ein, arrangiert den Background-Gesang und dreht an diversen Reglern.
Man sieht: Wilson überlässt Geffen komplett das kreative Terrain. Das hat spürbare Folgen. Die Entwicklung, die mit "Welcome To My DNA" ihren Anfang nahm, setzt sich hier nahtlos fort. Geffen schreibt mitunter gefällige Lieder, die aber bei weitem nicht mehr den Tiefgang besitzen, der noch auf "Blackfield" und "Blackfield II" zu finden war.
Der Kitsch, der in der Vergangenheit in erträglichen Dosen durch die Songs wehte, drückt den Tracks nun oft die Luft ab. Mit Diddl-Maske zwar, aber das Ergebnis bleibt letal. Beispielhaft hierfür stehen die zuckersüßen Streichersätze und das Glockenspiel in "X-Ray" (mit Anathemas Vincent Cavanagh), die den schnulzigen Eindruck, den der Gesang hinterlässt, noch vervielfachen. Eine Spielzeit von gerade einmal guten zweieinhalb Minuten bei reichlich instrumentalem Gedudel spricht auch nicht unbedingt für überbordenden Ideenreichtum.
Den Vogel schießt aber "Sense Of Insanity" ab. Würde Andrea Berg mit diesen Gesangsharmonien und einem solchen Arrangement auf der Bühne stehen, es würde keinen Unterschied machen. Es ist mir ein Rätsel, wie Wilson bei derart flachem Schlagermumpf seine Finger im Spiel haben soll. Möchte Geffen gar beim nächsten Eurovision Song Contest für Israel an den Start gehen? Er müsste diese Nummer eigentlich nur ein wenig umschreiben.
Aber es geht auch anders. In "Firefly" gibt Brett Anderson seine Visitenkarte ab und krönt den Track zum unbestrittenen Highlight des Albums. Reichlich rhythmisches Wummern auf den Toms und exzellente Gesangsharmnonien vereinen sich zu einem schönen Popsong. Hier haut in nicht einmal drei Minuten alles hin, das beim Vorgänger noch in die Hose ging.
Ein weiterer Gast taucht mit Jonathan Donahue (Mercury Rev, Flaming Lips) auf, der der netten Harfen-Akustik-Nummer "The Only Fool Is Me" den Stempel aufdrückt. "Jupiter" klingt wie eine B-Seite von "Blackfield II", "Kissed By The Devil" geht mit Beatles-Harmonien hausieren, erinnert an "I Am The Walrus" und legt im Mittelteil einen Schwenk in Richting Pink Floyd hin.
Das schon fast zwanghafte Rekurrieren auf die ersten beiden Alben, die sich auch im Titel "IV" offenbaren und die Geffen in Interviews schon fast flehentlich wiederkäut, will nicht greifen. Wilson betonte, er wolle das Blackfield-Vermächtnis trotz seines geringeren Inputs bewahren. Das Erbe des ehedem so grandiosen melancholischen Pops sucht man hier aber leider mit der Lupe. Bei Blackfield dürfte somit kreativ alles gesagt sein. Schade drum.
8 Kommentare mit 2 Antworten
Bin da anderer Meinung. Irgendwie wird sich bei Blackfield immer zu sehr auf Wilson konzentriert, dem alles zu verdanken ist. Und das sage ich als riesen Wilsonfan. Soweit ich das gelesen habe, hat Wilson hier für jeden Song sein Okay gegeben. Von daher denkt womöglich auch, dass es gute Lieder sind. Sense of Insanity empfand ich zunächst als 0815 Popnummer und für einen Blackfield Song zu "fröhlich". Mittlerweile mag ich ihn aber echt gerne, eben auch weil er in eine andere Richtung geht. Ansonsten halte ich Pills, Springtime, Jupiter, und Lost Souls für die Highlights des Albums.
seh ich genau wie alex....geffen geht ohne wilson denselben trantütenweg wie die eigentlich großartigen orphaned land es ebenso taten. wenn israelische musiker sich mit nordmännern zusammentun, entsteht aus der gegensätzlichkeit meist wundervolle kunst. geffens hang zu nahezu kitschigen stilmitteln ist solo dann nicht so gelungen.
Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.
hmm naja, es ist kein schlechtes album
aber diese melancholische Düsternis die auf I & II so sehr mochte fehlt hier völlig. BIs auf einige Songs (Pills, Jupiter)
Schade habe mehr erwartet und bin a bissel enttäuscht
@post-rocker
Einfach mal anhören und dann ein Urteil bilden. Mich packen 1, 2 Songs hier gerade richtig, weil sie nämlich auch meiner momentanen Verfassung entsprechen. Ich finde die Trademarks von Blackfield sind immer noch vorhanden. Es hätte halt hier und da was ausgereifter sein können. 31 Minuten für 11 Songs ist sogar für deren Verhältnisse kurz. Grundlegend habe ich nix dagegen, wenn der Sound sich ändert. Man kann ja nicht viermal die gleiche Platte einspielen, auch wenn I und II zweifelsohne erhaben sind.
Wollte eigentlich den beleidigten Fanboy mimen als ich die Wertung gesehen habe aber dafür ist das Album leider nicht gut genug. Einige starke Lieder wie Pills, Jupiter, Firefly und Faking und dazu noch teilweise ein paar ganz nette Liedchen, die sich aber aufgrund ihrer Länge im 90 Sekunden-Bereich überhaupt nicht entfalten können. Alles in allem wirkt das etwas halbgar, zu kurz und zusammengeschustert. Da ist man von Geffen anderes gewohnt und von Übergenie Wilson sowieso. Hoffentlich ist Steven beim nächsten Album wieder am kreativen Prozess beteiligt.
Im Gegensatz zu Welcome To My DNA sind zwar keine Totalausfälle wie ''Go To Hell'' dabei aber es fehlen auch die richtig großen Songs wie ''Glass House'', ''Far Away'' oder ''DNA''.
Insgesamt auf jeden Fall das schwächste Blackfield Album, mit Fanbonus für mich insgesamt noch ok.
Jedoch kommt es an solche Alben wie Blackfield I und II nicht mal ansatzweise heran aber das sind auch Alben für die Ewigkeit.