laut.de-Biographie
Blood Orange
Dev Hynes ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Der 1986 in Texas geborene und sogleich nach Essex in England übergesiedelte Musiker hat in wenigen Jahren schon zahlreiche Popfelder bespielt.
An Gitarre und Mikrofon spielt er ab 2004 mit den Test Icicles noisy Dancepunk. Doch schon 2006 ist Schluss mit der Band.
Der Brite bleibt der Plattenfirma Domino treu und versucht sich unter dem Moniker Lightspeed Champion an emotionalem Singer/Songwriter-Pop. Im Umfeld und in Kooperation mit Saddle Creek Records-Protagonisten entstehen 2008 und 2010 gleich zwei Alben, bevor auch dieses Projekt vorerst wieder in die Geschichte eingeht.
Eine Halsoperation zwingt den Multiinstrumentalisten kurz nach der zweiten Veröffentlichung, seinen Gesangsstil zu ändern. Fortan verortet seine Stimme sich in falsettigeren und samtigeren Gefilden. Auch musikalisch schlägt er eine neue Richtung ein: Leicht verschrobene Mixturen aus R'n'B-Rhythmen, synthesizerlastigen Chillwave-Fassaden und 80s New Wave werden zum Gebot des Projekts Blood Orange.
Erst mit diesem Ansatz zwischen Baroque Pop, synthesized Backbeats und "Coastal Grooves" – bezeichnenderweise zugleich der Titel des Debütalbums von 2011 unter dem neuen Alias - scheint der in New York lebende Engländer seine Heimat wirklich zu finden.
Trocken gepickte Wave-Gitarren, luftige bis minimalistische Sound-Setups und sachte Arrangements dominieren das Blood Orange-Bild. Hynes konterkariert unaufdringliche Grooves, die fast nach sommerlicher Cabrio-Musik klingen, mit eher wolkenverhangenen Themen: Inspiriert von den N.Y.C.-Transvestiten im Dokumentarfilm "Paris Is Burning", erinnern die Lyrics an Lou Reeds "Walk On The Wild Side".
Unter der Oberfläche klassischer Liebeslieder verstecken sich Sehnsüchte, Enttäuschungen, Schuld, Sühne und eine gute Portion dekadenter Sex. "Die erste Musik, mit der ich zu tun hatte, waren Musicals" – dieser Satz aus einem Interview erklärt das Blood Orange-Szenario ziemlich treffend.
"Cupid Deluxe" erscheint 2013. Die von seiner Wahlheimat New York beeinflusste Platte zeigt eine noch größere Palette zwischen R&B, Gospel, Jazz und Indie auf, als der Vorgänger. Das Album enthält viele Gastbeiträge von unter anderem Clams Casino und Skepta.
Beim Lollapalooza 2014 hält Hynes eine Rede gegen Polizeigewalt in den USA und wird von Securitys abgeführt. Sein Album "Freetown Sound" (2016) ist deutlich von diesen Geschehnissen inspiriert und ermuntert die Unterdrückten, ihre Stimme zu gebrauchen. Textlich greift er viele feministische, genderthematische und afroamerikanische Bezüge auf. Auf der Platte hört man wieder viele Gäste wie Nelly Furtado und Lorely Rodriguez von Empress Of. Seinen charakteristischen R'n'B-Sound formuliert der Sänger und Multiinstrumentalist auf dem Album um einiges runder aus als noch auf den beiden Vorgängern.
Auch der Nachfolger "Negro Swan" (2018) klingt wie aus einem Guss. Nur befasst sich der Brite auf der Scheibe vermehrt mit seiner eigenen Gefühlswelt. Puff Daddy und A$ap Rocky steuern auch ein paar Lines bei.
Ausgelastet fühlt sich Dev Hynes als Performer und Recording Artist jedoch noch lange nicht. Regelmäßig tritt er als Produzent oder Songwriter für so unterschiedliche Künstler wie Solange Knowles, Florence And The Machine und Theophilus London auf den Plan - wenn er nicht gerade für Jay-Zs Modelabel Roccawear den Beraterposten ausübt.
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