Porträt

laut.de-Biographie

Brenk

Joe Zawinul zeigte einst Miles Davis und der ganzen Welt, wie viel Soul in der Donaumetropole Wien steckt. Doch als einer der größten europäischen Einflussgeber 2007 das Zeitliche segnete, hat der Pianist den Wiener Soul nicht mit ins Grab genommen.

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Die Fackel der traditionsreichen schwarzen Musik lodert dort im zeitgemäßen Hip Hop-Gewand weiter. Allen voran Branko Jordanovic alias Brenk Sinatra, der sich mit seinen zahlreichen Produktionen für die internationale Rap-Szene zu Österreichs leiwandstem Soulbrother hochgesampelt hat.

Ende der Neunziger wächst sich sein Interesse an Musik, damals noch auf einer Stufe mit Fuß- und Basketball, zur Faszination aus. Die ersten Versuche als Beatbastler auf, wie er im Interview mit The Message selbst sagt, "komplettem Schrott-Equipment" gehen zwar schief, aber Blut hat Brenk dennoch geleckt.

Seine musikalischen Einflüsse gestalten sich dabei vielfältig. Natürlich begeistert sich der Produzent für den Sample-basierten Sound aus Detroit, Philadelphia und New York. Immerhin liegen dort, besonders in Detroit, die Wurzeln der Platten, die Brenk bevorzugt für seine Instrumentals benutzt.

Die lassen den (Motown-)Soul der Sechziger hochleben, aber auch Brenks langjährige Begeisterung für den Westcoast-Sound der Neunziger tritt mehr als offensichtlich zutage. Besten Beweis dafür liefert die Kamp-Single "Sommarloch", die dank herrlichstem G-Funk-Fiepen 2006 auf der fünfzehnten Soundselection des Wiener Radiosenders FM4 landet.

Bis dahin ist es jedoch ein steiniger Weg, insbesondere in Österreich, wo der heimische Rap ohne Pre-Millennium-Hype oder irgendwelchem Erfolg auskommen muss. Die Wenigen aus der Hip Hop-Szene, die es im Alpenland zu etwas bringen, schaffen es entweder mit Hilfe eines Major-Zugpferds aus Deutschland (wie Beatlefield mit Bushido) oder haben in Eigenregie ein kleines, aber feines Independent-Label aufgezogen (wie Texta mit Tonträger Records).

Anbiedern an die deutsche Szene will man sich jedoch nicht und von einem heimischen Markt kann sowieso nicht die Rede sein. Von lokaler Geschlossenheit möchten sie in der österreichischen Hauptstadt trotzdem nichts wissen, die Szene dort orientiert sich an dem Werbeslogan "Wien ist anders".

Brenk hat sich mittlerweile akzeptables Equipment zugelegt und findet bei dem Wiener Label Stiege 44 ein musikalisches Zuhause. Im Gegensatz zu seinen offensichtlichen Vorbildern Dilla und Pete Rock arbeitet er jedoch nicht mit den klassischen Samplern wie MPC oder SP-12, sondern kreiert seinen Sound zumeist am Computer mit Hilfe diverser KORG-Geräte.

Musikalisch reiht er sich trotzdem unter den Genannten ein: warme Bässe, klassische Drum-Patterns, zerhäckselte Samples ... wüsste man nicht um Brenks Wohnsitz in Wien Kaisermühlen, man verortete ihn sofort im Detroiter Slum Village-Umfeld. Bei der Frage nach dem Geheimrezept für seinen Sound gibt sich der Produzent im The Message-Interview so simpel wie schlüssig: "Wenig schlafen, viel Bier, viele Platten." Auch dabei liegt er wohl nahe beim 2006 verstorbenen Detroiter Vorbild J Dilla.

Im Stiege 44-Umfeld landen Brenks Beats 2004 auf Veröffentlichungen von Kamp und Mr. L. Insbesondere mit ersterem stimmt die Chemie. Ein Jahr später produziert Brenk bereits sieben Tracks der Kamp und Esko-EP "Demi". Mittlerweile hat sich das Beat-Schwergewicht einen Namen erarbeitet, dessen Qualität in Folge auch die Wiener Künstler Deph Joe und MAdoppelT für sich gewinnen wollen.

2006 remixt Brenk Deph Joes Titeltrack seiner EP "Nenn Mich Deph". MAdoppelT engagiert den Produzent für acht Tracks seines neuen Albums "Plan Leben". Der Schulterschluss mit dem Florisdorfer bringt weitere Aufmerksamkeit. Die Mischung aus Brenks Soul-geladenen Beats und MAdoppelTs zurückgelehntem Flow funktioniert vortrefflich. Bei Schwer Records hat MAdoppelT sogar ein Label gefunden, dass der Platte zumindest einen Teil der Aufmerksamkeit beschert, die sie verdient hat.

Vor dem everyday struggle - will heißen: dem täglichen Broterwerb - schützen lobende Kritiker-Worte natürlich nicht. Vom Beatbasteln kann Brenk nicht leben, er arbeitet nebenher als Lagerarbeiter. Jede freie Minute konzentriert er sich jedoch auf die Musik, betreibt Cratedigging im besten Sinne: Platten suchen, anhören und verwursten.

Dem Dasein eines notorischen Diggers und demnach klassischen Produzenten ist auch Brenks Debüt "Gumbo" geschuldet, das 2008 auf dem Wiener Label Supercity der Waxolutionists erscheint. Die 40 Track starke Instrumentalplatte zeigt die Qualitäten des Produzenten in schonungsloser Form, ohne die Ablenkung durch Rap-Passagen. Vorbildwirkung hat natürlich J Dillas ganz ähnlich aussehende Instrumental-Schnipsel-Platte "Donuts". Ein Vergleich, der allerorts eher aus Respektgründen erklingt, denn als Bitervorwurf gemeint ist.

Ähnlich sieht das auch das deutsche Liebhaberlabel Melting Pot Music, das sich gleich mal vier Tracks der Platte für seine "Beat 45"-Reihe krallt und auf eine 7" packt. Brenks Auftragslage hat sich mittlerweile stark verbessert, und das nicht nur, weil die Juice "Gumbo" zur heimischen Platte des Monats kürt. Sogar der Detroiter Untergrund shoppt mittlerweile beim Wiener Produzenten: Für ihr Mixtape "Jumpoff A Bridge" packen die dort ansässigen Rapper Quest M.C.O.D.Y. und Marvwon Brenk in den Producer-Angaben zwischen die Vorbilder Dilla und Black Milk.

Alsbald präsentiert sich der Terminkalender prall gefüllt: Nico Suave will wieder Beats (Brenk war bereits auf dem 2007er "Nico Suave & Friends"-Album vertreten), MAdoppelT will für sein drittes Album Brenk im Boot haben, die Kölner Huss & Hodn haben Beat-Tapes bekommen, und Manuvas Soloalbum steht an. Nebenbei hat Brenk den amerikanischen Soul-Sänger Miles Bonny in der Mache. Zusammen nehmen sie als Supa Soul Shit ein gleichnamiges Album auf, das 2012 erscheint und für drei Amadeus Awards nominiert ist.

Außerdem gründet Brenk das lose Künstlerkollektiv Soul Cats mit dem in Wien ansässigen südtiroler Produzenten-Kollegen Fid Mella und Rapper Deph Joe. Was in dieser Konstellation zwischen schlichtem Rap und österreichischem Neo-Soul entsteht, erfährt die interessierte Öffentlichkeit im zweiten Halbjahr 2008 bei dem in zwei Stücke aufgeteiltem Deph Joe-Longplayer.

Der bleibt nicht das einzige Projekt mit Fid Mella. 2010 erscheint "Chop Shop", eine Beatsammlung für die Hi-Hat-Reihe von Melting Pot, über die auch West Coast-Legende Mc Eiht auf den Wiener aufmerksam wird.

Der Gumbo-Nachfolger kommt 2011 und soll zu Brenks musikalischem Aushängeschild werden. Nicht nur in der heimischen Beat-Szene trifft Brenk auf Wohlwollen, sondern auch in Übersee haben es große Namen auf ihn abgesehen: Michael Buchanan aka DJ House Shoes und Mr. Producer, DJ Premier, outen sich als Brenky-Fans.

Zwei Jahre später erfüllt sich der große Traum: ein gemeinsames Album zusammen mit Mc Eiht erscheint nicht nur über Premos Label Year Round Records, sondern der Meister mischt es auch noch final ab.

Während andere Produzenten vermutlich den Schritt in die USA versuchen würden, bleibt Brenk lieber in Wien und gründet mit den gleichgesinnten Suff Daddy und Dexter das Frickel-Kollektiv Betty Ford Boys. Neben mehreren Alben gehen die drei "Leaders Of The Brew School" auch noch auf gemeinsame Sauf-Touren quer durch Deutschland und beglücken ihre Fans.

Es folgt ein "Chop Shop"-Nachfolger, der mit bizarren Sprachschnipseln aus Österreichs Medienlandschaft aufwartet. Außerdem fliegt Brenk zum ersten Mal in seinem Leben in die USA, nach Los Angeles. Wenn er sich nicht in seinem Hotelzimmer einschließt und Beats bastelt, trifft er B-Real von Cypress Hill in seiner "Dr. Greenthumb Show" und hält das Ganze auf Videoband fest.

"Midnite Ride" erscheint im Oktober 2015. Der das Cover zierende neonfarbene Cadillac steht sinnbildlich für Brenks Sound: breit und für die Nacht gebaut.

Im Jahr darauf feiert die "Gumbo"-Fortsetzung ihren mittlerweile fünften Geburtstag. Zu diesem Anlass lässt sich der Produzent nicht lumpen und legt in einer limitierten Auflage nochmal 20 unveröffentlichte Beats auf den Tisch, die es nicht auf "Gumbo II: Pretty Ugly" geschafft haben.

Bei dem ganzen Output fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Im Laufe der Jahre haben sich so einige Namen angesammelt, die sich bereits auf Brenkys Beats verausgabt haben. Machen hierzulande Casper, Olexesh, Audio88 & Yassin und Morlockk Dilemma, mit dem die Doppel-EP "Hexenkessel" entstanden ist mächtig Eindruck, so lassen international Mac Miller, B-Real, Xzibit, Guilty Simpson und Waldo The Funk mächtig die Ohren flattern. Ans Abheben denkt der wichtigste Produzent der europäischen Beat-Szene dennoch noch lange nicht.

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