laut.de-Kritik
Introvertiertes Singer/Songwriteralbum des ehemaligen Suede-Sängers.
Review von Michael EdeleWieso bekommt der Metalfuzzi das Solo-Album von Brett Anderson zur Review vorgelegt? Weil ich jede Scheibe seiner ehemaligen Band Suede besitze und diese auch sehr zu schätzen weiß, ihr Nüsse. Außerdem zieh ich mir ja auch nicht bei jeder Gelegenheit ne akustische Karottenraspel durch die Gehörgänge.
Hin und wieder ist es mir auch nach besinnlicheren Klängen, und da kommt mir Brett Anderson mit seinem schlicht selbstbetitelten Solo-Album gerade recht. Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Unterschiede zu Suede und natürlich auch zu The Tears deutlich. So dient die Gitarre oftmals nur akustisch als Begleitinstrument, nicht als Melodieträger. Das übernimmt der Sänger in gewohnter Qualität selber, auch wenn er sich weitgehend sehr introvertiert gibt.
Zumindest stimmlich, denn lyrisch geht er bei "One Lazy Morning" passend zur Musik sehr entspannt, relaxt und quasi mit der Kaffeetasse am Frühstückstisch vor. Das zur Abwechslung doch von der Gitarre getragene "Dust And Rain" wird in Sachen Sex schon ein wenig deutlicher und ist auch musikalisch am agilsten. "Intimacy" greift thematisch zwar die selbe Richtung auf, erscheint mir aber fast zu klinisch, spartanisch in seiner Ausführung.
Von pompös oder ausschweifend kann auf "Brett Anderson" aber auch zu keiner Zeit die Rede sein. Zwar bilden Streicher, dezente Keys und Chöre einen wichtigen Teil von Songs wie "To The Winter" oder "The Infinite Kiss" aus. Dennoch macht gerade die zurückhaltende, wohl eher ungewohnte Art von Brett den Charme des Album aus. Während "Scorpio Rising" hart am Kitsch vorbei schrammt und im falschen Moment schon fast auf die Nerven gehen könnte, gehört die Ton gewordene Melancholie "Colour Of The Night" zu meinen Favoriten.
"The More We Possess The Less We Own Ourselves" ist nicht nur eine bissige Kritik an unserer Konsumgesellschaft, sondern auch ein wunderschöner Walzer, zu dem ich mit Kollegen Mengele demnächst gern mal durch die Reaktionsräume schwofen werde. Dem folgt dichtauf das selbst für dieses Album sehr zurückhaltende "Ebony", das die nasskalte Melancholie des heutigen Wetters stimmungsvoll untermalt.
Gleiches gilt ohne Abstriche auch für das abschließende "Song For My Father", in dem Brett den Tod seines Vaters verarbeitet. Ohne zu viel sagen zu wollen, aber ich glaube, ich kenne endlich den Song, der auf meiner Beerdigung laufen soll. Wer sich also eine Fortsetzung der alten Bands von Brett Anderson wünscht, der sollte von dem Album tunlichst die Finger lassen. Wer allerdings etwas mit einem ruhigen Singer/Songwriter-Album anfangen kann, der ist hier richtig.
7 Kommentare
ach ich wünch mir diese grossartige band Suede wieder. gott was für hymnen , was für ein esprit in der musik, den texten, nach beendigungen von suede, sei es mit der neuen band und jetzt solo ist die luft raus.
brett das klappt nicht! siehe billy corgan, er kommt zurück und geh auch du dahin wo du gehörst.
also, eddy, mal im vertrauen, unter uns zwei suede-fans: die platte ist käse. 4 punkte sind bei aller sympathie deutlich zu hoch gegriffen für den kitsch.
und nein, suede-reunion ist auch keine lösung, hör dir die tears an, genauso halbgar. und live eine ganz peinliche altherrenrockshow.
wer das album mit den alten suede-platten vergleicht, wird sicher enttäuscht sein. ich finde dennoch da sind einige tolle songs drauf. mein favorit im moment ist "scorpio rising".
ein sehr persönliches album.
@jerabo2006: tolle bands hast du in deinem profil
@cucumber: nicht wahr? fühl mich auch wohl mit der musik ....
[b:d1a07be162]Fehlalarm[/b:d1a07be162] Für alle, die die Kritik in der Musikpresse abgeschreckt hat, wollte ich mal versuchen, "Brett Anderson" in mein subjektives rechtes Licht zu rücken. Die Kritik zuerst: Von mir bekommt Brett Anderson Schelte vor allem für [i:d1a07be162]Ebony[/i:d1a07be162] (könnte auch von West Life kommen) und (in geringerem Maße) für [i:d1a07be162]One Lazy Morning[/i:d1a07be162]. Finde ich beide nett, aber sie sind wie pflegeleichtes Abstandsgrün um Parkplätze zwischen den verwunschenen Gärten der anderen wunderbaren Lieder. Erinnern mich an [i:d1a07be162]Positivity[/i:d1a07be162], oder schwache Aufgüsse des großartigen [i:d1a07be162]Everything Will Flow[/i:d1a07be162] von 1999. Warum die meisten Kritiker [b:d1a07be162]Dust and Rain[/b:d1a07be162] noch am stärksten finden, ist mir ein Rätsel. Nur weil es am Rockigsten ist? Hauptsache Butler-/Oakes-Gitarre? Wer Rock will, ist bei "Brett Anderson" definitiv falsch.
Allgemein würde ich mir von Herrn Anderson mehr Experimente wünschen. Das wunderbar verstörende Element, das mit dem Niko-haften Piano in [i:d1a07be162]Colour Of The Night[/i:d1a07be162] nur so angedeutet ist, sollte er beim nächsten Mal stärker ausspielen. Seinen eigenen Vergleich mit Scott Walker finde ich da gelinde gesagt übertrieben.
Ich war am Anfang als old school flashboy auch eher enttäuscht, aber die Platte ist ein klassischer "grower"! [i:d1a07be162]Infinite Kiss[/i:d1a07be162] fand ich zuerst unerträgliches Gewinsel, nach 2 Monaten ist es eines meiner Lieblinge! Zugegeben: mit dem wiederholend vorgetragenen, ekstatischen "Ahaaahaaaa" am Ende von [i:d1a07be162]Song For My Father[/i:d1a07be162] habe ich noch heute manchmal meine Probleme. Ich lege nur all denen, die von Kitsch und banalen Lyrics reden, nahe, beim nächsten Mal die Vorurteile zu Seite zu legen und nicht an Suede zu denken, sondern Brett Anderson als eigenständigen Musiker zu betrachten.
Zum Vorwurf der banalen Lyrics, der in so vielen Kritiken geäußert wird: "The more we possess, the more we are in debts..." meint sicherlich nicht (nur), dass der Dispo überzogen ist, sondern ganz andere Schulden, die die Konsumgesellschaft auf sich lädt. Die Wahrheit klingt halt manchmal banal. Und klar, [i:d1a07be162]Scorpio Rising[/i:d1a07be162] könnte auch [i:d1a07be162]Scorpions Rising[/i:d1a07be162] heißen: es bedient sich mit der "güldenen", in den Vordergrund gemischten E-Gitarre und dem Querflöten-Solo gewisser vorbelasteter Stilmitteln... Aber es ist vielleicht das beste Songwriting des Albums. Pop eben. Da muss nicht gleich der Hardrock-Balladen-Alarm losgehen. [b:d1a07be162]Intimacy[/b:d1a07be162] ist für mich nicht langweilig, sondern minimalistische Lyrik gepaart mit Bowie-esquem Gesang. Und bei [b:d1a07be162]Love Is Dead[/b:d1a07be162] und [b:d1a07be162]To The Winter[/b:d1a07be162] wage ich sogar den blasphemischen Vergleich mit [b:d1a07be162]The Wild Ones[/b:d1a07be162], ich wollte das S-Wort ja vermeiden. Ein bisschen mehr Offenheit wünsche ich mir bei einigen Kritikern der Musikpresse (zumindest in UK) schon. Das Album finde ich im Übrigen klanglich super produziert. Hoffe, ich kann hiermit vielleicht jemanden umstimmen... Gruß, L.