laut.de-Biographie
Breymer
Es ist vermutlich gar nicht so einfach, der geschmackvolle Geheimtipp zu sein. Die Musik von Breymer, alias Sarah Walk, kann man vermutlich jedem unter die Nase halten – und niemand würde sie rümpfen. Die in Chicago geborene Frau aus Minneapolis hat wirklich alle Facetten des Handwerks zur Gänze drauf: Subtil, unterschwellig, gefühlvoll macht sie ihr Song-Handwerk vom Piano weg. Sie ist so etwas wie ein Gegenpol des Leisen in einer kurzweiligen Welt.
Aber dafür wurde sie eben auch zur Genüge ausgebildet: Ihr musikalisches Talent früh entdeckt, geht sie auf die Berklee Musik-Universität. Das ist der Ort, der der Welt schon legendäre Artists wie St. Vincent bereitgestellt hat – und die reine Umgebung, das Wissen, das man hier mit seinen Musikträumen zu einhundert Prozent ernstgenommen wird, das ist wichtig für Walk.
So entsteht dann schließlich auch ihr erstes Album: "Little Black Book" ist ein Mosaik ihrer vielen, schwarzen Notizbücher, in die sie Lyrics und Ideen kritzelt, seit sie vierzehn ist. Auf dem Album kommen sogar Tracks aus dieser Zeit zu Wort – den jüngsten "Time" dagegen schreibt sie mit 23. Es ist also ein Coming-of-Age-Album im wahrsten Sinne des Wortes, aufgenommen mit Produzent Steve Brown, der ihrem Piano-Rock ein bisschen orchestrale Grandeur obendrauf verpasst hat.
2020 erscheint mit "Another Me" ihre zweite Arbeit, auf der sie ihre Stimme schon spürbar mehr findet. Die Jugendlichkeit klebt nicht mehr so daran, die Melodien wirken raffinierter, sie scheint in jeder Hinsicht wie ein Artist, der bereit sein sollte, ein größeres Stadium ihrer Karriere anzugehen. Aber machste nichts, haha, es ist 2020. Lockdown. Schade!
Entsprechend braucht es bis 2024, bis neue Musik erscheint. An diesem Punkt heißt Sarah Walk Breymer (ihr bürgerlicher Name und die Pronomen ändern sich nicht, nur die Option für they/them kommt dazu) – und auch thematisch verändert sich viel. Guckt man sich ihre Arbeit an, dann ist von den frühen Interviews weniger übrig, als sie noch Sachen sagte, wie: "Ja, ich bin lesbisch, aber ich will nicht, dass das die Hauptkategorie meiner Musik ist."
2024 sind andere Zeiten, die queere Community Amerikas steht unter lange nicht dagewesenem Beschuss – und Community-Organisation und sichere Spaces sind so wichtig geworden, dass auch Breymer ihre Musik immer weiter darum zentriert. Ihr neu erscheinendes Album "When I Get Through" thematisiert ihre Top-Surgery in einem sehr kohärenten, konzeptuellen Strang.
Aber auch, wenn dieser thematische Überbau nun dazukommt, bleibt doch der grundlegende Eindruck bestehen: Breymer macht weiterhin diese unterschwellige und emotionale Musik, die zwar immer angenehm, aber nicht aufs Kurzweiligste direkt schaltet. Sie wiedersetzt sich definitiv zu einem gewissen Grat dieser Verwertungslogik – und wenn man all das Handwerk der Welt zur Verfügung hat, muss man das einer Künstlerin doch definitiv in Ehren halten.
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