18. September 2015

"Wir arbeiten an einem Orchester-Projekt"

Interview geführt von

Samples statt Gitarren: Mit ihrem neuen Album "That's The Spirit" nehmen die Jungs von Bring Me The Horizon die nächste Stufe in Richtung Massentauglichkeit.

Fans der britischen Metal Core-Ikonen Bring Me The Horizon hatten es in den vergangenen drei Jahren nicht leicht. Neben zahlreichen Live- und Studio-Highlights wurde die Anhängerschaft auch mit einigen schwer verdaulichen Tiefschlägen konfrontiert. So musste man beispielsweise im Januar 2013 vom Gitarristen Jona Weinhofen Abschied nehmen. Noch im selben Monat klopfte ein neuer Mann an die Band-Pforten. Der hatte allerdings keine Gitarre, sondern ein Keyboard unterm Arm. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, outete sich Sänger Oliver Sykes als ehemals Drogenabhängiger.

Es war also ganz schön was los im BMTH-Lager - von der Tatsache, dass sich die Band auch musikalisch von einer grundlegend neuen Seite präsentierte, ganz zu schweigen. Diese wird auch weiterhin für Gesprächsstoff sorgen. Auf dem neuen Album "That's The Spirit" präsentiert sich die Band nämlich abermals fernab vom Deathcore-Vibe der Anfangstage. Old School-Fans wollen den Schuldigen für die musikalische Neuausrichtung bereits ausgemacht haben. Sein Name: Jordan Fish - der Kerl mit dem Keyboard unterm Arm. Wir verabredeten uns mit dem "Angeklagten" und sprachen Tacheles.

Hi Jordan. Seit eurem letzten Album "Sempiternal" fahrt ihr einen etwas eingängigeren musikalischen Kurs. Auch mit dem neuen Album schielt ihr verstärkt in Richtung Mainstream. Viele eingefleischte BMTH-Fans machen vor allem dich für den neuen Sound der Band verantwortlich. Wie gehst du mit derlei "Vorwürfen" um?

Jordan Fish: (Lacht) Vorwürfe? Versteh mich nicht falsch, ich liebe die alten Scheiben. Aber ich persönlich finde, dass die Band in den letzten drei Jahren musikalisch enorm zugelegt hat. Natürlich kann man es nicht immer allen recht machen. Aber es ist ja auch nicht so, dass wir die Wurzeln komplett verbannt haben. Wir sind immer noch eine Band, die ordentlich drauf haut, wenn's nötig ist. Wir haben uns aber weiterentwickelt.

Jeder von uns, mich eingeschlossen, hat in den letzten vier oder fünf Jahren viele Erfahrungen sammeln können, die wir nun in unsere Musik mit einfließen lassen. Und um auf deine eigentliche Frage zurück zu kommen: Mich juckt das alles nicht. Ich spiel aber gerne den Blitzableiter für die Band. Da habe ich kein Problem mit, auch wenn ich weiß, dass wir alle in der Band zu gleichen Teilen am Entstehungsprozess der Musik beteiligt sind.

Du bist erstmals vor gut drei Jahren mit eben jenem Entstehungsprozess konfrontiert worden. Damals habt ihr das Album "Sempiternal" aus der Taufe gehoben. Welche Erinnerungen hast du an diese Wochen und Monate?

Sehr schöne Erinnerungen. Sicher, es war eine schwierige Zeit für die Band. Aber musikalisch griff ein Rädchen ins andere.

Im Januar 2013 wurdest du dann von deinen Kollegen offiziell als neuer Keyboarder vorgestellt. Kurz zuvor musste Jona Weinhofen (Gitarre) seinen Hut nehmen. Wie hast du dich damals gefühlt?

Es war nicht einfach. Im Grunde war ich ja schon in der Band. Es fehlte nur noch der letzte Schritt – die öffentliche Bekanntgabe. Diese Tatsache, hat mir auch dabei geholfen mit all den Achterbahngefühlen klar zu kommen. Das Drama um Jona hat den Jungs schon ziemlich zugesetzt. Dann war da ja auch noch die Sache mit Oliver. Das war auch eine ganz schöne Herausforderung für alle Beteiligten. Letztlich bin ich einfach nur froh und glücklich, dass wir heute stärker denn je am Start sind. Diese Erfahrungen haben uns zusammengeschweißt.

"Wir machen nur noch das, wozu wir Lust haben"

Du sprachst eben die "Sache" mit Oliver an. Zunächst einmal: Wie geht es ihm?

Es geht ihm gut. Es geht ihm wieder sehr gut.

Die Band stand während der Hochzeit seiner Drogensucht kurz davor auseinander gerissen zu werden. Wie eng war es wirklich?

Es war ziemlich eng. Seine Therapie war die Rettung. Damit hat er nicht nur sich, sondern auch der Band neues Leben eingehaucht. Eigentlich sollte der Songwritingprozess für "Sempiternal" ja schon viel früher starten. Aber es funktionierte einfach nicht. Also warteten wir die Therapie ab. Danach war Oliver wie ausgewechselt. Es war unheimlich schön, ihn so zu erleben. Er sprühte wieder vor Tatendrang. Ich meine, der Kerl spielt zwar kein Instrument. Aber er hat klare Visionen in seinem Kopf. Diese sind unentbehrlich für die Band. Er kann einen Song lesen wie kein Zweiter. Das ist schon ziemlich beeindruckend.

Als euch bewusst wurde, dass Oliver wieder voll belastbar war – war das auch der Moment, in dem euch klar wurde, dass ihr für einen musikalischen Neuanstrich bereit seid?

Die Band hat auch vorher schon mit neuen Sound-Elementen experimentiert. Aber klar, Olivers Rückkehr hat uns natürlich noch einmal einen Extra-Kick gegeben.

Mit eurem neuen Album "That's The Spirit" geht ihr einen weiteren Schritt nach vorne. Steckt ihr jetzt erst so mittendrin? Oder markiert der Sound des neuen Albums das Fundament für die Zukunft?

Das ist schwer zu beantworten. Das Fundament dieser Band besteht aus verschiedenen Elementen. Letztlich ist es das große Ganze, was zählt. Es geht um alles. Wir spielen ja auch noch Stücke von den alten Alben live. Es gibt also keine komplette Neuausrichtung. Es gibt nur eine Entwicklung. Und auf die sind wir ungemein stolz. Wir sind mittlerweile an einen Punkt angelangt, der uns frei und unbekümmert arbeiten lässt. Wir machen nur noch das, wozu wir Lust haben. Aber ganz egal, was dabei rauskommt; es wird immer nach Bring Me The Horizon klingen.

Wir könnten auch ein reines Pop-Album aufnehmen. Das wäre überhaupt kein Problem für uns. Es würde sich dennoch wie ein BMTH-Album anhören. Dieses Bewusstsein macht uns unheimlich stark. Es macht uns auch locker, und gibt uns die Freiheit, das zu tun, worauf wir gerade Bock haben.

Richtig viel Spaß hattet ihr auch im Dezember 2014 auf der großen Bühne der Wembley-Arena. Erzähl doch mal.

Ja, das war der Hammer. Nein, ich untertreibe. Dieses Konzert war mehr als nur der Hammer. Dieser Abend war einfach unvergesslich. Warst du schon mal dort?

In der Wembley-Arena?

Ja.

Nein.

Da geht dir einer ab. Ich meine, als Zuschauer ist das schon krass. Aber wenn du da als Musiker auf der Bühne stehst... Zum Glück haben wir das alles ja festgehalten. Sonst würde ich es wahrscheinlich gar nicht glauben.

"Alle hatten wackelige Knie"

Nervös gewesen?

Bin ich eigentlich immer vor einem Konzert. Aber an diesem Abend war es schon extrem. Ich kann mich noch erinnern, wie wir kurz vor dem Auftritt in so einem kleinen Raum hinter der Bühne saßen und uns gegenseitig in die Augen guckten. Jedem stand die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Alle hatten wackelige Knie. Das war ziemlich krass.

Dann seid ihr raus auf die Bretter. Und alles war wieder gut?

Naja, nicht ganz. Es hat schon einige Minuten gedauert. Dann war es aber nur noch der pure Genuss. Die Bühne, die Fans, die Musik: Das passte alles wie die Faust aufs Auge. Und es war der perfekte Abschluss einer grandiosen Tour.

Hätte auch in die Hose gehen können, oder?

Absolut. Konzerte sind wie Wundertüten. Da kann immer mal was passieren. In diesem Fall wäre es natürlich besonders ärgerlich gewesen. Aber glücklicherweise hat alles geklappt.

Demnächst geht es erneut auf große Tour. Wie ist das eigentlich für einen Keyboarder in einer doch eher gitarrenorientierten Band? Fühlt man sich da manchmal nicht auch etwas fehl am Platz?

Es ist eine Herausforderung. Ich will ja mit meinem Instrument nicht nur Beilagen servieren, sondern hier und da auch Ausrufezeichen setzen. Es gibt aber natürlich auch Songs, in denen ein Keyboard nur Schaden anrichten würde. Dann ziehe ich mich einfach zurück, gehe kurz hinter die Bühne, trinke was und genieße die Pause. Da habe ich kein Problem mit.

Das neue Album ist raus. Die Tour steht vor der Tür. Was steht demnächst sonst noch an?

Nun, eigentlich wollen wir noch nicht allzu viel davon preisgeben. Aber wir arbeiten gerade an einem größeren Orchester-Projekt.

Oha!

Ja, das wird bestimmt spannend.

Kann ich ein paar mehr Details aus dir herauskitzeln?

Es ist, wie gesagt, alles noch in der Planung. Aber es wird sich um ein Charity-Projekt handeln. Wir werden dafür in einer ganz besonderen Location auftreten. Mehr kann ich dir leider noch nicht verraten.

Wie kam es dazu?

Wie ich bereits sagte, wir machen mittlerweile einfach das, worauf wir Lust haben. Und so ein Projekt zählt definitiv dazu.

Getreu dem Motto: Alles ist möglich.

Genau. Wir sind für alles offen.

Jordan, hab Dank für das Gespräch.

Sehr gerne. Ich habe zu danken.

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