laut.de-Kritik
Kreuzworträtsel-Rap mit Suspense.
Review von Dominik Lippe"Ich bemerke gerade: Ich fand das Slowthai-Album wirklich so krass, aber hab' es genau einmal gehört, weil eine Woche später was anderes kam. Nicht mal was Besseres, einfach was Neueres", stellte Ahzumjot unlängst auf seinem Twitter-Account fest, "Musik hat ehrlich keinen Wert mehr."
Gerade im Hip Hop lässt sich ein gewisses Überangebot schwerlich leugnen. In immer kürzeren Abständen rollen die Newcomer Welle um Welle heran. Als Teil der "New Wave" tritt nun Brudi030 auf den Plan. Mithilfe seines Labels SLS Music soll er nicht gleich wieder in der Gischt verschwinden.
Ganz leicht fällt der Zugang zum Kreuzworträtsel-Rap des Berliners nicht. Texte spielen in einigen SpielVarianten des Hip Hop zwar von Hause aus eine untergeordnete Rolle, doch Brudi030 zeigt Symptome einer regelrechten Sinnunverträglichkeit. Für die zweite Strophe zu "Tilly Town" findet er etwa folgenden Einstieg: "YouTube, neue Video, Trick, Ronaldinho, Ice Cream, Streusel, Knastausgänger, Boys, es ist wieder Mitternacht." Als wisse auch er nicht so recht, wem er gerade warum im Studio aushilft, taucht Produzent BZAD den Song in eine angemessene Mystery-Stimmung.
Mit seinem unaufdringlichen Piano-Einsatz sorgt BZAD auch in "Looping" oder "Karussell" für Suspense, die atmosphärisch an Pashanims Debütsingle "Shababs Botten" erinnern. Goldfinger, Sesto und OG Tonez setzen in "Großeinkauf" eher auf eine indifferente Gemütslage, die auch der Rapper mit seinem farblosen Vortrag teilt. "Adap", "Ademan" und "Zu Viele Probleme 2" bieten wiederum Trap in seiner ödesten Form. "Tödlich" nimmt dagegen Tempo auf. Brudi030 bemüht sich, dieselbe Energie am Mikrofon an den Tag zu legen, die Goldfinger an den Tasten zeigt.
Chancenlos bleibt er hingegen bei der Gegenüberstellung mit Hemso, dem im Deutschrap zunehmend die Rolle zufällt, die Tony D in den 2000ern bekleidete. Über die Langstrecke lässt sich seine Performance nicht genießen, doch wenn er die Hörerschaft bei Gastbeiträgen anschreit, lässt sich der Unterhaltungswert nicht leugnen. In der Kollabo "Wir Sind Echt" triggert der zwischen "Knast Oder Palast" schwankende Rapper von Supremos Musik dann auch noch die tief sitzenden Ängsten des hiesigen Boulevards vor Intensivtätern: "Hartz IV in Deutschland, doch Villa in Heimat!"
Ernstere Töne schlägt Brudi030 in "Geschichten Aus Dem Block" an, den er in einem seiner raren Statements als einen seiner "persönlichsten Tracks und Lieblingssongs auf" dem Album bezeichnete. "Der eine wird Doktor, der andere tickt im Park. Der eine hat alles, aber Diagnose Krebs. Der andere hat nichts, aber stark durch Gebet", greift er das Thema aus Celo & Abdis "Parallelen" auf. Auch die schwermütige Orientierungslosigkeit in "Tik Tak" wirkt glaubwürdig: "Die Zelle war nicht stärker als mein Plan. Studiere meine Wege, aber am Ziel kommst du nicht an."
"New Wave" eignet sich nicht zwingend für die Verleihung eines Innovationspreises. Weder die Räuberpistolen des Rappers um Drogenhandel, Polizeieinsätze und Verurteilungen noch der nie wirklich in Fluss kommende Flow stechen aus der Masse von Straßenrappern heraus. Zudem mangelt es an Plausibilität, wenn der 1995 geborene Rapper in "Vorbei" von seiner Jugend zwischen Aaliyah im Walkman und Tamagotchi in der Tasche berichtet. Um sich langfristig zu etablieren, muss er mehr bieten. Sonst spült bereits die nachfolgende Welle Brudi030 zurück ins Meer.
2 Kommentare
1/5 für den behämmerten Künstlernamen
Huso030 1/5