laut.de-Kritik

Gebremster Minimalisten-Rock mit Sounds von gestern.

Review von

An die großen Erfolge aus den frühen Neunzigern konnte Bryan Adams in letzter Zeit zwar kaum noch anknüpfen, was vielleicht daran liegt, dass sich die Leute mittlerweile an seine Musik gewöhnt haben. Trotzdem ist er jährlich immer noch bis zu 120 Tage auf Tour und erntet so den Lohn aus den vergangenen Jahren.

Mit "11" erscheint jetzt sein neues Album. Der Name rechtfertigt sich damit, dass dies sein elftes Studioalbum ist und könnte gleichzeitig die Begründung dafür sein, weshalb darauf (nur) elf Tracks zu finden sind. Außerdem scheinen solch banale Albumtitel, wie sie Chicago für immerhin dreißig LPs verwendeten, in letzter Zeit durch Grönemeyer ("12") oder Adele ("19") wiederbelebt worden zu sein.

"Tonight We Have The Stars" eröffnet die Platte. Und noch bevor der Gesang einsetzt, lässt sich erahnen, dass die Musik nur von Bryan Adams sein kann. Angezerrte Gitarren mit einem leichten Bluessound, dazu dieser typische Choruseffekt und ein (noch) gezügeltes Schlagzeug. So würde heute keiner mehr spielen – außer vielleicht die Dire Straits. Trotzdem hat die Akkordführung etwas Modernes. Adams fängt an zu singen. Eine aggressive Hammondorgel krächzt aus dem Hintergrund, ebenfalls ein Sound von gestern – aber er geht ins Ohr.

Seit Anfang März steht die erste Singleauskopplung in den Regalen. "I Thought I'd Seen Everything" ist einer dieser typischen fürs Radio produzierten Minimalisten-Rocksongs, die gerne mal im Hintergrund laufen, ohne großartig auf die Nerven zu gehen. Tempo 110 bpm, die besagte angezerrte Gitarre, begleitet von einer Akustikgitarre; obendrauf gibt's einen Text à la "Ich dachte, ich hätte alles gesehen, bis ich Dich sah". Das ging aber auch schon mal besser. Alles in allem klingt dieser Song nur nach Bryan Adams, weil Bryan Adams’ Stimme ihn singt. Würde ihn Phil Collins singen, könnte man ihn auch dessen Repertoire zuschreiben.

Erst "Oxygen" bringt richtigen Rock auf die Scheibe. Der Text ist zwar wieder nicht besonders einfallsreich und soll wohl nur dafür sorgen, dass genügend Grütze rüberkommt: "You’re like oxygen, every moment, every day. I need to breath you in. Don't take it away." Aber der Song treibt das Album an. Der Schlagzeuger hämmert in Vierteln auf die Snare und geht nach vorne. Auch das Distortionrädchen am Verstärker bekommt dieses Mal etwas Auslauf.

Auf "11" dominieren aber weiterhin die Softrocksongs. Dazu gehören "We Found What We Were Looking For", "Broken Wings" und "Mysterious Ways".

Eine Ballade, die jedoch aufhorchen lässt, ist "Walk On By". Sie ist zugleich Closer des Albums und wird nur von einer Akustikgitarre und einer Geige begleitet. In ihr geht es um Abschied und um den Aufbruch in ein neues Leben. Davon, wie schwierig es ist, alles hinter sich zu lassen, um in eine neue Welt aufzubrechen, von der man nicht weiß, ob sie überhaupt besser ist. Das ist mal gar nicht typisch Bryan Adams, dafür aber sehr gelungen.

Während also viele Künstler im Laufe ihrer Karriere einen Wendepunkt provoziert haben und sich von neuen Produzenten verheizen lassen, ist Bryan Adams seiner Musik treu geblieben. Zu treu, möchte man fast sagen. Denn etwas wirklich Neues erwartet uns auf "11" nicht. Vielmehr könnten Gewohnheit und Fantreue zum Kauf bewegen.

Trackliste

  1. 1. Tonight We Have The Stars
  2. 2. I Thought I'd Seen Everything
  3. 3. I Ain't Losing The Fight
  4. 4. Oxygen
  5. 5. We Found What We Were Looking For
  6. 6. Broken Wings
  7. 7. Something To Believe In
  8. 8. Mysterious Ways
  9. 9. She's Got A Way
  10. 10. Flower Grown Wild
  11. 11. Walk On By

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1 Kommentar

  • Vor 16 Jahren

    In den letzten Wochen hat Bryan Adams es schon oft in Interviews erzählt: Eigentlich hatte er zuerst vor, ein Akkustik-Album aufzunehmen, aber dann nahm er die fertigen Songs doch noch einmal neu auf. Das ursprüngliche Vorhaben hört man der neuen CD aber immer noch an: Die Akkustik-Gitarre dominiert in allen 11 Songs, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Album. So stehen die Lieder nicht jedes für sich, sondern bilden eine musikalische Einheit. Und auch eine thematische: Die Texte sind diesmal tiefsinniger als man es von Bryan Adams gewohnt ist. In zahlreichen Interviews hat er schon betont, dass es in allen Songs um die Suche nach dem ganz persönlichen Glück geht.
    Meine Favoriten: "Oxygen" und "Mysterious Ways"