laut.de-Kritik
Bittersüßes Gefühlschaos aus Schottland.
Review von Jasmin LützCamera Obscura kommen aus dem schönen Glasgow, und ihre sanften Hüftsongs plustern sich immer im richtigen Moment auf und sind dabei ein absolut einprägsamer Hochgenuss. So verfänglich schön wie die Landschaft im Sommergrün der schottischen Highlands. Jetzt stehen sie mit ihrem bereits dritten Longplayer "Let's Get Out Of This Country" in den Startlöchern und sorgen hoffentlich mal für mehr Aufsehen in den zahlreichen Indiehirnen dieser Welt. Keine Ahnung, warum ihre Vorgängeralben kaum beachtet wurden. Ich persönlich fühle mich allein schon vom Plattentitel bestätigt; sofort Koffer packen und raus aus der Hölle.
Emotionsreiche Pop-Sweetness schlängelt sich hier zehn Lieder lang schizophren durch den Sitz der Seele. Als würde das Ungeheuer von Loch Ness weinend im Schatten der Highlands sitzen und um Bruno den Bären trauern. Willkommen im prachtvollen Gefühlschaos von Camera Obscura.
"Lloyd, I'm Ready To Be Heartbroken" heißt es im tanzvergnügten Opener, und die Gesichtsmimik spielt verrückt. Soll ich jetzt lachen oder heulen?! "I'll protect you like you are the crown jewels", heißt es weiter im Text und ja, liebe Leser, ich bin schon lange bereit für den nächsten Herzklabaster, aber hüpfe dennoch heiter durch die Wohnung. "Tears For Affairs" sollte sich David Lynch sofort für seinen nächsten Film sichern.
Mit Songs wie "Dory Previn" wächst die Gänsehaut. "I think it's time I put him out of my mind". Die Stimme von Tracyanne Campbell, hier hauptverantwortliche Sängerin und Songschreiberin, begleitet sanftmütig den harmonischen Melodienmix aus Folk, Country, Pop und romantischem Walzerschritt (The False Contender). Bittersüßen Optimismus zeigt "Let's Get Out Of This Country", Robert Aldrichs Filmklassiker "Whatever Happend To Baby Jane" diente als Inspiration zum Titelsong.
Melancholie, die entspannt fröhlich zum nachmittäglichen Tanztee einlädt ("If Looks Could Kill") und mit schwedischem Chorgesang die Bühne von Top Of The Pops erobert, so lange sie noch steht ("I Need All The Friends I Can Get"). Francis McDonald (Shoeshine) haben wir u.a. diese Schönheit zu verdanken. Der Nice Man- und Teenage Fanclub-Trommler erzählte schon lange von einer unglaublichen Band aus Glasgow und steht ihr mittlerweile als Manager zur Verfügung.
Der gute John Peel hatte ebenfalls von Anfang an das Vergnügen, schloss das Sextett sofort in sein Herz und lud sie zu einer seiner berühmten Sessions ein. Um das Namedropping noch mehr zu unterstreichen und die Begeisterung für dieses Album zu steigern: Jari Haapalainen, der alte Schwede, hat die Platte produziert und ist bekannt von seiner Arbeit mit The Concretes und Ed Harcourt. So, jetzt aber mal schnell die Koffer packen, raus aus der Stadt und nicht vergessen: Camera Obscura einpacken, sonst könnt ihr gleich nach Hause fahren (bitte im Fußballslang lesen)!
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