laut.de-Kritik

Mehr Wahnwitz, bitte!

Review von

Als sich Capo 2012 erstmals ins Bewusstsein rappte, klang das herrlich überdreht. Zu einem Sample von The Prodigy unterstützte er mit seinem tapsig, hitzigen Auftritt die aufstrebenden Celo & Abdi auf "A2zlack". Während "Hinterhofjargon" zu einem Klassiker des hiesigen Streetraps avancierte, legte der Offenbacher eine Kehrtwende ein. Fein säuberlich bearbeitete er alle Ecken und Kanten, um auf "Hallo Monaco" mit Cro, Chima, Bausa und Shindy das gute Leben zu genießen. Es folgten das minimal rauere "Alles Auf Rot" und das völlig verwässerte "Capimo" an der Seite von Nimo.

Die abrupten Richtungswechsel haben Capo die Orientierung genommen und in eine verfrühte Midlife-Crisis gestürzt. "Wo ist meine Freude nur geblieben? Wo ist meine Jugend plötzlich hin?", fragt er zur Pianobegleitung von Paix und SOTT im "Intro": "Bin gefangen in vier Wänden ganz alleine. Jetzt fang' ich sogar an, mit ihn' zu reden." Doch der Rapper packt es proaktiv an und verspricht sich und der Hörerschaft: "Heute wird der Tag, an dem ich lebe." Mit wiedererstarkter Freude am Rap geht er in "Que Pasa" gleich in die Vollen: "Helikopterverfolgung, bin live im Fernsehen."

Die Action stürzt leider schnell wieder in Richtung bodenloser Langeweile. In "Papaya" geht es "von Offenbach am Main nach Jamaika", wo es sich Capo unter Palmen aus Plastik gemütlich macht. Überdruss macht sich bemerkbar, wenn der Rapper zu karibischen Klängen tonnenweise Kokain an den Mann bringt. "Mahalle" verspricht bereits mit der Ankündigung, "Geschichten aus dem Block" zu erzählen, lyrische Ödnis. "Viele Brüder sind gefallen so wie Herbstblätter", singt er klagend eines der denkbar abgegriffensten Bilder. Schon vor dem Refrain landet die Hörerschaft im Reich der Träume.

Um daraus zu erwachen, helfen weder südländischer Flair mit Azzi Memo ("Plastikkanister") noch sommerliches Marken-Namedropping mit Veysel ("Coco Chanel"). Einzig Rap-Troll Farid Bang mischt die Eintönigkeit auf, indem er das musikalische Ambiente des stilvoll gemeinten Songs "VVS" zerlegt. Selbst für seine Verhältnisse rotzt er bemerkenswert ungeniert ab: "Was machen Millionäre, was du nicht machst? Sie scheißen im Shirt von Chanel." Das wirkt bei aller Schroffheit erfrischend, gerade wenn Capo wie in "Pechschwarz" oder "Zeit Und Geld" wieder in Autotune-Depressionen versinkt.

"In mei'm Kopf ist schon wieder nur Drama", bemäkelt Capo auch in "Ghettogirl". Dann entfaltet sich jedoch ein Storyteller mit Eurodance-Anstrich, der grotesk genug ist, um prima zu unterhalten. Dabei wirkt die Geschichte loser zusammengestoppelt als manches eigens für den Bundestagswahlkampf eingeschobene Sachbuch. Die Handlung lässt sich unmöglich im Detail rekonstruieren, aber so viel sei gesagt: Die titelgebende Dame "macht wieder Stress" und schickt den Erzähler auf eine tödliche Heldenreise, die mit dem obligatorischen Selbstmord des Protagonisten endet.

Zum Abschluss steigt der Rapper pathetisch in "Vatertag" ein, um sich schrittweise zu steigern: "Mutter unter Tränen, wenn die Sonne untergeht. Dein Sohn geht aus dem Haus und kommt vielleicht nicht mehr zurück. Seine Feinde sind am beten, denn sie warten, dass er fällt." Wenn die lahme Räuberpistole schließlich bei Chören und einem ausgiebigen E-Gitarren-Solo landet, kapituliert die Kritik angesichts der Konsequenz, mit der er seinen absurden Ansatz durchzieht. Um "Hyat" auf ein höheres Level zu heben, benötigt Capo aber leider mehr als ein wenig Wahnwitz.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Que Pasa
  3. 3. VVS (mit Farid Bang)
  4. 4. Pechschwarz
  5. 5. Hyat
  6. 6. Papaya
  7. 7. Plastikkanister (mit Azzi Memo)
  8. 8. Ghettogirl
  9. 9. Mahalle
  10. 10. Coco Chanel (mit Veysel)
  11. 11. Zeit Und Geld
  12. 12. Dom Dom
  13. 13. Haram Helal (mit Uzi)
  14. 14. Vatertag

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