laut.de-Kritik

Disco-Rhythmus, Synthesizer, Vocoder-Sound und Chers Stimme.

Review von

Ne, Ne, Ne!
Ihr kennt bestimmt die Art und Weise, wie kleine Kinder Geschenke auspacken : Sie reißen unter Aufgebot all ihrer Kraft das Papier außen rum in Fetzen, schneiden sich fast die Finger blutig bei dem Versuch das Stoffband zu zertrennen, und werfen den ganzen Müll in hohem Bogen hinter sich. Das täte ich auch gerne mit Chers neuem Album "Living Proof". Ich würde gerne all die billigen 4/4 (vier Viertel) – "Buk-Tschak"- Beats rausreißen, den Vocoder auf den Boden werfen und drauf rum springen. Was bliebe dann von der Platte übrig? Ha! Gar Nichts!

Vor allem verstehe ich eines nicht: Wie zum Teufel können rund 25 (!) verschiedene Songwriter und Produzenten so viele gleiche Songs schreiben? Mindestens acht der nicht gerade üppigen zwölf Tracks klingen, als ob sie alle von einer einzigen Vorlage stammten. Der gleiche Disco-Rhythmus, dieselben Synthesizer-Episoden, eine austauschbare Melodieführung in den Vocals, der berüchtigte Vocoder-Sound und Chers Stimme, die immer klingt, als habe sie einen Frosch in der Kehlkopfgegend sitzen.

Die einzigen Abweichungen im zusammen gestückelten Soundbrei sind die Tracks fünf bis sieben, hier versucht sich Cher mit etwas weniger katastrophalem Ergebnis als R'n'B- bzw. Latino-Diva. Als besonderes Bonbon erklingen gar liebliche Akustikgitarren. Trotzdem passt der Stilwechsel irgendwie nicht: Slipknot machen ja auch keine Vertonungen von Disney-Filmen.

Lächerlich wird es, wenn man einen Blick auf die Texte wirft. Was will man schon erwarten, wenn auf dem Album fast die Hälfte der Songtitel das Wort "Love" beinhalten? Verboten werden sollte meiner Meinung nach auch die Unsitte, vollkommen wahllos irgendwelche Lieder den armen Opfern des elften Septembers zu widmen. Was bitte hat ein Text wie "Love don't need a reason just to leave you bleeding / But you know inside it's gonna be alright" damit zu tun? Solche Geschmacklosigkeiten lassen sich allenfalls damit entschuldigen, dass die Texte allesamt nicht viel Sinn machen, eine Auszeichnung ist das aber nicht.

Ob ich denn überhaupt nichts an der Platte gut finde? Doch: Die ersten drei Sekunden von "Body To Body, Heart To Heart" regen die Phantasie an: Das hätte vielleicht sogar ein Lied werden können, das man sich mal anhört, ohne dass die Ohren anfangen zu bluten.

Trackliste

  1. 1. The Music's No Good Without You
  2. 2. Alive Again
  3. 3. (This Is) A Song For The Lonely
  4. 4. A Different Kind Of Love Song
  5. 5. Rain, Rain
  6. 6. Love So High
  7. 7. Body To Body, Heart To Heart
  8. 8. Love Is A Lonely Place Without You
  9. 9. Real Love
  10. 10. Love One Another
  11. 11. You Take It All
  12. 12. When The Money's Gone

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4 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    ich halte das album für sehr gelungen und ich verstehe nicht, wie jemand probleme mit dem inflationären Gebrauch des Wortes Liebe haben kann, zumal es genau sie ist, die wir in unserem Leben brauchen; sonst nichts, denn alles weitere entströmt ihr; insofern enthalten die Texte dieses Albums ( vor allem different kind of love song) wichtige Aussagen wie die Tatsache, dass wir alle eins miteinander und dem Universum sind. Dies kann nicht oft genug gesagt werden in einer Welt , in der der Individualismus hochgehalten wird, obwohl wahre Stärke doch aus einem Einheitsbewusstsein resultiert. Mir ist schon bewusst, dass eine Krtitik kritisch sein soll, aber was wäre so falsch daran , alles anzumehmen so wie es ist. Sie hätten Vieles zu schreiben.

  • Vor 17 Jahren

    @moi_eternel (« wie die Tatsache, dass wir alle eins miteinander und dem Universum sind. »):

    Verrecke !! :(

  • Vor 17 Jahren

    @Kopfballungeheuer (« @moi_eternel (« wie die Tatsache, dass wir alle eins miteinander und dem Universum sind. »):

    Verrecke !! :( »):

    puh, laut Spiegelgesetz geht diese nachricht voll an den absender zurück :D

  • Vor 17 Jahren

    Ich mag das Album Living Proof - ist sicher net Cher's bestes Produkt, aber zum Tanzen einfach geil.

    Und Kommerz mit diesem Niveau gefällt mir. Die Texte haben durchaus mehr Tiefgang als man von Dance erwarten mag und die Produktionen sind durchaus differenziert.

    Ein Blick auf die Weltgeschichte zeigt, dass das Thema Liebe zwar immer präsent ist, aber das Ausleben dieser noch immer bedürftig vollzogen wird ;-)

    Zum Verfasser der "Kritik": jemand, der mit Cher so gar nix anfangen kann und will, sollte die Finger und Wörter davon lassen! Zumindest dann, wenn man es net schafft seine persönliche Meinung aussen vor zu lassen...