laut.de-Kritik

Musikstreams für Bots und Robots.

Review von

Es gibt keinen Artist, dessen Beliebtheit sich mir weniger erschließt als Chris Browns. Und das nicht nur aufgrund der Dinge, die er getan hat. Immer mal wieder klicke ich mich durch US-amerikanische Social Media-Beiträge und beobachte seine Fans. Neulich las ich seitenlange, ernstgemeinte Diskurse darüber, wie überlegen er Usher sei, und ob er nun talentierter als Michael Jackson sei oder nicht.

15 Jahre nach dem Rihanna-Vorfall (und den vielen, die darauf gefolgt sind) geht Team Breezy immer noch so hart, dass Brown ihnen ein Album widmet. Und dass es ihm ernst ist, sieht man daran, dass er sich den Albumtitel sogar in die Frisur rasiert hat. Jesses. Woher all die Begeisterung kommt, erklärt "Breezy" trotzdem nicht. Es bleibt überlanger, quasi komplett charakterloser R'n'B eines schmierigen Typen, der schon singen kann, aber sonst überhaupt nichts zu bieten hat.

Vielleicht hofft Chris Brown darauf, dass sich die eineinhalb Stunden (24 Songs) nach seinen monströsen Vorgängern "Indigo" (32 Songs, 123 Minuten), "Heartbreak On A Full Moon" (45 Songs, 150 Minuten) und der ... essentiellen "Hearbreak On A Full Moon (Christmas Deluxe)" (57 Songs, fast 200 Minuten) ein bisschen humaner anfühlen. Und fürwahr: Tut es. Aber zu lernen, dass dein Bubblegum-R'n'B-Album nicht an der Spieldauer des "Apocalypse Now"-Director's Cut kratzen muss, sind in diesem Fall Babysteps, denn Brown hat auch auf dieser Platte maximal Ideen im Wert einer Viertelstunde.

Grob aufgeteilt, könnte man sagen, dass die erste Hälfte von "Breezy" aus wahllosen Kollaborationen besteht, und die zweite aus Solosongs, auf denen er sich ein bisschen an verschiedenen Sounds ausprobiert. Und um einmal mit dem positiven anzufangen: Hier finden sich die besseren und interessanteren Produktionen. "W.E. (Warm Embrace)" und "Iffy" bieten eigenwillige Synthesizer und klingen etwas einprägsamer. "Harder" und "Luckiest Man", ein bisschen organischere Produktionen, bauen wohl am ehesten so etwas wie Atmosphäre auf. "Survive The Night" kommt einem Banger auf diesem Album am nächsten. Trotzdem tue ich mich sehr schwer damit, mich auf einen melodramatischen Chris Brown einzulassen, der darüber jammert, wie toxisch seine Partnerin sei. Es fühlt sich manipulativ an.

Dies wäre jetzt auch der Punkt, um eine sehr wichtige Frage zu stellen. Für ein Pop-R'n'B-Album von einem der größeren Superstars des Genres und einer Featureliste voll kommerziell erfolgreicher Artists: Warum macht dieses Album so überhaupt keinen Spaß? Wo sind die Banger, die Songs, die man sofort noch mal abspielen möchte? Genau wie die beiden Monstrositäten zuvor setzt auch diese Platte nur auf Vibes, nur darauf, dass alles schon klar genug als Brown-typischer R'n'B zu erkennen ist. Und dabei ist es ist nicht nur langweilig, sondern geradezu absurd, wie offensichtlich diese immergleichen R'n'B-Leierkasten-Harmonien am Fließband zusammengeschraubt sind.

Die ganze erste Hälfte des Albums ist ein einziger Treibsand. Song nach Song begegnet uns nur eine Assemblage der uninspiriertesten, modernen Trap'n'B-Beats, die man sich vorstellen kann. Song für Song wartet man auch auf das Feature, um aus dem Dämmerschlaf zu erwachen. Aber irgendwie schafft Brown es, aus jedem Artist eine ebenso stereotype wie belanglose Performance zu kitzeln, dass selbst interessante Artists wie Wizkid, Lil Wayne, Fivio Foreign und EST Gee ohne den blassesten Eindruck auf- und wieder abtreten.

Die R'n'B-Duette mit Ella Mai und H.E.R kommen und gehen im Autopilot, allein Jack Harlow scheint sich auf "Psychic" ein bisschen Mühe mit seinem schrägen Verse zu geben, in dem er orakelt, seine Angebetete stehe auf Anime und habe eine Emo-Phase hinter sich. Und ihr glaubt an dieser Stelle nicht, wie stolz ich bin, mich überhaupt an irgendeine Textstelle zu erinnern. Abgesehen davon werden Features von Lil Baby und Lil Durk zwar Streaming-Zahlen garantieren, unbedingt interessanter machen sie diese Platte aber nicht.

"Breezy" von Chris Brown ist Musik, deren einzige Logik die Streaming-Optimierung ist. Nach R'n'B klingender R'n'B, algorithmisch zusammengestellt mit gute Zahlen versprechenden Features, für Leute, die irgendetwas in den Hintergrund klatschen wollen, das nach R'n'B klingt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeiner dieser Songs ein Fan-Favorit werden wird, genauso wenig, wie die letzten Alben einen hervorgebracht haben - eine monumentale Aneinanderreihung von Gleichem an noch Gleicheres. Und nun haben wir das Gleichste erreicht: "Breezy" ist Streaming-Algorithmus-Musik, so sehr, man könnte meinen, sie würde an diesem Punkt nur noch von Bots gehört.

Trackliste

  1. 1. Till The Wheels Fall Off (feat. Lil Durk & Capella Grey)
  2. 2. C.A.B. (Catch A Body) (feat. Fivio Foreign)
  3. 3. Pitch Black
  4. 4. Possessive (feat. Lil Wayne & BLEU)
  5. 5. Addicted (feat. Lil Baby)
  6. 6. Call Me Every Day (feat. Wizkid)
  7. 7. Closure (feat. H.E.R.)
  8. 8. Need You Right Here (feat. Bryson Tiller)
  9. 9. Sex Memories (feat. Ella Mai)
  10. 10. Hmhmm (feat. EST Gee)
  11. 11. Psychic (feat. Jack Harlow)
  12. 12. Show It (feat. Blxst)
  13. 13. Sleep At Night
  14. 14. Passing Time
  15. 15. WE (Warm Embrace)
  16. 16. Forbidden
  17. 17. Bad Then A Beach (feat. Tory Lanez)
  18. 18. Survive The Night
  19. 19. Dream
  20. 20. Slide
  21. 21. Harder
  22. 22. On Some New Shit
  23. 23. Luckiest Man
  24. 24. Iffy

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7 Kommentare mit 24 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Ach komm... laut.de mag Chris Brown seit Rihanna nicht. Kann ich verstehen. Aber das ist einer der wenigen RnB Sänger, der seinen Job noch nicht an einen rappenden Autotune Spacko abgetreten hat. Die 90er kommen nicht wieder, aber der erinnert wenigsten noch ein bischen an die guten Modern RnB Zeiten. Da bin ich nostalgisch.

    • Vor einem Jahr

      alter, rnb ist so gut zur zeit, schau doch mal stuff von lucky daye, giveon, summer walker, jazmine sullivan, mariah the scientist oder sogar leute wie yung bleu oder blxst an. Da fühlt sich für mich der sound von chris brown eher aus der zeit gefallen an

    • Vor einem Jahr

      Der eine Johnny mit der Skimaske

    • Vor einem Jahr

      Ok, ich korrigiere: Einer der wenigen "alten" RnB Sänger, wie die alten Recken, a la Usher. Eure genannten sind alles neue Künstler, bis auf Jazmine Sullivan.
      Ich würde mir ein neues Blackstreet wünschen. Was clubbiges, schnelles mit mehr Bumms. Da findet RnB nicht mehr statt. Bis auf Ausnahmen wir Chris Brown. Auch wenn ich einen Giveon, Lucky Daye etc. sehr zu schätzen weiss, so ist es doch für die meisten eher H&M Umkleidekabinen RnB.

    • Vor einem Jahr

      du laut-speichellecker

    • Vor einem Jahr

      Mhm, ja. Weil ich Plastikschmutz von einem Frauenschläger scheisse finde, bin ich ein Speichellecker.

    • Vor einem Jahr

      da sind wir aber ganz schnell wieder online ;-) doppelmoral ist das hier, weiter nichts. jahrelang user bashen, aber dann in die indoktrinierte laut-politik miteinstimmen

      btw hab das album nichtmal gehört, weil mich der langweilt und zum thema frauenschläger gibts auch keine zwei meinungen, aber wenn du schon bei simplen postings derartigen beißreflex zeigst, dann hast du wohl deine tage oder einfach schlechte laune

    • Vor einem Jahr

      :D Ich warte geduldig auf den Tag, an dem er das versteht.

    • Vor einem Jahr

      Naja, es ist wohl eher DEIN Beißreflex bei JEDEM Thema das in die Richtung geht einen superedgy Kommentar auf Lager zu haben, der in högschdem Maße peinlich ist.
      Dann noch cooles Schwurbler Vokabular wie "indoktrinierte Politik" verwenden und fertig ist der 2022 garret, den hier wirklich schon lange niemand mehr braucht. Manchmal finde ich es schade, weil ich das Gefühl habe, dass du mal irgendwann mit Usern hier auf Augenhöhe warst, inzwischen halt nicht mehr, aber vllt verkläre ich da auch nur die Vergangenheit.

      Und naja, Doppelmoral solltest du vllt auch nochmal googlen, Blingboi. ;)

    • Vor einem Jahr

      Das hat zwar jetzt dann doch etwas länger gedauert, aber ich hatte schon Angst, du bist ein weichei geworden, aber da war wieder alles drin: blingboi, irgendwas googlen, peinlich, Augenhöhe. Genial, Chapeau!

      Einen craze 2022 braucht auch kein Mensch, einen garret auch nicht, aber wir sind noch hier still swinging. Also werd ein Mann und markier hier nicht den dicken wie auf deinen Fotos eh schon :lol:

      Das ist auch nicht deine posting Uhrzeit hier, also bedeutet es dir schon was direkt zu antworten. Danke ;-)