laut.de-Kritik

Songs, zu denen man sich im Moshpit küsst.

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Die Zehnerjahre waren sicher keine goldene Ära für Indie-Rock. Nach dem Hype um die The-Bands und dem englischen Post-Punk-Revival im vorangegangenen Jahrzehnt übernahmen erst einmal für längere Zeit die New Yorker Hipster. Hip-Hop wurde der neue Pop und Taylor Swift begründete mit "1989" ihre bis heute andauernde Weltkarriere. Und dann erschien eben noch das Cloud Nothings-Album "Here And Nowhere Else", das genau in diesem Monat sein Zehnjähriges feiert. Natürlich nicht vergleichbar mit dem Erdbeben, das zuvor die Strokes oder Franz Ferdinand auslösten, eher eine Art Alternativlosigkeit nach dem Goldrausch. In einstmals wichtigen Musikblogs, mittlerweile auch ein Anachronismus, wurden ständig die Wavves, Girls oder andere komplett vergessene Hipster-Rockbands gehypt, in der Hoffnung auf die nächsten Nirvana.

Viele sind gegangen, die Cloud Nothings und ihr euphorischer Garagen-Rock-Spirit nicht. Genug Harmonien waren durchaus vorhanden, der Lo-Fi-Punk und der sehr ähnliche Gesangsstil zu Cobain auch, allerdings verhinderte die nerdige Minijobber-bei-Walmart-Optik von Sänger Dylan Baldi allein schon eine ähnliche Karriere. Und es fehlte einfach dieser entscheidende Hit.

Vielleicht auch gut, dass die Band im Gegensatz zu Tame Impala, die auch mal im Underground starteten und nun ätherischen Mainstream-Pop spielen, nie die großen Bühnen erreichten. "Final Summer" ignoriert alle Trends konsequent und konserviert unerschütterlich den Sommer 2011. "I'd Get Along" bleibt im Kern ein lupenreiner Popsong mit Cobain-Geschrei und bewusst fehlerhaften Gitarren-Licks. Songs, zu denen man sich im Moshpit küsst. Hier etwas Sixties-Surf-Träume, eine ordentliche Prise Dinosaur Jr. und noch eine gute Portion Grunge-Weltschmerz.

In "Running Through The Campus" begegnet Baldi der jüngeren Generation von Studenten und sucht nach seiner heutigen Relevanz für die Kids. Ja, wahrscheinlich nehmen sie wirklich keine Notiz mehr von ihm, weil sich auf dem Campus gerade wütende Politik-Fraktionen gegenüberstehen und ein aktueller Kinofilm wie "Civil War" plötzlich eine schon bald mögliche Zukunft skizziert. Wie passen da noch die freundlichen Cloud Nothings rein, die immer noch nach Slacker-Sommer in der WG-Bude klingen? Damals hingen keine Flaggen über dem Bett, vielleicht ein paar Polaroid-Fotos vom besten Strandurlaub des Lebens und obwohl die Eltern immer Geld für neue, vernünftige Schuhe senden, blieb es bei den zerrissenen Chucks. Cloud Nothings holen einen genau in diese unbeschwerte Zeit zurück. Ein paar Jahre vor der Weltmeisterschaft, mit genau keiner Krise und der überlebenswichtigen Frage, ob das iPhone 5 besser als das HTC One abschneidet.

"Final Summer" macht schwer nostalgisch, erinnert an Frühling und verlorenen Optimismus. Sänger Baldi klingt zum Glück nie verbittert. In dem Euphorie-durchtränkten "The Golden Halo" fantasiert er einfach über einen letzten Sonnenuntergang und alles wirkt friedlich. Kein Wehklagen, alles okay, so wie es bisher lief. Die Sonne ist seit 2011 häufig auf und unter gegangen, aber hätte die Welt nicht trotzdem etwas besser zu solchen Bands sein können und etwas weniger zu den Swifts, The 1975s oder Boygenius? Tja, man darf ja wohl noch träumen und dazu lädt das neue Cloud Nothings-Album mehr als nur großzügig ein.

Trackliste

  1. 1. Final Summer
  2. 2. Daggers Of Light
  3. 3. I'd Get Along
  4. 4. Mouse Policy
  5. 5. Silence
  6. 6. Running Through The Campus
  7. 7. The Golden Halo
  8. 8. Thank Me For Playing
  9. 9. On The Chain
  10. 10. Common Mistake

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1 Kommentar

  • Vor 6 Monaten

    Wird diesen Sommer auf jeden Fall ein Begleiter für Decke, Fahrrad oder Tischtennisplatte. Liebe deren Song "Enter Entirely" so hart, die EP mit Wavves hatte auch paar geile Songs.

    Es ist außerdem vollkommen ok, Boygenius mit 1975 und Taylor S. in einem Satz zu erwähnen. (die Platte war overrated af!)