laut.de-Biographie
Coma
Manchmal hilft ein Ortswechsel dem kreativen Potenzial auf die Sprünge. So beim Kölner Produzentenduo Coma, bestehend aus Georg Conrad und Marius Bubat. Zwei Jungs vom Niederrhein mit Indierock-Background ziehen nach Köln - und werden dort innerhalb kürzester Zeit als "new Techno sound of Cologne" gefeiert. Wie geht das?
"Nun, wir mochten schon immer elektronische Musik. Letzten Endes war es Erlend Øye (Whitest Boy Alive, Kings Of Convenience), der uns zu catchy Techno-Pop hingeführt hat. Wir sind aber nicht mit 16 auf die derben Technoraves gegangen oder haben am Atari Sounds gebastelt", sagt Marius Bubat.
Er kennt Conrad aus frühen Indierock-Tagen. Damals feiern die beiden noch unter dem Bandnamen Unisono UK- und US-Indie-Gitarrenacts wie Blur, Pavement, Radiohead und Weezer.
Den Ausgangspunkt für den Stilwechsel hin zu Synths, Sequenzern und 'Cosmic Techno Pop' markiert der Umzug nach Köln zwecks Studium 2003. Georg und Marius tauchen in die Kölner Szene ein, lernen Tobias Thomas kennen - eines der Aushängeschilder des lokalen Technolabels Kompakt. Unterdessen wechselt man das Studienfach: von Musikwissenschaft zu Tontechnik. "Das war gut, um das technische Knowhow von Musikproduktion und Programming zu erlernen."
Sukzessive tauschen Coma den Postal Service-Sound gegen weitgehend elektronische Klanggeber ein, ohne auf der Bühne ganz auf Gitarren und Mikrofon zu verzichten.
Bei einem Fotoshooting lernt Marius Jungsheft-Herausgeberin Elke Kuhlen kennen. Die bringt nicht nur ein Indieporn-Magazin heraus, sondern hat auch bei einer Kölner Musikmesse ihre Finger im Spiel. Folge: ein Slot auf der Newcomer-Bühne der c/o pop 2007.
Dort entdeckt Tobias Thomas Marius und Georg für sich und bucht sie für die nächste Kompakt-"Total Confusion"-Party. Der Auftritt gerät zum vollen Erfolg. Zeit für gemeinsames Zukunftspläneschmieden: Nach zwei EPs auf Firm ("Coma", "Choices") erscheinen seit "Crystal" 2009 alle jüngeren Releases auf Kompakt. Schon die erste 12" landet seinerzeit in den Plattenkoffern von Michael Mayer, Superpitcher und Sascha Funke.
Auch dank des prallen Kompakt-Adressbuchs geht es bald mit dem Goethe-Institut nach Vietnam, Shows in Indien und ganz Europa, Slots beim texanischen South by Southwest- sowie beim deutschen Melt!-Festival folgen.
Allerorts werden Comas Livequalitäten gepriesen, ihr unverwechselbarer Sound zwischen "New Rave, Oldschooltechno, 80er Pop, Italodisco und 2k Modernität". Gleich mehrfach bucht sie Berlins legendäres Technokolosseum Berghain, und sogar der englische Guardian lädt 2012 zum Videofeature.
Unterdessen lassen sich Conrad und Bubat Zeit zum Reifen und raffinieren ihre Klangsprache von EP zu EP weiter. Bratzige 8-Bit- und NuRave-Sprengsel weichen einem mal deephousigen, mal technoiden, schlussendlich stets poporientierten Appeal.
Auch in Kooperation mit dem Kölner Klüngel (Mit, Dillon, Ada, Vimes) beweist das Duo Wandlungsfähigkeit, verbaut hier Vocals, dort Ambient-Flächen ("Famous"-EP, 2011) und untermauert mit Remixen (darunter Station 17) die Produzentenskills.
Bei so viel Rückenwind und kreativer Ambition kann in Sachen Popkarriere nicht mehr viel schief gehen: Im April 2013 erscheint Comas Debütalbum "In Technicolor" auf Kompakt.
2015 erscheint der Nachfolger "This Side Of Paradise". Sowohl Bubat als auch Conrad haben eine transformative Zeit in ihrem Leben erlebt, die durch eine Reihe von Herausforderungen und Meilensteinen gekennzeichnet war, darunter der Verlust eines Elternteils und die Geburt eines Kindes. Für Conrad erweist sich die Rückkehr ins Studio als eine wirksame Form der Therapie, die den oft schmerzhaften Prozess der Realität überwinden kann. "Musik zu machen ist eine Art von Eskapismus, es versetzt dich in eine andere Welt, in der du alles um dich herum vergisst".
Comas Album "Voyage Voyage" erscheint 2019. In zehn Tracks verschmelzen die beiden Klavier, Gitarre, Schlagzeug, Synthesizer und elektronische Schnörkel mit futuristischen Gesangsharmonien, die den melancholischen Pop-Faktor verstärken und die flüchtigen Momente, Stimmungen und Abenteuer des Lebens einfangen. Einer der herausragenden Tracks des Albums "Snurrebassen" entsteht während eines Angelausflugs an der Ostsee.
2021 hört man wieder etwas vom deutschen Duo durch die Single "Start/Stop/Rewind", die zum meistgespielten Song auf Radio 1 avanciert. Bis das vierte Studioalbum fertig ist, dauert es aber noch. Die elf neuen Songs entstehen zwischen Mai 2020 und Mai 2023 im Kölner Studio. Der Grund für die lange Zeit sind die Kinder, da beide jeweils Vater wurden.
"Dieses Album war vom Entstehungsprozess her das schwierigste", sagt Marius, "weil wir versucht haben, zwischen Kleinkindbespaßung und Familienleben diese Songs zu schreiben. Dabei ist alles irgendwie zu einer einzigen surrealen Suppe verschmolzen: Kinderlieder und -geschichten. Bilder im Kopf und schlaflose Nächte. Ängste, Träume und die großen und kleinen Fragen des Lebens." "Wir waren haltkomplett durch den Wind, durch den Schlafmangel und den ganzen Input mit kleinen Kindern", sagt Georg. "Auch das kann auf eine Art inspirierend sein, es war nur komplett anders." "Stimmt", erwidert Marius. "Trotzdem haben wir uns beim Musik machen und-produzieren dieses kindliche und naive Rangehen bewahrt. Daher auch der Albumtitel." "Fuzzy Fantasy" erscheint im März 2024 auf City Slang.
Coma stehen für smart arrangierten Indie-Elektro, der mit einer gehörigen Portion Melanchie daherkommt. Beide Musiker entwickeln sich stets weiter und möchten bei jedem Album etwas neues wagen - und das auch noch Made in Germany. Einfach spitze!
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