laut.de-Kritik
In berauschender Form - auch ohne Alice Glass.
Review von Toni HennigNach dem Album "III" stieg Sängerin Alice Glass 2014 bei Crystal Castles aus und hinterließ eine große Lücke - denn auch songwriterisch war sie eine treibende Kraft in dieser elektronischen Band. So hat die Ersatzsängerin Edith Frances bei den Fans zunächst einen schweren Stand. "Amnesty (I)" solle aber jeden Zweifel musikalisch hinwegfegen.
Nach einem sphärisch-elektronischem Intro mit "Femen" stellt Edith ihre gesanglichen Qualitäten unter Beweis. In "Fleece" mit leiernder Synthline und knarzigen Noiseeinschüben macht sie eine sehr gute Figur. In Sachen Kratzigkeit steht Frances der Vorgängerin in nichts nach. "Char" mit wunderbarem Synthiefundament beweist ebenfalls, dass sie auch in den sanften, melancholisch angehauchten Momenten zu Crystal Castles passt.
"Enth" zieht das Tempo im Anschluss wieder an, erweist sich als ein starker Elektrobanger mit aufgedrehten Synthies und harten Snareschlägen. Mit hedonistischem Feeling ausgestattet - wie man es von Crystal Castles kennt - dürfte der Track bei Liveshows für Furore sorgen. Der verhallte Gesang auf melancholischem Fundament von "Sadist" wird immer wieder durch Noiseeinschübe unterbrochen.
Somit bleibt das Duo auf "Amnesty (I)" unberechenbar. Im weiteren Verlauf stellt sich die Platte als eine äußerst abwechslungsreiche emotionale Achterbahnfahrt dar - lenkt das Chaos aber in geordnetere Bahnen. Es gab bisher kein Album der Kanadier, das so eine konsistente Gesamtatmosphäre aufweist.
"Frail" klingt tanzbar, aber auch ein wenig verträumt. Das Beste zwischen Tanzfläche und Schlafzimmer in einem Song vereint. Die dezente Pianoline gegen Ende beweist, dass Produzent Ethan Kath auch den Blick für kleine Details besitzt. Kennt man von der Band in Songs wie "Celestica" von ihrem Album "Chrystal Castles (II)" ja schon, funktioniert aber immer wieder hervorragend.
"Concrete" klingt dagegen wieder kaputter und wurde sicher bewusst so unfertig und spontan produziert - aber das macht halt den Charme von Crystal Castles aus. Danach gibt es ebenso verhuschte, experimentelle Witch-House-Momente, die aber nie zu sperrig geraten. Sie sorgen für die nötige Entspannung, weswegen man "Amnesty (I)" am Stück genießen sollte, auch wenn das Tanzbein in "Kept" mit saftigen Filter-House-Momenten - wie man sie von Daft Punk kennt - kaum stillsteht.
Mit "Amnesty (I)" halten Crystal Castles das schon sehr hohe Niveau der drei Vorgängerscheiben. Ihren charakteristischen, tanzbaren Elektrosound mit Noiseeinschüben und sphärischen Witch-House-Momenten verfeinern sie noch um Nuancen. Edith Frances feiert hier einen ziemlich guten Einstand und zeigt eine Souveränität, die über den Verlust von Alice Glass hinwegtrösten sollte. Wo Crystal Castles drauf steht, bekommt man Crystal Castles geboten.
5 Kommentare mit einer Antwort
Hab nur die Singles gehört, aber da hat man Alice's Fehlen nicht wirklich bemerkt. Scheint kein Qualitätsverlust zu sein.
Die ersten beiden Alben hab ich rauf und runter gehört. Bim gespannt.
Das Album ist grandios geworden!
"aber das macht h a l t den Charme von Crystal Castles aus."
Wenn ich kritteln dürfte, würde ich da ein dickes A dranmalen. In der Kommentarsektion wäre so ein Satz okay, aber inner Rezi?
Vermutlich das beste Pop Album von Crystal Castles. Läuft in Dauerschleife. Mit neuer Sängerin könnte eventuell auch ein Konzert wieder interessant sein. Alice Glass war auf dem Dockville 2011 der Grund für vorzeitige Flucht.
war sie so schlecht oder wegen ihrer einzigartigen Ausstrahlung?