laut.de-Kritik
Geglättete Varianten des eigenen Back-Katalogs.
Review von Matthias MantheDie Synthiefanfaren waren bei Crystal Castles schon immer eine relativ delikate Angelegenheit. Pointiert gesetzt, verzuckerten sie nicht nur einzelne Tracks, sondern bildeten auf den Vorgängern cripsy Kontrapunkte zu Punk, experimentellem Gelärme und Ether Ambient. Das herrlich übertriebene Feuerwerk stiftete als Gegenpol fast immer Sinn.
Für "III" homogenisiert das Toronto-Duo seinen Sound nun so weit, dass abseits von allgegenwärtigen Rave-Tröten (unerträglich: "Sad Eyes"), stoischen Bassdrums und Alice Glass' bewährt verhallt-zerhacktem Gesang wenig Substanz übrigbleibt. Die neuerlichen 39 Minuten versuchen mutmaßlich, Crystal Castles erst aufs Fundament zu reduzieren und anschließend mit ordentlich Synthesizer-Sahne wieder hochzuzüchten; das Skizzenhafte von so tollwütigen Ausrastern wie "Alice Practice" oder "Doe Deer" wurde zugunsten eines geraden Albumflusses ersatzlos gestrichen.
Dieser Versuch geht jedoch regelmäßig schief. Der Verzicht auf die Schwarzweißwechsel von überschwänglichem Ätherpop und kakophonischem Noise, die der Vorgänger "II" perfektioniert hatte, beraubt "III" seines Adrenalinfaktors. Er offenbart außerdem, dass Ethan Kath und Alice Glass 2012 die entscheidenden Ideen fehlen, um in der zugezogenen Witch House-Nachbarschaft signifikant zu bleiben.
Ihre Mitgift scheint schlicht nicht gewichtig genug. Mit Trademarks wie Chipmunking, Four-to-the-floor-Trance, Glitch, fragmentiertem Hallgesang und NuRave-Fanfaren heiratet man sich nicht mehr in elektrifizierten Pop ein. Jene Elemente sind heute eher Creative Common als typisch Crystal Castles. In der Folge klingt hier manches nach geglätteten Varianten des eigenen Back-Katalogs.
Die immer noch okaye, aber eben unspannende Cyborg-Halbballade "Affection" erreicht in keiner Sekunde "Not In Love"-Fahrwasser, was keineswegs nur am Fehlen von Robert Smiths Stimme liegt. Das elektrohousige "Violent Youth" gibt nicht nur im Titel den Wiedergänger - memento "Violent Dreams" -, sondern weiß mit auf Kinderstimme gepitchten Vocals auch musikalisch nur von alten Leiern. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Kath/Glass haben übersteuertes Live-Instrumentarium, gebrochene 8-Bit-Sounds und hysterische Schreie amputiert. Die entstehenden Leerstellen füllen sie mit der immer gleichen Masse aus mitunter nervtötenden Trance-Beats und Background-Vocals auf. "III" ist zu viel von allem (Fanfaren, Soundspuren) und zu wenig (Mut) zugleich. Für Crystal Castles, die ich vor zwei Jahren noch auf dem Weg zur Unverwechselbarkeit verortete, ist dieses fast eintönige Release zu wenig.
1 Kommentar
Besser hätte ich es nicht ausdrücken können, was ich selbst von den neuen Liedern halte.