laut.de-Kritik
Ein Cumback nach Maß.
Review von Mirco LeierEs ist schön, zu sehen, dass sich manche Dinge wahrlich nie ändern. Seit CupcakKes letztem Album fegte eine Pandemie über die Welt hinweg, in Europa brach ein Krieg aus, in ihrer Heimat USA wollten sich Faschos an die Regierung putschen, während die gesamte Rap-Szene gleich mehrere Sinnkrisen durchlief. Auf die Libido der 27-Jährigen hatte all dies jedoch reichlich wenig Einfluss. Auf "Dauntless Manifesto" gibt sich CupcakKe mindestens wieder genauso horny, wie vor sechs Jahren, als sie sich wortlos von der Bildfläche verabschiedete.
Trotz der jahrelangen Absenz führt der siebte Langspieler die zuvor etablierten Muster ihrer Diskographie fort. Sex, Sex, Sex und noch mal Sex, eine kleine Prise Trash-Talk obendrauf und zur Vollständigkeit halber noch der Beweis, dass diese Frau auch ein lyrisches Konzeptalbum auf dem inhaltlichen Niveau eines "Good Kid Maad City" aus dem Arm schütteln könnte, wenn sie denn nur wollen würde.
Aber wieso dieses Talent dafür nutzen, um in einem ohnehin überfüllten Subgenre nur die zweite Geige zu spielen, wenn man damit auch ein anderes in Grund und Boden dominieren kann? Denn niemand, und ich meine wirklich niemand, rappt so ungehemmt und wortgewandt über Sex wie CupcakKe. War "WAP" vor vier Jahren noch ein gefundenes Fressen für konservative Amerikaner:innen, um sich darüber zu empören, dass Frauen tatsächlich Spaß beim Sex haben können, treffen sie mit CupcakKe auf ihre Endgegnerin. Ich bin mir sicher, dass Ben Shapiro beim Lesen dieser Texte zuerst ein Zelt in der Hose und dann einen Herzinfarkt bekommen würde: "Got my asshole squintin' on his dick, like it might fuck around and need glasses."
Dabei sind CupcakKes Texte nicht mal zwingend sexy. Ihr Ansatz, über Sex zu rappen, ist genauso martialisch wie er zum Totlachen ist. Mit ihren Sex-Jams macht sie sich den pornohaften Male Gaze zu Eigen. Nur sind ihre Bars eben nicht bloß stumpf und obszön, sondern tatsächlich ziemlich clever und lustig. Das Ganze hat im Endprodukt dann auch weniger mit makelloser Porno-Ästhetik und mehr mit Cartoons zu tun, die nach Mitternacht auf Nickelodeon laufen könnten.
Angefangen von einem Song wie "Little Red Riding Good", der sich bei Rotkäppchens Bildsprache bedient, um über Period-Sex zu rappen ("Reincarnate my throat to the wolf / I could swallow kids / But grandma can't look"), bis hin zu den komplett kaputten Adlibs, die den Inhalt von Songs wie "Queef" oder "DUI" erst so richtig lebendig werden lassen.
Je lauter man darüber redet, wie gut der Sex ist, den man hat, desto schlechter ist er in Wirklichkeit, heißt es ja. Im Falle CupcakKes kann das aber schlichtweg nicht stimmen. Denn ich weigere mich zu glauben, dass man aus Themen wie Squirting oder Queefing einige der spaßigsten Songs des Jahres bauen kann, ohne im Schlafzimmer selbst dann noch sämtliche Hosen fest in der Hand zu haben, wenn sie schon längst auf dem Boden liegen.
Wie so oft versteckt sich inmitten des Dickichts aus Kamasutra-Nachträgen und Ejakulat-Tsunamis durchaus Material, das ein vollständigeres Bild von Cupcakke zeichnet, als eine aus einem Disney-Porno ausgebüxte Nymphomanin. "Grilling N*ggas II" und "Double Homicide" schießen die Konkurrenz aus nächster Nähe mit einem Flakgeschütz über den Haufen und packen mehr Zinger in fünf Minuten Sperrfeuer als manche Rapper auf ein ganzes Album. Wer zu prüde ist, um darüber zu lachen, welche Verwendungen diese Frau für einen Penis findet, holt sich hier persönlich eine Schelle dafür ab.
"Cody" ist sich dazu konträr nicht zu schade, sich tatsächlich so etwas wie Herzschmerz einzugestehen, während einem das großartige "Rock Paper Scissors" wiederum eine eigene Schulter zum Weinen hinhält, bevor einen "Aura" mit seiner in Zuckerwatte eingewickelten Empowerment-Message mitten auf die Tanzfläche schubst. Das lyrische Highlight findet sich jedoch im Closer "Cruella", der das Bild des Mantels der titelgebenden Figur bemüht, um sich von Fanfaren und reichlich Pathos begleitet für Gleichberechtigung einzusetzen. Der Song mag auf den ersten Blick etwas verspielter daherkommen, als vergleichbare lyrische Dampfwalzen, aber bringt das Thema eindrucksvoller und nachhaltiger an den Mann, als es ein J. Cole jemals könnte.
Wie bereits erwähnt, ist der Aufbau zwischen Bettsport und Charakterzeichnung nicht neu bei CupcakKe. Das, was "Dauntless Manifesto" bei genauerem Hinhören zu CupcakKes bisher spannendstem Album macht, passiert abseits der Inhalte. Denn die Rapperin hatte schon immer große Probleme, Instrumentals zu finden, die ihrem Charisma und ihrer Hemmungslosigkeit gerecht werden, geschweige denn das Interesse an selbigen über die Dauer einer gesamten LP aufrechtzuerhalten. Das klang immer ein wenig nach Stangenware, nach Mittel zum Zweck.
Auch, wenn sie während ihrer Auszeit nicht zwingend renommiertere Namen rekrutieren konnte als zuvor, leisten Produzenten wie Def Starz und Geam mit Abstand die bislang ambitionierteste Arbeit. Mit wenigen Ausnahmen, die etwas generischen "Nun Nun" oder "Backstage Passes", schlagen die Instrumentals unaufhörlich Haken und schaffen es, CupcakKes schillerndes, unapologetisches Charisma am Leben zu erhalten, selbst, wenn sie mit der einen oder anderen Hook vielleicht mal daneben greift.
CupcakKe bewies während ihrer Karriere immer wieder, dass sie keine Angst davor hat, ihr Portfolio zu erweitern. Wo ihr bislang allerdings oft die Mittel fehlten, diese Ideen entsprechend umzusetzen, lässt "Dauntless Manifesto" jene nicht nur lebendig werden, sondern vereint alle auf ein und demselben Album. Schon innerhalb der ersten drei Tracks wechselt die Rapperin zwischen derbem Trap, der wie der Soundtrack eines Cartoon-Bösewichts daherkommt, melodischem, fast ätherisch anmutendem Jersey Club und einem fucking Disco-Song über Squirting.
Es ist unglaublich erfrischend CupcakKe dabei zuzuhören, sich so befreit und ohne instrumentale Scheuklappen auszutoben. Das Album birgt neben den Trap-Brettern und den gewohnten Pop-Rap-Crossovern auch jede Menge Ideen und Sounds aus Brazilian Funk ("DUI"; "Yawn"), Hyperpop ("Aura"), Liquid Drum'n'Bass ("Dementia") und Alt-Rock. Ja, Alt-Rock. "Rock Paper Scissors" klingt wie ihre Version eines verdammten PJ Harvey-Songs.
Das diese Rechnung nicht einfach nur aufgeht, sondern zu den größten Highlights der gesamten LP zählt, veranschaulicht wunderschön, dass es in CupakKes Musik nie einfach nur darum geht, für einige Lacher oder hochgezogene Augenbrauen zu sorgen, sondern wir eine unglaublich spannende Vision einer vollwertigen Künstlerin erleben. Nur beinhaltet diese Vision neben all der Risikobereitschaft einfach auch jede Menge Penisse.
4 Kommentare mit 4 Antworten
Mit dem Namen hat sie sich im deutschsprachigen Raum keinen Gefallen getan, würde ich sagen. Oder bin ich der einzige zurückgebliebene Depp, der das *so* gelesen hat?
"Oder bin ich der einzige zurückgebliebene Depp"
Ja.
CakKe, ich hab's befürchtet.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Monaten durch den Autor entfernt.
Würd ich mir gern anhören aber schon nach 2 min nervt das "bitch suck dick" Gelaber ohne Ende. Nee, nach 1 Minute.
Empowernment dies das
Amerikanisch Ikkimel aber in gut.
Sowas dachte ich auch. Hatte lange nur brutalst miesen Pornorap wie Ikkimel oder Katja K. aufgeschnappt, und auch Megan fand ich öde kalkuliert.
Cupcakke macht wenigstens Energie und Spaß, ist im Gegensatz zu den Anderen auch nicht so unglaubwürdig verklemmt. Da krieg ich öfter so Vibes von wegen "HIHIHI, ich hab ein böses Wort gesagt..."
Für 2/5 reichts allemal.