laut.de-Biographie
D-Bo
"Man hat sich nichts vorzuwerfen, wenn man ehrlich ist." Getreu diesem Grundsatz meistert D-Bo das Kunststück, aus dem Schatten seines besten Freundes und Labelgenossen Bushido heraus zu treten und ein eigenständiges Ding durchzuziehen. Sieh an: Hip Hop aus Berlin muss gar nicht zwangsläufig hart sein.
Danny Bokelmann kommt am 6. Juni 1978 in Göttingen zur Welt. Da seine Mutter bei seiner Geburt gerade einmal 17 Jahre alt ist, wächst der Kleine im niedersächsischen Northeim in der Obhut seiner Großeltern auf. Das Geld ist knapp. Danny lernt zwangsläufig, mit dem Wenigen, das da ist, zurecht zu kommen.
Über Kumpels in der Schule kommt er mit US-Rap-Platten in Kontakt. "Von meinem ersten Geld habe ich mir das 'Niggaz 4 Life'-Album von N.W.A. gekauft", erinnert er sich. "Harter, ehrlicher Rap, wie ich es liebe." Spätestens jetzt hängt er am Haken. Es folgen die Werke von Snoop, Dr. Dre und 2Pac. Dannys Welt dreht sich ausschließlich um Hip Hop und Basketball.
"Da, wo ich herkomme, gabs keine Szene, über die man sich hätte informieren können, was in der Musik los ist. In Northeim, 34.000 Einwohner, gab es keinen Rap oder Hip Hop." Die logische Konsequenz: Man muss selbst aktiv werden. "Ich hab' versucht, Sachen von N.W.A. nachzurappen, zu Hause auf einem Kassetten-Rekorder", berichtet D-Bo im Interview mit rap.de.
"Ich fand das aber selber so peinlich, dass ich wieder aufgehört habe. Dann hab' ich nach der Konfirmation ein bisschen Geld gehabt, hab' mir davon ein elektrisches Schlagzeug und ein Keyboard geholt und so weiter, wieder was gemacht, probiert, dann hat sich das wieder Scheiße angehört, wieder aufgehört ..." Erste eigene Texte entstehen, der beschränkte englische Wortschatz engt die Ausdrucksmöglichkeiten des Siebtklässlers jedoch zusätzlich enorm ein.
Gegenüber der Netzeitung beschreibt Danny, der seinen Namen zu einem markigen D-Bo zusammenkürzt, den Erweckungsmoment, den ihm die Fantastischen Vier bescherten: "Irgendwann stand in einem Laden dieses Album – wie hieß die denn noch, die vor 'Vier gewinnt', mit so 'nem roten Cover. Da war ein Aufkleber drauf: Hip Hop auf Deutsch oder so ähnlich. Ich dachte: 'Hä? So was geht doch gar nicht.' Dann habe ichs mir angehört und fand es total geil. Ich wusste natürlich nicht, dass das eigentlich 'Mainstreamscheiße' ist. Aber damals war ich zu klein, um das zu unterscheiden. Und so, wie ich Roxette gehört habe oder Michael Jackson, habe ich auch Fanta Vier gehört. Das hat für mich keinen Unterschied gemacht."
Im Rappen auf Deutsch erschließt sich D-Bo ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten. "Ich kann kein Instrument spielen, ich bin darauf angewiesen, am Computer Beats zu machen - und ich kann auch nicht singen. Also hat sich der Sprechgesang angeboten." Seine Themen: Liebe, Träume, Ängste, Sehnsüchte, Sorgen. D-Bo packt die ganze Palette der Gefühle in seine Texte.
1999 kommt er mit Bushido in Kontakt. Die beiden verstehen sich auf Anhieb. Es entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Gemeinsam mit ihm, King Orgasmus One und Bass Sultan Hengzt hebt D-Bo in Hannover das
Untergrund-Label I Luv Money Records aus der Taufe.
"Wir wollten unsere Musik schon immer eigenständig rausbringen", wird D-Bo bei Ersguterjunge zitiert. "Wir hatten das nötige Startkapital und mit Rappern wie Bass Sultan Hengzt, King Orgasmus oder Frank White aka Fler auch das Potenzial, erfolgreiche Alben herauszubringen, aber wir waren als Labelmacher einfach zu unerfahren."
Wenig später ist das erste eigene Tape fertig gestellt: "Deutscha Playa" entstand größtenteils in Berlin, wo sich D-Bo seit seiner Kontaktaufnahme mit Bushido regelmäßig herumtreibt, aber auch in Osnabrück, Freiburg und Hannover wird aufgenommen. Noch im gleichen Jahr gründet D-Bo zusammen mit zwei Freunden Distributionz, einen Vertrieb für Underground-Rap.
Mehr und mehr befasst er sich mit organisatorischen Aufgaben, den Strukturen hinter der Musik. Die Dinge nehmen ihren Lauf, bis Bushido 2002 das gemeinsame Boot verlässt und ein Angebot von Aggro Berlin annimmt. D-Bo betrachtet diesen Umstand als Anlass, nun seinerseits die Zelte in Hannover abzubrechen. Er zieht nach Göttingen und beginnt ein Sportstudium.
"Ich habe vieles angefangen, aber nichts fertig gemacht", blickt er später auf diese Zeit zurück. D-Bo studiert ein wenig, befasst sich mit einer Ausbildung zum Toningenieur und verdient sich einige Lorbeeren als Basketball-Trainer niedersächsischer Jugendmannschaften. Ein Angebot, hauptberuflich als Coach zu arbeiten, liegt auf dem Tisch.
Doch dann kommt, wie so oft, alles anders. Bushido verlässt Aggro Berlin. Bei der Absicht, sein eigenes Label zu starten, besinnt er sich auf seinen alten Kumpel D-Bo. Den wiederum hat die Musik nie wirklich losgelassen. Neben seinen diversen Tätigkeiten produzierte er eigene Beats.
Einer davon findet sich im Track "Schmetterling" auf Bushidos Album "Electro Ghetto". Im Zuge dessen begleitet D-Bo, obwohl er nicht besonders versessen auf Live-Auftritte ist, die "Electro Ghetto"-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.
D-Bo nimmt Bushidos Vorschlag an und verlegt seinen Wohnsitz im August 2004 in die Hauptstadt. Gemeinsam gründen die beiden unter dem Dach von Universal das Sublabel Ersguterjunge. D-Bo zeichnet dort hauptsächlich für den organisatorischen Bereich verantwortlich. Dennoch erlebt hier sein Tape "Deutscha Playa" eine Wiederauflage, diesmal im CD-Format.
Neben etlichen Features und Gastproduktionen schraubt D-Bo an einem eigenen Album: "Deo Volente" erscheint im Februar 2005. Der Titel, übersetzt 'Mit dem Willen Gottes', lässt D-Bos christliche Grundeinstellung bereits ahnen: "Von Kirche und Papst halte ich zwar nicht so viel, aber ich bin gläubig und bete täglich." D-Bo lebt geradezu asketisch: Drogen, Zigaretten, sogar Alkohol - für ihn kein Thema.
Mit "Deo Volente" gestattet D-Bo einen Einblick in das Seelenleben eines melancholischen, zuweilen depressiven jungen Mannes. Das Album entsteht in weiten Teilen unter seiner eigenen Regie. Wie schon beim Vorgänger "Deutscha Playa" absolviert Bass Sultan Hengzt einen Gastauftritt.
Auf dem ersten Labelsampler "Ersguterjunge Vol.1 - Nemesis" ist D-Bo selbstverständlich vertreten. Den nächsten eigenen Longplayer hat der 'Prinz der Jugend' allerdings auch bereits am Start. Obwohl er den Rapper D-Bo am Ende von "Deo Volente" um die Ecke brachte, kehrt dieser nun zurück: 2006, im Intro zu "Seelenblut" erhält er eine letzte Chance, sich zu beweisen.
Mit diesem Schachzug hält sich D-Bo alle Optionen offen. Obwohl das Album unter Fans rasch zum Kult aufsteigt und die Süddeutsche Zeitung eine "Wende im deutschen Hip Hop" wittert, plagen den Rapper Selbstzweifel und Zukunftsangst. Lässt sich mit Musik tatsächlich eine Familie ernähren?
D-Bo zieht in Erwägung, das Mikrofon auf Dauer an den Nagel zu hängen. Im Alter sehe er sich ohnehin nicht mehr als Rapper, lässt er die Bravo wissen. "Da habe ich dann bestimmt auch keinen Bock mehr drauf. Mit 50 habe ich mit Sicherheit über jedes Thema gerappt ... Ich will ja nicht immer das Gleiche erzählen. Vielleicht mache ich später mal ein Café auf oder überlege mir was anderes."
Zunächst steht aber erst einmal "Seelenblut" an. Sechs Beats entstammen D-Bos eigenen Reglern. Auf Samples verzichtet er dabei wie üblich weitgehend. Schützenhilfe kommt unter anderem von den Labelkollegen DJ Stickle, Chakuza, Bahar und natürlich von Bushido. "D-Bo wird immer wie ein Bruder für mich sein", meint der. "Er ist der loyalste Mensch, den ich kenne."
Ein Karriereende ist vorerst nicht in Sicht. Neben verschiedenen Featureparts trägt D-Bo zum zweiten Ersguterjunge-Sampler "Vendetta" den Solotrack "Was Ist Das?" bei, tritt auf diversen Alben aus dem Ersguterjunge-Umfeld in Erscheinung und ist auch bei der dritten Compilation "Alles Gute Kommt Von Unten" wieder mit von der Partie.
Im Oktober 2007 liegt zudem das vierte Album "Sans Souci" auf dem Tisch. Mit Gastauftritten von Eko Fresh, Chakuza, Nyze, Summer Cem, Sprachtot und etlichen anderen und Beats von Screwaholic und Decay sowie aus dem Hause Beatlefield: eine runde Angelegenheit. Der als Single ausgekoppelte Titeltrack schießt samt zugehörigem Video aus dem Stand an die Spitze der MTV TRL-Charts.
Für Album Nummer fünf verlässt sich D-Bo erstaunlicherweise nicht auf die eingespielten Strukturen von Ersguterjunge, sondern nimmt die Sache von vorne bis hinten in die eigenen Häne. "Die Lüge Der Freiheit" erscheint im Sommer 2009 bei seinem eigenen Label Wolfpack Entertainment und birgt neben Features von bewährten Wegbegleitern, darunter Chakuza, Nyze, Summer Cem und Bizzy Montana, Hip Hop mit Elektro- und Reggae-Elementen, bewegt sich aber schon deutlich in Richtung Elektro.
Diese Entwicklung setzen "Auf Der Suche Nach Dem Glück" (2011) und "Kopf***k Mit Niveau" (2012) nahtlos fort. D-Bo zeigt sich ungebrochen umtriebig. Er tourt zusammen mit RAF 3.0 und hebt, offenbar noch nicht ausgelastet genug, Anfang des Jahres 2012 sein eigenes Modelabel Est. In Hell aus der Taufe. Trotzdem bleibt er dem Mikrofon treu.
"Ich mache Musik für die Menschen, die mit der ewig immer noch härter werdenden Szene unzufrieden sind", erklärt D-Bo der Süddeutschen Zeitung auf die Frage, ob er keine Angst habe, sich mit allzu persönlichen Texten angreifbar zu machen. "Wenn mich Leute kennen lernen und sehen, dass ich wirklich so bin, respektieren sie mich auch dafür." Außerdem: "Meine Mutter würde mir eine schmieren, wenn ich so dreckig rappen würde wie
die anderen."
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
@sodi
https://youtu.be/70CBAaEpskE
unerreicht